Rz. 33

Im Idealzustand können die Eltern die regelmäßig im Zusammenhang mit der Trennung eintretenden Belastungen für eine gesunde Entwicklung des Kindes mildern. Sie sind verpflichtet, das Kind nicht mit ihren Konflikten zu belasten,[96] also gehalten, eine den Kindesinteressen ­entsprechende Lösung für dessen weitere Entwicklung zu finden. Hierzu gehört, dass sie alles unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigen oder die Kindeserziehung als solche erschweren könnte.[97] Vor diesem Hintergrund statuiert die Wohlverhaltensklausel des § 1684 Abs. 2 BGB die Pflicht der Eltern zu einem wechselseitig loyalen Verhalten bei der Ausübung des Umgangsrechts.[98] Eine Umgangsregelung muss jedoch zugleich so auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes zugeschnitten werden, dass eine gleichmäßige und ungestörte Erziehung gewährleistet werden kann. Kommt es anlässlich der Umgangskontakte immer wieder zu Auseinandersetzungen, so ist dieses Ziel gefährdet.[99] Ein Elternteil verstößt gegen seine Loyalitätsverpflichtung, wenn er es einem achtjährigen Kind freistellt, ob es Umgangskontakte wahrnehmen möchte oder nicht[100] oder anderweitig die Erziehung des betreuenden Elternteils massiv unterwandert.[101] Der betreuende Elternteil muss vielmehr – auch zur Meidung einer ansonsten von ihm zu gewärtigenden Vollstreckung (siehe dazu § 6 Rdn 27 ff.) oder Anordnung einer Umgangspflegschaft (siehe dazu Rdn 39 ff.) – das Kind in der gebotenen Weise eindringlich darauf hinweisen, dass er mit den Umgangskontakten einverstanden ist und deren Durchführung wünscht.[102] Umgekehrt muss sich der umgangsberechtigte Elternteil außerhalb der gerichtlich festgelegten Umgangszeiten eines Kontakts zum Kind enthalten, sofern nicht der betreuende Elternteil mit einem solchen Kontakt einverstanden ist.[103]

 

Rz. 34

Von einem Elternteil, der durch seinen Umzug eine erhebliche räumliche Distanz hergestellt hat, kann ein höherer Einsatz erwartet werden, um den dem umgangsberechtigten Elternteil hierdurch entstandenen vermehrten zeitlichen und organisatorischen Aufwand zu verringern. Zu denken ist hier etwa daran, dass er sich an den Hin- und Rückfahrten – oder im Einzelfall den Kosten hierfür – beteiligt.[104] Auch im Unterhaltsrecht können Umgangskosten in Ausnahmefällen, in denen die Kostenbelastung für den Umgangsberechtigten unzumutbar und dadurch die Ausübung des Umgangs praktisch unmöglich wird, Berücksichtigung finden (siehe dazu Rdn 90 ff.).

[96] BVerfG FamRZ 1982, 1179.
[97] OLG Bamberg FamRZ 1995, 428; OLG Hamm FamRZ 1994, 57.
[99] BayObLG FamRZ 1994, 1411.
[100] OLG Saarbrücken FamRZ 2007, 927; Anm. Giers, FamRB 2007, 166; Anm. Leis, jurisPR-FamR 8/2007, Anm. 2.
[101] OLG Saarbrücken FamRZ 2015, 62 und 344.
[102] BGH FF 2012, 67; Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 89 Rn 25.
[103] KG FamRZ 2015, 940.
[104] OLG Brandenburg FamRZ 2009, 131; OLG Schleswig FamRZ 2006, 881; zu sozialrechtlichen Fragestellungen in diesem Zusammenhang siehe Jansen, FPR 2009, 144.

1. Allgemeines

 

Rz. 35

Im Rahmen der Wohlverhaltensklausel ist der betreuende Elternteil verpflichtet, auf das Kind, vor allem wenn es noch jünger ist, dahingehend einzuwirken, dass der persönliche Umgang nicht als belastend empfunden wird. Hierzu kann etwa gehören, dass die Übergabe des Kindes so ausgestaltet wird, dass das Kind den Eindruck gewinnt, der übergebende Elternteil wünsche selbst die Kontakte.[105] Völlig deplaziert sind an dieser Stelle spannungsgeladene Diskussionen über Angelegenheiten des Kindes oder sogar offene Streitigkeiten. Um dem Kind Loyalitätskonflikte zu ersparen, genügt es nicht nur, die Umgangskontakte zuzulassen. Sie sind vielmehr aktiv zu fördern.[106] Hierzu gehört nicht nur, dass bei Abholung des Kindes die Tür geöffnet wird, sondern – bei weiter Entfernung – auch die Verbringung des Kindes zum Flughafen.[107] Gerade bei jüngeren Kindern dürfte eine solche Unterstützung einfach zu leisten sein. Kann der betreuende Elternteil diese Vorgaben nicht erfüllen, weil er möglicherweise noch zu sehr in der Auseinandersetzung auf der Paarebene verhaftet ist, so kann von ihm die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfsmaßnahmen erwartet werden,[108] zu denen er freilich nicht gerichtlich verpflichtet werden kann (siehe § 1 Rdn 206).

 

Rz. 36

Die Wohlverhaltenspflicht wird durch negative Beeinflussungen des Kindes gegen den Umgangsberechtigten verletzt, sei es in direkter oder auch in mittelbarer Form, etwa unter Hinweis darauf, dass sich das Kind selbst gegen die Kontakte ausgesprochen haben soll. Soweit es um die Herstellung der Umgangskontakte geht, sind diese aktiv zu fördern. Im Gegenzug besteht die Verpflichtung des Umgangsberechtigten, das Kind nicht gegen den anderen Elternteil einzunehmen, dessen Erziehungsmaßnahmen zu unterlaufen oder sogar seine Erziehungsautorität infrage zu stellen.[109]

 

Rz. 37

Werden die sich aus der ...

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