Studie: Unternehmen arbeiten agil, sind es aber nicht

Agile Methoden sind bereits in vielen Unternehmen verbreitet, das entsprechende agile Mindset ist aber in den Köpfen der Mitarbeiter und in der Organisationskultur häufig noch nicht verankert. Zu diesem Ergebnis kommt der "Future Organization Report" der Unternehmensberatung Campana & Schott.

Der Future Organization Report 2019 von Campana & Schott und des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen hat untersucht, welche Chancen und Risiken Agilität aus der Sicht von Top-Entscheiderinnen und -Entscheidern, Führungskräften und Mitarbeitenden birgt. Ferner wird beleuchtet, wie Unternehmen auf dem Weg zur agilen Organisation mit eigenverantwortlichen Akteuren und flexiblen Strukturen schneller zu besseren Ergebnissen kommen. (Eine Übersicht über weitere Studien zum Stand der agilen Transformation und zum Agilitäts-Reifegrad deutscher Unternehmen finden Sie im Beitrag: Agile Unternehmen: Beispiele aus der Praxis).

Die wichtigste Erkenntnis aus der Studie: Viele Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten zwar bereits mit agilen Methoden wie Scrum und Kanban (doing agile). Allerdings sind sie nicht durchgehend agil, da sie die Agilität noch nicht in den Köpfen der Mitarbeitenden oder gar in der Unternehmenskultur verankert haben (being agile). So werden agile Strukturen und Ansätze vorwiegend bereichsweise eingeführt. Eine langfristige Roadmap fehlt oder ist nur in Ansätzen vorhanden. Die hohen Erwartungen an Agilität können so oft nicht realisiert werden. (Lesen Sie auch: Die sechs Dimensionen der agilen Organisation).

Erfolgsfaktoren für die agile Transformation

"Für die agile Transformation gibt es klare Erfolgsfaktoren: ein unternehmensweites Bewusstsein für die Veränderung, organisationales Engagement und empowerndes Verhalten der Führungskräfte", erläutert Anna Adler, Director Corporate Development bei Campana & Schott. "Die größten Risiken sind dagegen eine inkonsequente Umsetzung, mangelnder Wandel der Unternehmenskultur und der Verlust von Mitarbeitenden oder deren Arbeitsmotivation vor allem in der Zeit der Transformationsphase."

Was Mitarbeiter über Agilität denken

Den Mitarbeitenden ist klar, dass für agile Arbeitsweisen neue Fähigkeiten nötig sind. So fühlen sich 81,2 Prozent der Befragten für ihre aktuellen Aufgaben gerüstet. Gleichzeitig sehen jedoch 75,4 Prozent den weiteren Aufbau neuer Fähigkeiten als essenziell an. 65,7 Prozent stimmen beiden Aspekten stark zu.

Eine wichtige Rolle im agilen Kontext spielt die Teamarbeit. Ein Drittel der Befragten ist davon überzeugt, durch die Arbeit im Team erfolgreicher zu sein (30,5 Prozent). Dabei kommt es für 48,5 Prozent vor allem auf die nötige Abstimmung an. 30,4 Prozent sagten, die profitierten von Diskussion in der Gruppe. 32,8 Prozent greifen zudem gerne auf die Hilfe anderer zurück.

36,1 Prozent der befragten Mitarbeitenden wünschen sich Team-Recruiting, also an der Auswahl von Personal in ihrem Team beteiligt zu sein. Weitere 30,4 Prozent haben bereits ein Mitspracherecht. So wird etwa an Probearbeitstagen die Zusammenarbeit und Harmonie mit dem Team getestet, um so mögliche Frustrationen oder Probleme zu vermeiden.

Wie agil sind die Führungskräfte?

Die Studie zeigt einmal mehr, dass Führungskräfte eine Vorbildfunktion im Rahmen der agilen Transformation innehaben. Ihr Fokus liegt auf der Zusammenarbeit, Kommunikation und Entscheidungsfindung auf Augenhöhe, unabhängig von der jeweiligen hierarchischen Rolle. (Mehr dazu: Agile Leadership - was agile Führung ausmacht).

"Der Future Organization Report liefert konkrete Praxisbeispiele, die dabei helfen, Agilität erfolgreich umzusetzen. Dazu zählen Führungskräfte, die sich für einen bestimmten Zeitraum in Job-Rotation begeben, ein Top-Management, das sich für die Mitarbeitenden transparent nach Kanban organisiert, oder ein Performance-Modell zur Incentivierung, das auch das Feedback von Kolleginnen und Kollegen einbezieht", so Prof. Dr. Christoph Peters, Assistenzprofessor am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. 

Tatsächlich geben Führungskräfte in vielen agilen Unternehmen bereits Verantwortung ab und schaffen Freiräume. Ein Drittel der Befragten (33,5 Prozent) sagt, dass ihre Führungskraft sie zur Bewältigung ihrer agilen Tätigkeiten befähigt. Von den Teilnehmern werden knapp zwei Drittel zur Eigeninitiative motiviert (65,7 Prozent), erhalten Befugnisse (64,6 Prozent) sowie einen positiven Ausblick in die Zukunft (60,9 Prozent) und können ihre Arbeit selbstbestimmt gestalten (60,2 Prozent). 

Führungskräfte schätzen Agilitäts-Reifegrad des Unternehmens höher ein als Mitarbeiter

Rund ein Viertel der Befragten (27,5 Prozent) attestiert dem eigenen Unternehmen einen hohen bis sehr hohen Reifegrad an Agilität. Unter Führungskräften fällt dieser Wert höher aus (30,5 Prozent) im Vergleich zu den Mitarbeitenden (21,7 Prozent). Insgesamt empfinden sich 40,9 Prozent der Befragten selbst als agil. Dabei schätzen sich Führungskräfte weitaus agiler ein (50,3 Prozent) als Mitarbeitende (25,1 Prozent).

Hürden bei der Transformation: Fehlerkultur noch nicht verankert

Es gibt jedoch auch Hindernisse für die agile Transformation. Dazu zählen insbesondere die Angst vor Fehlern sowie mangelnde Kommunikation. Nur jeder fünfte Teilnehmer (19,2 Prozent) sagt, dass Fehler im Unternehmen nicht gegen die Person verwendet werden. Jeder Zweite kann Probleme und Schwierigkeiten nicht einmal ansprechen. Lediglich 30,5 Prozent fühlen sich sicher, wenn sie ein Risiko eingehen – und nicht mal jeder Fünfte glaubt, er könne Kollegen ungefährdet um Hilfe bitten (13,9 Prozent). Frühere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen, nämlich dass konstruktive Fehlerkultur Mangelware ist. Hier sind Führungskräfte gefordert, eine "Trial & Error"-Kultur vorzuleben und die Mitarbeiter dazu zu motivieren.

Eine Herausforderung bildet laut der Studie auch die Nachvollziehbarkeit der agilen Transformation. Häufig besäßen Unternehmen dafür weder Roadmap noch Zwischenziele oder angestrebte Ergebnisse, heißt es im Studienbericht. Agilität müsse nicht über eigene KPIs gemessen werden, sondern diene dazu, andere Ziele besser zu erreichen, schreiben die Autoren des Studie. Jedoch sei eine Überprüfung und Anpassung der bisherigen KPIs notwendig, da agile Organisationen andere Rahmenbedingungen schaffen.

Fazit: Agile Transformation braucht klare Vision und Ziele

Die offene Darstellung, wer woran arbeitet, könne ebenfalls die Motivation steigern und eine bessere Priorisierung der Aufgaben ermöglichen. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass ein Teil der Mitarbeitenden in der erhöhten Transparenz die Gefahr einer unerwünschten Kontrolle sieht. Um diese Befürchtungen auszuräumen sowie allen Beteiligten eine klare Richtung vorzugeben und zu motivieren, gehören klare Agilitätsziele in die Vision eines Unternehmens, so das Fazit des Studienreports.


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