Rz. 10

Das KSchG gilt nur für Arbeitnehmer. Was ein Arbeitnehmer ist, hat das Gesetz jedoch lange Zeit nicht definiert. Maßgebend für die Rechtsprechung und das herrschende Schrifttum war im Ausgangspunkt immer die erstmals von Alfred Hueck geprägte Begrifflichkeit, dass Arbeitnehmer ist, "wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags zur Arbeit im Dienst eines anderen verpflichtet ist".[1] Die Definition war weitgehend anerkannt, jedoch unvollkommen, denn sie deckt nicht die Maßstäbe auf, nach denen der Arbeitsvertrag vom sonstigen Dienstvertrag zu sondern ist, in welchem Maße die Arbeitsleistung selbstständig oder unselbstständig sein soll, damit davon gesprochen werden kann, der Arbeitleistende stehe im Dienst eines anderen. Erforderlich waren ergänzende Überlegungen.

 

Rz. 11

Durch das am 1.4.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze wurde mit § 611a BGB erstmals eine Definition des Arbeitnehmerbegriffs in das Gesetz aufgenommen. Demnach ist Arbeitnehmer, "wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. "

"Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an." Auch hier bildet also der Ansatz von Hueck den Ausgangspunkt. Dieser wird jedoch durch die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien ergänzt und konkretisiert. Letztlich handelt es sich insofern um nicht mehr als eine Zusammenstellung der bisherigen Rechtsprechung des BAG, sodass die Definition nur deklaratorische Wirkung besitzt.[2] So prüft auch das BAG das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses weiterhin anhand der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen – unter dem Hinweis, dass § 611a BGB diese Grundsätze widerspiegelt.[3]

[1] Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I, 1. Aufl. 1928, § 8 II, S. 33. Ebenso BAG, Urteil v. 15.3.1978, 5 AZR 819/76, AP BGB § 611 Arbeitsvertrag Nr. 26; BAG, Urteil v. 24.3.1992, 9 AZR 76/91, DB 1992, 2352. Etwas anders damals Kaskel, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 1957, S. 30: "Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines Vertrages unselbstständig und für Rechnung eines anderen berufsmäßig Lohnarbeit verrichtet".
[2] Vgl. Thüsing, P&R 2017, S. 3 f.; Preis, NZA 2018, 817.

4.1 Privatrechtlicher Vertrag

 

Rz. 12

Erste Voraussetzung der Arbeitnehmereigenschaft ist – ausweislich der Regelung des § 611a BGB – nach wie vor, dass die Verpflichtung zur Arbeitsleistung durch einen privatrechtlichen Vertrag begründet wird. Es ist für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft jedoch nicht entscheidend, ob der Arbeitsvertrag fehlerhaft zustande gekommen ist und daher nichtig ist oder angefochten wird.

Nicht zu den Arbeitnehmern gehören damit die Beamten, Richter und Soldaten, deren Grundlage ein öffentlich-rechtliches Sonderstatusverhältnis ist.[1] Mit der Ernennung zum Beamten erlischt ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn (s. z. B. § 10 Abs. 3 BBG), es lebt auch im Falle der Rücknahme der Ernennung nicht wieder auf.[2] Auf der gleichen Linie liegt es, dass das BAG es abgelehnt hat, ein nichtiges Beamtenverhältnis nach § 140 BGB in ein Arbeitsverhältnis umzudeuten.[3] Für die Beamtenstellung ist aber eine entsprechende Ernennung auch erforderlich; ein Angestellter bleibt auch dann Arbeitnehmer, wenn er auf Lebenszeit eingestellt und Beamten im Wesentlichen gleichgestellt ist.[4]

Ebenso wie früher die Zivildienstleistenden sind auch die im Bundesfreiwilligendienst Tätigen keine Arbeitnehmer. Nach § 13 Bundesfreiwilligendienstgesetz sind jedoch Vorschriften des Arbeitsschutzes, des Jugendarbeitsschutzgesetzes und das Bundesurlaubsgesetz entsprechend anzuwenden.[5] Zudem haften sie nach § 9 Abs. 2 BFDG für bei Ausübung ihrer Tätigkeit verursachte Schäden nur wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für Rechtsstreitigkeiten sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig.[6]

Eine solche Regelung gibt es auch für Tätigkeiten im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres und vergleichbarer Jugendfreiwilligendienste (vgl. § 13 Jugendfreiwilligendienstegesetz[7]).

Ebenfalls keine Arbeitnehmer sind Strafgefangene[8], Fürsorgezöglinge und in Sicherungsverwahrung Genommene. Gehen Strafgefangene als Freigänger jedoch einem Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Anstalt nach, kann dies auch ein Arbeitsverhältnis sein.[9]

Asylbewerber, die Tätigkeiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz ausüben, sind keine Arbeitnehmer. Auf e...

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