Wie man Learnings aus Schulungen im Unternehmen verankert

Schulungen sollen Verbesserung in der Arbeitsleistung bringen. Doch in den Unternehmen regiert das Prinzip Hoffnung: Die Umsetzung des Gelernten wird schon von allein klappen. Ein krasser Denkfehler, findet Kolumnist Axel Koch. Er plädiert für eine proaktive Transfersicherung.

Mehr Wirkung und Lerntransfer – das wünschen sich eigentlich alle. Wie wäre es nun, wenn Sie vor einem Training wüssten, ob die Teilnehmenden hinterher das Gelernte umsetzen? Würden Sie das konkrete Risiko für den Lerntransfer messen wollen und proaktiv Gegenmaßnahmen einleiten?

Die klare Antwort müsste "Ja" lauten. Denn Risikomanagement ist etwas ganz Normales. Es ist üblich im Bereich von Finanzen, bei Versicherungen oder bei Erdbebengebieten. Genauso normal müsste es demnach sein, Risiken für den Lerntransfer zu minimieren, damit gewünschte Wirkungen bei Trainings entstehen.

Sie merken es schon an meinen Formulierungen: Ich sagte "müsste". Denn die Realität sieht komplett anders aus.  Wir messen standardmäßig in den Firmen nach einem Training, wie zufrieden die Teilnehmenden damit waren. "Happy Sheets" heißen diese Bögen. Doch Zufriedenheit bedeutet nicht Lerntransfer bzw. eine nachhaltige Veränderung von Gewohnheiten. Das lässt sich in diversen Meta-Analysen der Lerntransferforschung nachlesen.

Das Prinzip Hoffnung stirbt zuletzt

Kurzum: Wir hoffen auf Trainingseffekte. Wohl wissend, dass diese Hoffnung genauso sinnlos ist, wie in der Wüste auf Regen zu warten. Und so wird immer wieder Kritik an der Personalentwicklung laut. Sie ist nicht wertschöpfend und damit verzichtbar. Als Geschäftsführer oder Vorstand möchte ich einen Return on Investment. Trainings sind nicht nur zum Spaß, als Incentive oder zum Networking gedacht. Sie sollen helfen, die Performance des einzelnen zu verbessern und so einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Am Ende geht es also nicht darum, wie "happy" alle waren. Übersehe ich da was? Ist doch so, oder?

Wenn Sie so denken wie ich, dann finden Sie sehr wahrscheinlich den Gedanken einer proaktiven Transfersicherung spannend. Damit ist gemeint, vor einer Trainingsmaßnahme Risiken und Hürden des Lerntransfers zu erfassen, um dann mit gezielten Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass der nachhaltige Trainingserfolg sichergestellt ist.

Wie fit sind Teilnehmende für den Lerntransfer?

"Managing transfer before learning begins." Das ist bereits Anfang der 2000er Jahre die Forderung von Sharon S. Naquin, Louisiana State University, und Timothy T. Baldwin, Indiana University Bloomington. Baldwin ist dadurch in Fachkreisen bekannt, weil er 1988 als erster alle Befunde der Lerntransferforschung in einem eigenen Modell zusammengefasst hat. Von ihm stammt auch die gängige Definition von Lerntransfer. Der Begriff bedeutet demnach, dass das in einer Fortbildungsmaßnahme gelernte Wissen bzw. die erworbenen Fertigkeiten und Haltungen danach auch generell im Arbeitsalltag über eine längere Zeit gezeigt werden.

Naquin und Baldwin wiesen bereits vor mehr als 20 Jahren auf den Umstand hin, dass zu wenig beachtet wird, welche Eigenschaften von Trainingsteilnehmenden den Lerntransfer verhindern bzw. begünstigen. Denn diese seien wichtige Prädiktoren für den Transfererfolg. Sie prägten den Begriff "transfer-ready learner". Dabei sind nach Ansicht der Autoren besonders zwei Charakteristika bedeutsam für einen "transfer-ready candidate", das heißt für Trainingsteilnehmende, denen der Lerntransfer sehr gut gelingt. Diese zwei Charakteristika des Lernenden sind "learning agility", sprich die stete Suche nach persönlichem Wachstum und Entwicklung, sowie die Motivation, sich durch Lernen in der eigenen Arbeit zu verbessern. Da Teilnehmende in unterschiedlichem Ausmaß "transferbereit" sind, gilt es hier anzusetzen. Sei es die Verbesserungsmotivation zu erhöhen als auch das passende Maß an Transferunterstützung zu bestimmen.

Das Lerntransfer- System-Inventar (LTSI)

Auch das Modell des nachhaltigen Trainingsprozesses von Simone Kauffeld, Technische Universität Braunschweig, spiegelt den Gedanken wider, sich vor einer Maßnahme die Transfersicherung zu überlegen. Sie hat das Modell im Jahr 2010 in ihrem Buch "Nachhaltige Weiterbildung" veröffentlicht. Danach empfiehlt sie, im Zuge der Bedarfsanalyse und der Ableitung von Trainingszielen auch gleich am Anfang die Erfolgsfaktoren für den Lerntransfer zu identifizieren und für die Trainingskonzeption zu berücksichtigen.

Ein nützliches Instrument dafür stammt von dem Amerikaner Elwood F.  Holton III und seinen Kollegen. Sie veröffentlichten im Jahr 2000 das Learning Transfer System Inventory (LTSI). Der an 1.616 Probandinnen und Probanden entwickelte Fragebogen mit 67 Aussagen weist auf 16 forschungsbasierte Aspekte hin, die den Transfererfolg beeinflussen, wie z. B. Transfermotivation, die Training-Arbeits-Übereinstimmung oder Feedback. Somit lassen sich Transferhürden frühzeitig identifizieren und Lösungen für einen besseren Lerntransfer entwickeln. Simone Kauffeld veröffentlichte eine deutschsprachige Version des LTSI im Jahr 2008.


Prof. Dr. Axel Koch ist promovierter Diplom-Psychologe und arbeitet als Dekan der Fakultät Wirtschaftspsychologie und Professor für Training und Coaching an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning (bei München). In seiner Forschung befasst sich Koch mit dem Thema Lerntransfer und nachhaltige Veränderung. Er hat über 25 Jahre Erfahrung als Personalentwickler, Trainer und Coach. Er steckt hinter dem Pseudonym "Richard Gris", unter dessen Namen 2008 das Buch "Die Weiterbildungslüge" erschien.