Was kostet Coaching? Eine Studie zum Coaching-Markt

131 Euro für eine Coaching-Stunde, aber nicht alle Coachs überzeugen beim Erstkontakt. In einer Studie haben sich Testkäufer im Rhein-Main-Gebiet über Angebote von Coachs informiert. Die Ergebnisse werfen teilweise kein gutes Licht auf den Coaching-Markt.

Im Jahr 2014 hat die Stiftung Warentest in Berlin mit zuvor geschulten Testern insgesamt fünf Erstgespräche bei Coaching-Anbietern in den Blick genommen und damit vielen Interessierten Anregungen für die Auswahl eines passenden Coachs geliefert. Nun habe ich mit meinem Team im Rahmen einer groß angelegten Studie zu Coaching-Honoraren auch grundlegende Aspekte der Dienstleistungsqualität von Coachs erfasst. Einbezogen wurden in die Coaching-Studie alle in der Wirtschaftsmetropole Frankfurt/Rhein-Main ansässigen Coachs, die einem Coaching-Verband mit mehr als 125 Mitgliedern angehören. Das waren insgesamt 794 Coachs aus 15 Coaching-Verbänden.

Erste Anlaufstelle: Coaching-Verbände geben Auskunft

88,4 Prozent der Coachs sind aus einem der Verbände des „Roundtable der Coaching-verbände“ (RTC). Dort engagieren sich Verbände, die sich  zusammengeschlossen haben, um einheitliche Qualitätsstandards zu etablieren und die Professionalisierung von Coaching voranzutreiben. Neben der Vollerhebung besteht eine weitere Besonderheit der Studie darin, dass sie als Silent-Shopping-Studie konzeptioniert wurde. Bei dieser Methode treten zuvor geschulte Testkunden als normale Kunden auf dem Markt auf und stellen Coaching-Anfragen. Hierdurch lassen sich nicht nur die tatsächlichen Honorare erheben – es können darüber hinaus auch noch wichtige Qualitätsaspekte der Kundenorientierung erfasst werden.

Die Ergebnisse zeigen: Eine Coaching-Stunde kostet in der Wirtschaftsmetropole Frankfurt/Rhein-Main für Selbstzahler durchschnittlich 130,70 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Es gibt allerdings beträchtliche Preisunterschiede: Das niedrigste Stundenhonorar betrug 45,00 Euro, während der Höchstsatz mit 446,25 Euro angegeben wurde. Der größte Teil der Coachs – nämlich 57,4 Prozent – verlangt jedoch Honorare zwischen 51 und 150 Euro für die Coaching-Stunde. Lediglich 2,3 Prozent der Coachs lassen sich eine Coaching-Sitzung von 60 Minuten mit mehr als 250 Euro vergüten.

Mitgliederverzeichnisse der Verbände sind nicht immer aktuell

Bei einer verbandsspezifischen Honorarauswertung zeigt sich, dass auch die mittleren Honorare der Verbände teilweise beträchtlich voneinander abweichen. An der Spitze stehen die Durchschnittshonorare der ICF Deutschland mit 197,57 Euro und des BDP mit 195,03 Euro, die fast doppelt so hoch sind wie das des DFC mit 99,33 Euro. Verglichen mit dem Jahr 2015 – da wurde die Silent-Shopping-Studie aus Ressourcengründen nur mit 430 Coachs aus neun Verbänden durchgeführt – hat sich das Honorar um 18,9 Prozent erhöht. Das entspricht einer jährlichen Steigerung von 4,7 Prozent. Bei den einzelnen Verbänden lag diese jährliche Honorarsteigerungsrate bei bis zu 16,4 Prozent.

Bei 23,4 Prozent der erfassten Coachs konnten keine Angaben zum Honorar in Erfahrung gebracht werden, wobei die Quote je nach Verband zwischen 0,0 und 36,4 Prozent schwankt. Diese fehlenden Angaben gehen sowohl auf Datenbankfehler (bei den Verbänden) als auch auf das Antwortverhalten der Coachs zurück. Datenbankfehler liegen vor, wenn Coachs entweder aufgrund fehlerhafter Kontaktdaten in den Mitgliederverzeichnissen der Verbände nicht angefragt werden können oder sich bei der Anfrage herausstellt, dass sie nicht für ein Coaching zur Verfügung stehen, weil sie grundsätzlich nicht als Coach arbeiten, inzwischen im Ruhestand sind, in eine Festanstellung gewechselt sind oder prinzipiell nicht für Selbstzahler, sondern nur für Unternehmen tätig werden. Die durchschnittliche Datenbankfehlerquote liegt bei 15,5 Prozent. Das ist alarmierend!

Man kann die kundenseitige Frustration förmlich spüren, wenn man sich vor Augen führt, dass sich in etwa jeder sechste Anfrageversuch als Zeitverschwendung erweist. Bei der GwG, dem DCV, der EASC und dem BDVT geht der Anteil der Datenbankfehler sogar über 20 Prozent hinaus. Einzig der DFC führt vorbildlich die Liste ohne Datenbankfehler an. Bei 7,9 Prozent der Coachs war deren Antwortverhalten verantwortlich für die fehlende Honorarinformation. Sie haben entweder auf die Coaching-Anfrage nicht geantwortet oder blieben während des Erstkontakts hinsichtlich des Honorars intransparent. Zum Verständnis: Die Studie war so angelegt, dass zunächst eine telefonische Coaching-Anfrage gestartet wurde. Hat ein Coach darauf nicht reagiert, wurde am vierten Tag per Mail und wenn nötig nochmal am siebten Tag telefonisch nachgefasst. Erst wenn nach Ablauf des zehnten Tages keine Reaktion vorlag, wurde die Anfrage letztlich abgebrochen und als „nicht geantwortet“ verbucht.

Einen Coach suchen: Viele antworten nur langsam auf Erstanfragen

Beim DFC, der DGfC, dem DVCT, dem DCV und der ICF-D lag diese Quote bei 0,0 Prozent. Das heißt, dass fünf Verbände sich durch eine Antwortverbindlichkeit von 100 Prozent auszeichnen. Zu bedenken ist, dass damit lediglich gemeint ist, nach drei Anfrageversuchen überhaupt zu reagieren. Die Tabelle zeigt, dass der Anteil der Coachs, die überhaupt nicht reagieren, beim BDP und QRC sogar bis 12,5 Prozent reicht. Auch wenn man erwarten sollte, dass in unserer dynamischen, von permanenter Erreichbarkeit geprägten Arbeitswelt auf eine telefonische Kundenanfrage umgehend reagiert wird, hatten lediglich 69,5 Prozent aller Coachs beim ersten Versuch geantwortet.

VerbandReaktionsqualitätKeine Reaktion nach 10 TagenAntwortquote auf  Erstanfrage
DCV100,0 Prozent0,0 Prozent100,0 Prozent
DFC95,8 Prozent0,0 Prozent87,5 Prozent
DBVC88,9 Prozent2,0 Prozent76,5 Prozent
EASC88,9 Prozent0,0 Prozent77,8 Prozent
BDP87,5 Prozent12,5 Prozent87,5 Prozent
DVCT87,1 Prozent0,0 Prozent79,0 Prozent
SG83,1 Prozent4,7 Prozent72,1 Prozent
DGSF82,8 Prozent8,1 Prozent74,7 Prozent
DVNLP82,7 Prozent8,9 Prozent73,4 Prozent
BDVT80,3 Prozent5,1 Prozent68,2 Prozent
DGSv80,0 Prozent8,7 Prozent74,7 Prozent
GwG80,0 Prozent11,1 Prozent68,9 Prozent
QRC79,2 Prozent12,5 Prozent62,5 Prozent
ICF-D77,3 Prozent0,0 Prozent63,6 Prozent
DGfC70,4 Prozent11,1 Prozent44,4 Prozent
Gesamtdurchschnitt82,0 Prozent6,8 Prozent69,5 Prozent

Vergleicht man die Antwortbereitschaft zwischen den Verbänden, so eröffnet sich ein Spektrum von nur 44,4 Prozent bei der DGfC bis zu vorbildlichen 100 Prozent beim DCV. Überhaupt auf eine Kundenanfrage zu reagieren (Antwortverbindlichkeit), ist die eine Sache, dies auch zeitig zu tun, die andere. Die ICF-D hat zwar eine Antwortverbindlichkeit von 100 Prozent, die Antwortquote bei der Erstanfrage liegt jedoch bei lediglich 63,6 Prozent. Auf die erneute Anfrage hin stieg die Antwortquote auf 68,2 Prozent und erst nach dem dritten Anfrageversuch wurden die 100 Prozent erreicht. Um diese Antwortträgheit zu berücksichtigen, wurde das arithmetische Mittel der gewichteten Antwortquoten des ersten, zweiten und dritten Anfrageversuchs als Maß für die Reaktionsqualität berechnet.

Die Qualität des Erstkontakts kann gemessen werden

Die Daten bestätigen nochmal die hohe Antwortträgheit des ICF-D, die nur noch vom DGfC mit einer Reaktionsqualität von 70,4 Prozent übertroffen wird. An der Spitze stehen der DCV mit 100 Prozent und DFC mit 95,8 Prozent. Bei einer Coaching-Anfrage kann man erwarten, dass man neben Informationen zur Arbeitsweise, Qualifikation und fachlichem Hintergrund des Coachs auch eine konkrete Aussage zu den Kosten bekommt, was bei 92,4 Prozent der antwortenden Coachs auch der Fall war. Andere blieben unkonkret, indem sie lediglich eine – teilweise eher grobe – Honorarspanne mitteilten und manche Coachs ließen die Honorarfrage gänzlich unbeantwortet und verwiesen stattdessen auf ein zu vereinbarendes Vorgespräch. In der betreffenden Tabelle wird die Honorartransparenz verbandsspezifisch aufgelistet.

VerbandHonorartransparenz
EASC100,0 Prozent
DCV100,0 Prozent
BDP100,0 Prozent
DGSF97,9 Prozent
DGSv97,5 Prozent
DVCT97,4 Prozent
GwG96,9 Prozent
ICF-D96,8 Prozent
DVNLP96,4 Prozent
DGfC96,3 Prozent
DFC95,8 Prozent
SG95,2 Prozent
DBVC94,8 Prozent
QRC94,4 Prozent
BDVT93,8 Prozent
Gesamtdurchschnitt96,8 Prozent

Sie setzt sich zusammen aus dem arithmetischen Mittel der gewichteten eindeutigen, unkonkreten und fehlenden Antwortquoten. Im Durchschnitt liegt die Honorartransparenz bei 96,8 Prozent. Während bei der EASC, dem DVC und dem BDP das Honorar durchgängig eindeutig war, ist beim BDVT die Honorartransparenz für Selbstzahler am geringsten. Fasst man abschließend die vier untersuchten Qualitätsaspekte „Datenbankqualität“, „Antwortbereitschaft“, „Reaktionsqualität“ und „Honorartransparenz“ zu einem „Qualitätsindex für den Erstkontakt“ zusammen, heißen die Top-Fünf-Verbände DFC (97,9 Prozent), DCV (93,8 Prozent), DVCT (93,5 Prozent), DBVC (92,6 Prozent) und ICF-D (92,4 Prozent). Dennoch geben die Ergebnisse auch diesen Verbänden konkrete Hausaufgaben auf: Der DCV hat an seiner Datenbankqualität zu arbeiten, DFC und DBVC sollten auf mehr Honorartransparenz ihrer Coachs hinwirken und die ICF-D tut gut daran, die Antwortträgheit ihrer Coachs zu überwinden. Einzig die DVCT zeigt konstant in allen vier Qualitätsaspekten überdurchschnittliche Werte – hat aber überall auch noch etwas Luft nach oben.

VerbandQualitätsindex
DFC97,9 
DCV93,8 
DVCT93,6 
DBVC92,6 
ICF-D92,4 
BDP90,6 
EASC90,4 
SG90,1 
DGSF89,3 
DVNLP88,7 
DGSv88,3
QRC87,2
DGfC86,4
GwG85,7
BDVT85,4
Gesamtdurchschnitt89,1

Vor größeren Herausforderungen stehen die fünf Verbände am Ende der Liste: die DGSv (88,3 Prozent), der QRC (87,2 Prozent), die DGfC (86,4 Prozent), die GwG (85,7 Prozent) und schließlich der BDVT mit 85,4 Prozent. Diese Verbände sind in jeweils drei von vier Qualitätsaspekten unter dem Durchschnitt. DGSv und GwG müssen sich vor allem ihrer Datenbankqualität sowie der Antwortbereitschaft und Antwortträgheit ihrer Coachs widmen. Teilweise bilden sie sogar das Schlusslicht und haben dort deutlichen Handlungsbedarf. So schneidet der QRC im Hinblick auf die Antwortbereitschaft besonders ungünstig ab, die DGfC hat die höchste Antwortträgheit und der BDVT steht bei der Datenqualität und der  Honorartransparenz am Listenende. Setzt man die Qualitätsergebnisse ins Verhältnis zum Honorar – der BDVT hat den dritthöchsten Stundensatz – dann besteht für den BDVT erst recht massiver Handlungsbedarf.

Nur 63 Prozent der Coachs sind „Profis“

Grundsätzlich sollten die Verbände dafür sorgen, dass ihre Verzeichnisse regelmäßig aktualisiert werden und sie müssen für Kunden sichtbar machen, ob und für wen ihre Coachs zur Verfügung stehen. Das ist vor allem für Mischverbände wichtig. Wichtig ist aber auch, ihre Coachs darin zu unterstützen – beispielsweise durch gezielte Schulungen – die Professionalität ihres Verhaltens im Kundenerstkontakt zu optimieren – erst recht, wenn man berücksichtigt, dass der Anteil der Vollprofis (geschlossen aus der Verpflichtung zur Mehrwertsteuer) – unter den verbandlich organisierten Coachs lediglich bei 63,3 Prozent liegt. Die Studie hat ihren Zweck, Coaching-Verbänden Anhaltspunkte zur Qualitätsentwicklung zu liefern, voll erfüllt – jetzt ist der Umsetzungswille der Verbände gefragt. Die nächste Studie kommt bestimmt.

Zur Studie

Als Teskäufer kontaktierte das Team um Ingmar Maurer, Psychologe und Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences, 794 Coaches aus der Region Frankfurt-Rhein-Main.


Dieser Artikel ist zuvor in der "wirtschaft+weiterbildung 02/2020" erschienen.

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