Rz. 215

Die arbeitgeberseitige Kündigung muss nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Die Voraussetzungen sind in §§ 1 Abs. 1, 14, 23 Abs. 1, 24 Abs. 1 und 25 KSchG geregelt.

1.4.1 Sachlicher Geltungsbereich

 

Rz. 216

Gem. §§ 1 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 KSchG muss nur eine ordentliche, arbeitgeberseitige (Beendigungs-)Kündigung sozial gerechtfertigt sein.

 

Rz. 217

Die soziale Rechtfertigung wird auch bei einer ordentlichen Änderungskündigung geprüft, und zwar

  • wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt hat, denn dann wirkt die Änderungskündigung wie eine Beendigungskündigung,
  • wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen hat, denn gem. § 2 Satz 1 KSchG wird dann geprüft, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen nach § 1 Abs. 2 Sätze 1–3, Abs. 3 Sätze 1 und 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

Ausgenommen sind nach § 25 KSchG Kündigungen in Arbeitskämpfen.[1]

[1] Vgl. Thüsing, § 25, Rz. 1 ff.

1.4.2 Betrieblicher Geltungsbereich

 

Rz. 218

Gem. § 23 Abs. 1 KSchG gilt der allgemeine Kündigungsschutz in allen Betrieben und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, aber nicht in sog. Kleinbetrieben, in denen i. d. R. 5 oder weniger Arbeitnehmer bzw. (bei Arbeitsverhältnissen nach dem 31.12.2003) 10 oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden.[1] Auch im Kleinbetrieb müssen jedoch die §§ 47, 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KSchG beachtet werden.

§ 1 Abs. 1 KSchG unterscheidet zwischen "Betrieb" und "Unternehmen". Ein Privathaushalt ist weder ein "Betrieb" noch ein "Unternehmen" (vgl. BAG, Urteil v. 11.6.2020, 2 AZR 660/19; Urteil v. 18.11.2021, 2 AZR 229/21).

§ 23 Abs. 1 KSchG stellt nur auf den Betrieb ab. Mangels Definition im KSchG gilt der Betriebsbegriff des § 1 BetrVG. Der Betriebsbezug des § 23 Abs. 1 KSchG ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht im konkreten Fall die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung von Kleinbetrieben ins Leere gehen und der Betriebsbegriff zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führt.[2] Maßgeblich ist eine wertende Gesamtbetrachtung dahingehend, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck (noch) gerecht wird.[3] Der typische Kleinbetrieb ist geprägt von der engen Zusammenarbeit der Arbeitnehmer, sodass sich die Persönlichkeit und der Leistungsbeitrag eines jeden Einzelnen unmittelbar auf das Betriebsklima und die Funktionsfähigkeit der Einheiten auswirkt. Ausnahmsweise kann auf die Unternehmensgröße abgestellt werden bei missbräuchlicher, willkürlicher Zersplitterung des Unternehmens in mehrere eigenständige Einheiten, allein darauf gerichtet, das Entstehen des allgemeinen Kündigungsschutzes zu verhindern.[4]

Zu Schifffahrts- und Luftverkehrsbetrieben vgl. § 24 Abs. 1 KSchG[5].

[1] Zur Frage der Zuordnung, wenn das Unternehmen mehrere Betriebe hat, vgl. BAG, Urteil v. 19.7.2016, 2 AZR 468/15; schrumpft der Betrieb infolge eines Betriebsübergangs unter den Schwellenwert, entfällt der Kündigungsschutz, vgl. BAG, Urteil v. 15.2.2007, 8 AZR 397/06; vgl. zur Änderung des Schwellenwerts BAG, Urteil v. 21.9.2006, 2 AZR 840/05; Niklas, NZA 2006, 1395 f.; Zundel, NJW 2006, 3467 f.; Einzelheiten bei Thüsing, § 23, Rz. 1 ff.
[5] Einzelheiten bei Thüsing, § 24, Rz. 1 ff.

1.4.3 Persönlicher Geltungsbereich/Wartezeit

 

Rz. 219

Gem. § 1 Abs. 1 KSchG muss die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers[1] in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hat. Eine Sonderregelung für Besatzungsmitglieder im Dienst einer Reederei oder eines Luftverkehrsbetriebs enthält § 24 Abs. 2 KSchG.[2]

 

Rz. 220

Da § 1 Abs. 1 KSchG nicht auf die Zeit der tatsächlichen Beschäftigung abstellt, sondern auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses, liegt der Sinn und Zweck der Wartezeit vorrangig darin, dass der Arbeitnehmer erst durch eine gewisse Dauer der Unternehmenszugehörigkeit das Recht auf die Arbeitsstelle erwerben soll (grundlegend BAG, Urteil v. 23.9.1976, 2 AZR 309/75[3]). Daneben dient die Wartezeit dazu, dass die Parteien in einem Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis eine gewisse Zeit lang prüfen können, ob sie sich auf Dauer binden wollen (BAG, Urteil v. 24.11.2005, 2 AZR 614/04[4]).

[1] Zur Definition des Arbeitnehmerbegriffs vgl. Thüsing, Einleitung, Rz. 10 ff.
[2] Thüsing, § 24, Rz. 1 ff.
[3] AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 1; HaKo-KSchG/Mayer, 7. Aufl. 2021, § 1 KSchG, Rz. 56.
[4] NZA 2006, 366, 367.

1.4.3.1 Berechnung der Wartezeit

 

Rz. 221

Der Arbeitnehmer hat die Wartezeit erfüllt, wenn sein Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger als 6 Monate in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens bestanden hat.

 

Rz. 222

Die Frist wird anhand der §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 BGB berechnet. Demnach wird ...

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