Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit des KSchG

 

Leitsatz (amtlich)

  • Der Erste Abschnitt des KSchG findet gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nur Anwendung, wenn im Betrieb zum Kündigungszeitpunkt entweder mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind oder mehr als fünf (Alt-) Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt waren.
  • Bei der Berechnung des abgesenkten Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG zählen nur die (Alt-)Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt waren. Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene (Alt-)Arbeitnehmer werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt.
 

Orientierungssatz

  • Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung erstmalig am 1. Januar 2004 oder später aufgenommen haben, können sich auf die Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nur dann berufen, wenn im Beschäftigungsbetrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind.
  • Für Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2003 beschäftigt waren, richtet sich der Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes weiterhin nach dem Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG.
  • Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG sind nur dann erfüllt, wenn dieser Schwellenwert von “Alt-Arbeitnehmern”, dh. solchen, die bereits zum 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt waren, erfüllt sind. Der im Ansatz unbefristete Bestandsschutz gilt nur solange, wie der am 31. Dezember 2003 bestehende “virtuelle Altbetrieb” nicht auf fünf oder weniger “Alt-Arbeitnehmer” absinkt.
 

Normenkette

KSchG § 23 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 01.09.2005; Aktenzeichen 8 Sa 58/05)

ArbG Hamburg (Urteil vom 16.03.2005; Aktenzeichen 3 Ca 559/04)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 1. September 2005 – 8 Sa 58/05 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der 1971 geborene Kläger war seit dem 18. August 2003 bei der O… – nachfolgend: O… – in Frankfurt/Main als Kommissionshändler für den Aktienbereich tätig. Die O… beschäftigte zum 31. Dezember 2003 mehr als fünf Arbeitnehmer in Vollzeit. Im April 2004 übernahm die W… & L… GmbH 75 % der Gesellschaftsanteile der O…. Am selben Tag wurde die O… in einer Gesellschafterversammlung auf den nunmehrigen Namen der Beklagten umfirmiert. Die Ende Juli 2004 abgeschlossene Verlegung des Betriebs der Beklagten nach Hamburg vollzogen neben dem Kläger nur zwei weitere Arbeitnehmer mit. So waren folgende Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2003 bei der O… mit jedenfalls mehr als 30 Stunden pro Woche beschäftigt waren, ausgeschieden:

Name

Austritt

R…

31. Dezember 2003

P…

31. Dezember 2003

L…

31. März 2004

H…

31. März 2004

D…

30. April 2004

V…

30. April 2004

F…

30. April 2004

Fr…

30. Juni 2004

N…

31. Juli 2004

E…

frühestens 31. Dezember 2003, spätestens 30. September 2004.

Mit Schreiben vom 30. November 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Dezember 2004. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs waren neben dem Kläger bei der Beklagten beschäftigt:

Name

Eintritt

Austritt

Beschäftigungsumfang/Woche

K…

1. Januar 2000

40,0 Stunden

Ei…

15. Juni 2003

40,0 Stunden

Lu…

1. Februar 2004

38,5 Stunden

Re…

1. Mai 2004

40,0 Stunden

Ew…

15. Mai 2004

40,0 Stunden

St…

1. September 2004

10,0 Stunden

M…

1. September 2004

28. Februar 2005

40,0 Stunden

S…

15. September 2004

38,0 Stunden

R…

1. Oktober 2004

20,0 Stunden.

Der Kläger hat sich mit seiner Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung gewandt und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Das Kündigungsschutzgesetz finde auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. Als “Altfall” habe er seinen Kündigungsschutz nach der Neuregelung des § 23 KSchG behalten. Zwar sei die Zahl der “Alt-Arbeitnehmer” durch das Ausscheiden Einzelner auf weniger als fünf abgesunken. Gleichzeitig seien aber Ersatzeinstellungen vorgenommen worden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass die Kündigung vom 30. November 2004 unwirksam ist.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, nach Absinken der Zahl der Arbeitnehmer, die bereits vor dem 1. Januar 2004 bei ihr beschäftigt seien, auf unter fünf hätten alle restlichen “Alt-Arbeitnehmer” ihren Kündigungsschutz verloren. Auf Ersatzeinstellungen komme es nicht an, auch wenn die Struktur des Betriebs ansonsten unverändert bliebe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung – kurz zusammengefasst – damit begründet, dass sowohl nach dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF als auch nach dem systematischen Zusammenhang und Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung alle “Alt-Arbeitnehmer” ihren Kündigungsschutz verlören, wenn durch Ausscheiden einzelner “Alt-Arbeitnehmer” deren Zahl auf unter fünf absinke. Dies gelte auch dann, wenn der ausscheidende Arbeitnehmer durch einen neu eingestellten Arbeitnehmer ersetzt werde. Im Kündigungszeitpunkt habe die Beklagte weniger als fünf “Alt-Arbeitnehmer” beschäftigt, so dass die Kündigung vom 30. November 2004 nicht am Maßstab des § 1 Abs. 2 KSchG zu prüfen gewesen sei.

B. Dem folgt der Senat sowohl im Ergebnis als auch in wesentlichen Teilen der Begründung.

I. Auf die Kündigung vom 30. November 2004 ist das Kündigungsschutzgesetz idF ab 1. Januar 2004 (Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 3002) anzuwenden.

II. Der Kläger genießt keinen Kündigungsschutz nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes. Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung, weil die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt weder mehr als zehn Arbeitnehmer noch mehr als fünf “Alt-Arbeitnehmer” in ihrem Betrieb beschäftigte. Entgegen der Auffassung der Revision reichen Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene “Alt-Arbeitnehmer” nicht aus, um noch zu einer Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu gelangen. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF als auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung.

1. Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG genießen Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel fünf oder weniger beschäftigten Arbeitnehmern nach der Zählweise des § 23 Abs.1 Satz 4 KSchG keinen Kündigungsschutz nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes.

Diese Regelung entspricht der bisherigen Rechtslage. Mit Überschreiten dieses Schwellenwertes findet deshalb grundsätzlich der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung. § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF schränkt diese Rechtsfolge allerdings ein: Nur wenn der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG wegen des Bestehens von “Alt-Arbeitsverhältnissen” überschritten ist, wird der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet.

a) § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF regelt, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis (erst) nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat, nicht unter den Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes mit Ausnahme der §§ 4 – 7 und § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 KSchG fallen, wenn nicht mehr als zehn Arbeitnehmer im Beschäftigungsbetrieb tätig sind. Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung somit erstmalig am 1. Januar 2004 oder später aufgenommen haben, können sich auf die Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nur dann berufen, wenn im Beschäftigungsbetrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Arbeitnehmer, die bereits vor dem 1. Januar 2004 beschäftigt waren, von § 23 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. KSchG nF nicht erfasst sind. Für sie richtet sich der Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes weiterhin nach dem Schwellenwert, wie er sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG ergibt. Damit hat das Gesetz nicht nur einen Bestandsschutz für “Alt-Arbeitnehmer” formuliert, sondern zugleich eine “gespaltene” Anwendung des Kündigungsschutzes geschaffen. Das Kündigungsschutzgesetz gilt für am 31. Dezember 2003 beschäftigte Arbeitnehmer unverändert. Arbeitnehmer, die dagegen erst seit dem 1. Januar 2004 eingestellt wurden, genießen Kündigungsschutz nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes erst dann, wenn mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Dies gilt auch für die Arbeitnehmer, die zwar bereits vor dem 1. Januar 2004 beschäftigt waren, deren Beschäftigungsbetrieb jedoch nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigte (vgl. APS-Moll 2. Aufl. § 23 KSchG Rn. 32a ff.; KR-Weigand 7. Aufl. § 23 KSchG Rn. 33, 33b ff.; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 23 Rn. 17; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 895 a; ders. in DB 2004, 70, 78; Bader/Bram/Dörner/Wenzel-Dörner KSchG Stand: August 2006 § 23 Rn. 24b ff.; Bader NZA 2004, 65, 66 f.; Hanau ZIP 2004, 1169, 1170; Willemsen/Annuß NJW 2004, 177, 184; Tschöpe MDR 2004, 193 f.; Bauer/Krieger DB 2004, 651; Rolfs Sozialer Fortschritt 2006, 34, 36; Quecke RdA 2004, 86, 103 f.; Bauer/Preis/Schunder NZA 2004, 195; Bender/Schmidt NZA 2004, 358 f.).

b) Die “virtuelle Spaltung des Kleinunternehmens” (vgl. zu diesem Begriff Preis in: Bauer/Preis/Schunder NZA 2004, 195) endet allerdings nicht bei der bloßen Berechnung der Schwellenwerte für die bereits zum 31. Dezember 2003 Beschäftigten einerseits und die erst ab dem 1. Januar 2004 Beschäftigten andererseits. Sie setzt sich vielmehr dahingehend fort, dass die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur dann erfüllt sind, wenn dieser Schwellenwert von “Alt-Arbeitnehmern”, dh. solchen, die bereits zum 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt waren, erfüllt wird. Dies ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF.

§ 23 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. KSchG nF befasst sich nach seinem Wortlaut mit Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat. § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF bezieht sich auf “diese Arbeitnehmer” und regelt weiter, dass sie bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen sind. Daraus folgt, dass Arbeitnehmer, die erst seit dem 1. Januar 2004 eingestellt werden, bei der Prüfung, ob der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung findet, erstmalig dann berücksichtigt werden, wenn mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Werden zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt, sind die erst ab dem 1. Januar 2004 eingestellten Arbeitnehmer dagegen nicht zu berücksichtigen. Weder erhalten sie den Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes für “Alt-Arbeitnehmer” noch eröffnen sie ihn für neu eingestellte Arbeitnehmer. Bei der Prüfung, ob Arbeitnehmern Kündigungsschutz zusteht, die bereits vor dem 1. Januar 2004 beschäftigt waren, werden deshalb solche Arbeitnehmer nicht mitgerechnet, die nicht ebenfalls vor dem 1. Januar 2004 beschäftigt waren. Die besitzstandswahrende Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG verliert also ihre Wirkung, wenn im maßgebenden Zeitpunkt des Kündigungszugangs wegen des Wegfalls berücksichtigungsfähiger “Alt-Arbeitnehmer” der Schwellenwert des Satzes 2 nicht allein durch “Alt-Arbeitnehmer” erreicht wird. Der im Ansatz unbefristete Bestandsschutz gilt nur so lange, wie der am 31. Dezember 2003 bestehende “virtuelle Altbetrieb” nicht auf fünf oder weniger “Alt-Arbeitnehmer” absinkt (APS-Moll 2. Aufl. § 23 KSchG Rn. 32d; KR-Weigand 7. Aufl. § 23 KSchG Rn. 33c; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 23 Rn. 17; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. § 23 Rn. 895 a; ders. in DB 2004, 70, 78; Backmeister/Trittin/Mayer-Backmeister KSchG 3. Aufl. § 23 Rn. 21; Bader NZA 2004, 65, 67; Willemsen/Annuß NJW 2004, 177, 184; Tschöpe MDR 2004, 193, 194; Bauer/Krieger DB 2004, 651; Rolfs Sozialer Fortschritt 2006, 34, 36; Quecke RdA 2004, 86, 104; Bauer/Preis/Schunder NZA 2004, 195; Bender/Schmidt NZA 2004, 358; Insam/Zöll DB 2006, 726 und 1214, 1216 f.; aA für den Fall von Ersatzeinstellungen: Eylert/Schinz AE 2005, 5, 12; Däubler AiB 2004, 7, 8; Kittner/Däubler/Zwanziger-Kittner KSchR 6. Aufl. § 23 KSchG Rn. 27c; Fleischmann DB 2006, 1214, 1215).

2. Auch Sinn und Zweck der Neuregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG nF sprechen dagegen, eine Perpetuierung des Kündigungsschutzes der “Alt-Arbeitnehmer” durch Berücksichtigung von “Ersatzeinstellungen” zu bewirken.

a) Grundsätzlich wird durch die Anhebung des Schwellenwertes in § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF der betriebliche Anwendungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes eingeschränkt. Dem läuft es an sich zuwider, wenn den Arbeitnehmern ein dauerhafter Besitzstand eingeräumt wird, die zum 31. Dezember 2003 bereits beschäftigt waren. Beschäftigungsfördernd wirkt sich die Anhebung des Schwellenwertes zwar grundsätzlich bereits dann aus, wenn neu eingestellte Arbeitnehmer bis zur Schwelle des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF keinen Kündigungsschutz genießen. Wird der neu eingestellte Arbeitnehmer dagegen auch zugleich als Ersatz für einen “Alt-Arbeitnehmer” eingestellt, wird der beschäftigungsfördernde Zweck dadurch gemindert, dass der neue Arbeitnehmer den Besitzstand des “Alt-Arbeitnehmers” wahrt. Beschäftigungsförderung und Besitzstandswahrung geraten so in ein Konfliktfeld (vgl. Quecke RdA 2004, 86, 105), das so vom Gesetzgeber angesichts des klaren Wortlauts nicht angelegt werden sollte.

b) Beschäftigungsfördernd kann § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF zudem nur dann wirken, wenn den Kleinbetrieben und ihren Arbeitgebern eine verständliche Regelung an die Hand gegeben wird. Der Gesetzgeber hat deshalb die Verständlichkeit und Praktikabilität seiner Normen zu bedenken und darf deswegen von Differenzierungen absehen, die diesem Ziel entgegenstehen. Dies betrifft vor allem Regelungen von Massenerscheinungen. Jede gesetzliche Regelung generalisiert. Der Gesetzgeber kann deshalb die Vielfalt der Fälle, die er mit seiner Regelung erfasst, nicht im Vorhinein abschließend erkennen und muss sich deswegen mit Einschätzungen begnügen. Er darf Rechtsfolgen an ein typisches Erscheinungsbild des Regelungsgegenstands knüpfen und dabei in Kauf nehmen, dass er nicht jeder Besonderheit gerecht wird. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Sachgesetzlichkeiten und die damit begründeten Randunschärfen normativer Regelungen in ständiger Rechtsprechung anerkannt (st. Rspr. vgl. 28. Juni 1960 – 2 BvL 19/59 – BVerfGE 11, 245, 254; 8. Juni 1993 – 1 BvL 20/85 – BVerfGE 89, 15, 24; 27. Januar 1998 – 1 BvL 22/93 – BVerfGE 97, 186).

Würden Ersatzeinstellungen beim Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG berücksichtigt, würde die Handhabung der Übergangsregelung angesichts des ohnehin schon nicht auf den ersten Blick eingängigen Wortlauts erheblich erschwert. Bei jeder Wiederbesetzung eines Arbeitsplatzes wäre zu fragen, ob es sich um eine “Ersatzeinstellung”, dh. konkret um den Arbeitsplatz des ausgeschiedenen “Alt-Arbeitnehmers” handelt. Problematisch wären dann bereits organisatorische Änderungen des Arbeitsplatzes und zeitliche Veränderungen und Unterbrechungen. Die Schwierigkeiten würden sich verstärken, wenn ein “Alt-Arbeitnehmer” sowie ein erst im Jahr 2004 Eingestellter mit identischem Aufgabenbereich den Betrieb zeitgleich verlassen und nur ein neuer Arbeitnehmer eingestellt wird und man prüfen müsste, auf welchen Arbeitsplatz dieser anzurechnen ist.

c) Dem kann schließlich nicht entgegengehalten werden, der Arbeitgeber könne durch einen bewussten Austausch von “Alt-Arbeitnehmern” den (Alt-) Arbeitnehmern den gesetzlichen Kündigungsschutz entziehen. Einem missbräuchlichen Verhalten des Arbeitgebers kann durch Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB begegnet werden: Austauschkündigungen, die nur dem Ziel der “Verjüngung” der Belegschaft dienen, indem sie den Kündigungsschutz von “Alt-Arbeitnehmern” abbauen, können dann unbeachtlich sein. Da dem Arbeitnehmer der Nachweis derart sachfremder Motive naturgemäß nur schwer gelingen kann, wird hierauf im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast Bedacht zu nehmen sein (vgl. hierzu BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169, zu B I 3b cc der Gründe; nachfolgend Senat 6. Februar 2003 – 2 AZR 672/01 – BAGE 104, 308). Durch eine vernünftige Anwendung der Grundsätze zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast, wie sie der Senat insbesondere zu Kündigungen außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes formuliert hat, wird sicherzustellen sein, solche Umgehungssachverhalte sachgerecht zu erfassen (vgl. hierzu BAG 6. Februar 2003 – 2 AZR 672/01 – aaO; 25. April 2001 – 5 AZR 360/99 – AP BGB § 242 Kündigung Nr. 14 = EzA BGB § 242 Kündigung Nr. 4; 21. Februar 2001 – 2 AZR 15/00 – BAGE 97, 92).

3. Auch die Gesetzesgeschichte spricht nicht gegen das sich aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 KSchG nF ergebende Ergebnis. Ein möglicher Wille des Gesetzgebers für eine umfassendere Besitzstandswahrung zu Gunsten der “Alt-Arbeitnehmer” hat sich in der Regelung nicht ausreichend niedergeschlagen.

a) Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach dem Wortlaut und Sinnzusammenhang ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf diesem Weg allein nicht ausgeräumt werden können (BVerfG 21. Mai 1952 – 2 BvH 2/52 – BVerfGE 1, 299, 312; Palandt-Heinrichs BGB 65. Aufl. Einl. Rn. 40 ff.). Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation nur insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Gesetzestext Niederschlag gefunden hat. Nicht entscheidend ist deshalb die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Die Materialien dürfen deshalb nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen (st. Rspr. vgl. nur BVerfG 16. Februar 1983 – 2 BvE 1-4/83 – BVerfGE 62, 3, 45).

b) Die Gesetzesgeschichte ist für die Auslegung im Entscheidungsfall wenig ergiebig. Die Ausgestaltung der Besitzstandswahrungsregelung unterlag einer wechselhaften Gesetzgebungsgeschichte. Der Gesetzgeber hat bereits zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens, das letztendlich im Arbeitsmarkt-Reformgesetz vom 24. Dezember 2003 mündete, die “Schwellenproblematik” in § 23 KSchG als besonderes Hindernis für Neueinstellungen angesehen. Im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 24. Juni 2003 (BT-Drucks. 15/1204 S. 1) wurde ausgeführt, dass gerade in Kleinbetrieben ein hohes Beschäftigungspotential bestehe, das durch Entschärfung der “Schwellenproblematik” im Kündigungsschutzgesetz wirksam erschlossen werden könnte. Deshalb sollten neu eingestellte Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag auf den Schwellenwert nicht angerechnet werden. Nach Art. 1 Nr. 7 Buchst. b des entsprechenden Gesetzentwurfes sollte nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nachfolgender Satz eingefügt werden (BT-Drucks. 15/1204 S. 6):

“Bis zum 31. Dezember 2008 sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag nicht zu berücksichtigen, wenn das Arbeitsverhältnis nach dem … [einsetzen: Tag vor Inkrafttreten dieses Gesetzes] begonnen hat.”

In der Begründung wird unter B. Besonderer Teil zu Art. 1 Nr. 7 Buchst. b (BT-Drucks. 15/1204 S. 14) weiter ausgeführt:

“Für die Berücksichtigung der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits im Betrieb befristet beschäftigten Arbeitnehmer gilt die frühere Rechtslage, so dass durch die Gesetzesänderung kein Arbeitnehmer seinen Kündigungsschutz verliert.”

Der Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU (BT-Drucks. 15/1182) sah vor, den Schwellenwert des § 23 KSchG zu erhöhen. Das Kündigungsschutzgesetz sollte danach nur für Neueinstellungen nicht gelten (BT-Drucks. 15/1182 S. 2). In Art. 3 Nr. 5 Buchst. b des Gesetzentwurfs war wie folgt formuliert (BT-Drucks. 15/1182 S. 7):

“Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 wird folgender Satz 3 eingefügt:

“Die Vorschriften des ersten Abschnitts gelten nicht für neu eingestellte Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel 20 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt sind.”

In der Begründung zu dieser Neuregelung führt der Gesetzentwurf aus (BT-Drucks. 15/1182 S. 15):

“Es wird klargestellt, dass das Kündigungsschutzgesetz für neu eingestellte Arbeitnehmer keine Anwendung findet in Betrieben mit in der Regel weniger als 20 Arbeitnehmern. Bestehende Arbeitsverhältnisse bleiben von dieser Regelung unberührt.”

Der Gesetzesantrag des Freistaates Bayern zum Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung von Kleinunternehmen vom 24. September 2003 sah vor, neben der Erhöhung des Schwellenwertes auf in der Regel 20 Arbeitnehmer in § 23 KSchG einen Satz 4 einzufügen, der folgenden Wortlaut haben sollte (BR-Drucks. 701/03 S. 4, 12 und 19):

“Satz 2 berührt bis zum 31.12.2006 nicht die Rechtsstellung der Arbeitnehmer, die am 31.12.2003 gegenüber ihrem Arbeitgeber Rechte aus der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des Satzes 2 in Verbindung mit dem ersten Abschnitt dieses Gesetzes hätten herleiten können.”

In dem “Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsrechts” des Bundesrats vom 26. September 2003 (BR-Drucks. 464/03 [Beschluss]) war folgende Formulierung vorgeschlagen worden (BR-Drucks. 464/03 [Beschluss] S. 10):

“Die Vorschriften des ersten Abschnitts gelten nicht für neu eingestellte Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel 20 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt sind.”

In der Begründung zum Gesetzesentwurf (BR-Drucks. 464/03 [Beschluss] S. 36) ist ausgeführt:

“Bestehende Arbeitsverhältnisse bleiben von dieser Regelung unberührt.”

Nach Anrufung des Vermittlungsausschusses (vgl. BT-Drucks. 15/1792 vom 22. Oktober 2003) enthält dessen Beschlussempfehlung vom 16. Dezember 2003 (BTDrucks. 15/2245 S. 2) als Änderung zu dem vom Deutschen Bundestag am 26. September 2003 beschlossenen Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt zu Art. 1 Nr. 7 Buchst. b folgende Formulierung, die dann in das Gesetz Eingang fand:

“Nach Satz 2 wird folgender Satz eingefügt:

In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel 10 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 – 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem … [einsetzen: Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes] begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel 10 Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen.”

Eine schriftliche Begründung hierzu liegt nicht vor.

c) Aus den Ausführungen zu b) ergibt sich verlässlich nur, dass eine gesetzliche Besitzstandsregelung geschaffen werden sollte. Darüber hinaus lassen sich der Gesetzgebungsgeschichte keine Anhaltspunkte für einen im Gesetzeswortlaut objektivierten Willen des Gesetzgebers entnehmen, der über die Wortlautauslegung hinausreicht. Soweit der Gesetzgeber zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens eine weitergehende Besitzstandswahrung im Sinn gehabt haben mag, findet sich dieser Aspekt weder in den abschließenden Beratungen noch letztendlich im Wortlaut der verabschiedeten Regelung wieder. Die Beschränkung des § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF auf Fälle, in denen keine Ersatzeinstellung erfolgt, lässt sich deshalb auch unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsgeschichte nicht rechtfertigen.

4. Schließlich bestehen auch weder verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Erhöhung des Schwellenwertes auf 10 Arbeitnehmer (die Verfassungsmäßigkeit bejahend: HaKo-Pfeiffer 2. Aufl. § 23 Rn. 19; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 23 Rn. 2; Löwisch BB 2004, 154, 161; Bader NZA 2004, 65, 66; kritisch: KR-Weigand 7. Aufl. § 23 KSchG Rn. 14 ff.) noch hinsichtlich der besitzstandswahrenden Übergangsregelung (bejahend: Eylert/Schinz AE 2005, 5, 12; Hanau ZiP 2004, 1169, 1171; Quecke RdA 2004, 86, 105; aA Fleischmann DB 2006, 1214, 1215).

a) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht erkennbar. Durch die Kleinbetriebsklausel werden die davon betroffenen Arbeitnehmer zwar gegenüber anderen, die in größeren Betrieben arbeiten, benachteiligt. Die Benachteiligung ist jedoch durch die besondere Interessenlage der Arbeitgeber von kleineren Betrieben gerechtfertigt (vgl. hierzu BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169). Dies gilt auch – noch – für die vorliegend vom Gesetzgeber gewählte Betriebsgröße (so auch im Ergebnis BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 22/93 – BVerfGE 97, 186). Denn der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist jedenfalls bei mehr als 20 Arbeitnehmern eröffnet, die bis zu 20 Stunden in der Woche arbeiten.

b) Die Neuregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG aF genügt auch dem verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Vertrauensschutz.

aa) Gesetzliche Regelungen müssen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) beachten. Dieses umfasst den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gebot des Vertrauensschutzes. Der verfassungsrechtlich verbürgte Vertrauensschutz gebietet es aber nicht, die von einer bestimmten Rechtslage Begünstigten vor jeglicher Enttäuschung ihrer Hoffnungen und Erwartungen auf die Dauerhaftigkeit einer bestehenden Rechtslage zu schützen (BVerfG 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256; BAG 22. Februar 2000 – 3 AZR 39/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3; vgl. zu Änderungen tarifvertraglicher Regelungen über die ordentliche Unkündbarkeit: Senat 2. Februar 2006 – 2 AZR 58/05 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gewerkschaften Nr. 7 = EzA TVG § 1 Rückwirkung Nr. 7).

bb) Dabei ist unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine unechte Gesetzesrückwirkung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich zulässig (BVerfG 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44, 48/92 – BVerfGE 95, 64, 86 ff.). In solchen Fällen ist das Vertrauen des Normadressaten in den Fortbestand der gesetzlichen Regelung gegen die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen (BVerfG 5. Februar 2002 – 2 BvR 305, 348//93 – BVerfGE 105, 17, 40). Diese Abwägung ergibt, dass das durch Auslegung ermittelte Ergebnis mit Verfassungsrecht im Einklang steht.

Der Gesetzgeber sieht gerade in Kleinbetrieben ein hohes Beschäftigungspotential, das durch Entschärfung der “Schwellenproblematik” im Kündigungsschutzgesetz wirksam erschlossen werden könnte (so bereits BT-Drucks. 15/1204 S. 1; ebenso BT-Drucks. 15/1509 S. 1). Die Einschätzung der maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in der politischen Verantwortung des Gesetzgebers, ebenso die Vorausschau auf die künftige Entwicklung und die Wirkungen seiner Regelung (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169). Zum Abbau des vom Gesetzgeber angeführten Anstieges der Arbeitslosigkeit ist das beabsichtigte Ausschöpfen von Beschäftigungsquellen in Kleinbetrieben durch Anheben des Schwellenwerts geeignet und erforderlich.

Die Erstreckung des höheren Schwellenwerts des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf den Kläger ist auch angemessen. Das Interesse des Klägers an der Beibehaltung des Kündigungsschutzes unabhängig von der Zahl der beschäftigten “Alt-Arbeitnehmer” wiegt demgegenüber geringer. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kündigungsschutz grundsätzlich unbefristet auf der Grundlage des niedrigeren Schwellenwerts gewahrt bleibt. Lediglich bei Absinken der am 31. Dezember 2003 bestehenden Arbeitnehmer auf fünf oder weniger verliert der “Alt-Arbeitnehmer” den Kündigungsschutz. Auch der Kläger behauptet nicht, dass der so geregelte Vertrauensschutz regelmäßig in Bälde aufgebraucht sein wird. Vielmehr stellt die vom Gesetzgeber gewählte Übergangsregelung eine vermittelnde Lösung dar: Sollen nur “Alt-Arbeitnehmer” Kündigungsschutz nach dem Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG behalten, sollen auch nur die Arbeitnehmer, die diesen ebenfalls genießen, zählen.

Hinzu kommt, dass bereits § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) als Schwellenwert eine Beschäftigung von mehr als zehn Arbeitnehmern vorsah. Die damalige Anrechnungsvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sah sogar eine Berücksichtigung von Arbeitnehmern, die nicht mehr als zehn Stunden wöchentlich arbeiteten, mit lediglich 0,25 vor. Der Schwellenwert lag damit also noch höher als nunmehr. Auch wenn der damalige Schwellenwert mit dem am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3843) wiederum auf fünf gesenkt wurde, konnten die Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, dass es hierbei angesichts der beschäftigungspolitischen Situation auf dem Arbeitsmarkt bleiben würde.

III. Da zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Kläger zwar die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt hatte, die Beklagte jedoch nicht mehr als fünf “Alt-Arbeitnehmer” (§ 23 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF) beschäftigte, fand das Kündigungsschutzgesetz auf die streitgegenständliche Kündigung keine Anwendung.

1. Für die Feststellung der Zahl der in der Regel Beschäftigten kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, nicht hingegen auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an (vgl. zuletzt Senat 24. Februar 2005 – 2 AZR 373/03 – AP KSchG 1969 § 23 Nr. 34 = EzA KSchG § 23 Nr. 28).

Zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers am 30. November 2004 waren neben dem Kläger nur noch Herr K… und Herr Ei… beschäftigt, die auch schon am 31. Dezember 2003 bei der Beklagten tätig waren. Die daneben tätigen Arbeitnehmer Lu…, Re…, Ew…, S…, S… und M… traten allesamt nach dem 31. Dezember 2003 in den Betrieb ein.

2. Die Beklagte beschäftigte auch unter Berücksichtigung der seit 1. Januar 2004 neu eingetretenen Arbeitnehmer nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Dies hat das Landesarbeitsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei erkannt.

a) Nach der Zählweise des § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG sind die Arbeitnehmer Ei…, K…, Lu…, Re…, Ew…, S… und M… auf Grund ihrer Wochenarbeitszeit von mehr als 30 Stunden/Woche jeweils mit dem Zähler eins zu berücksichtigen. Mit einem Zähler von 0,5 sind die Mitarbeiter St und Ri zu berücksichtigen, da sie nicht mehr als 20 Stunden in der Woche arbeiteten. Hinzuzurechnen ist der Kläger, auch wenn mit der Beklagten davon ausgegangen wird, dass sein Arbeitsplatz dauerhaft entfällt (vgl. Senat 22. Januar 2004 – 2 AZR 237/03 – BAGE 109, 215). Damit werden zum Kündigungszeitpunkt insgesamt neun Arbeitnehmer beschäftigt. Selbst wenn der vom Kläger außerdem angeführte Herr O… – der erst Anfang des Jahres 2005 eingestellt wurde – mit dem Zähler eins zu berücksichtigen wäre, wäre der Schwellenwert von mehr als zehn Arbeitnehmern noch immer nicht erreicht.

b) Die Arbeitnehmer Fr…, N…, L…, D…, V…, F…, H… sowie E… können bei der Berechnung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer nicht berücksichtigt werden. Sie waren bereits zum 31. Dezember 2003, spätestens jedoch zum 30. September 2004 aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschieden.

c) Ein Rückblick zeigt zudem, dass jedenfalls seit April 2004 der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. KSchG nF nicht überschritten wurde, sondern die Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer kontinuierlich unter zehn lag. Dabei kann unberücksichtigt bleiben, bis wann zwischen den Mitarbeitern der Betriebe in Frankfurt und Hamburg zu unterscheiden war, weil es sich bis zur Verlegung des Betriebs in Frankfurt nach Hamburg nicht nur um zwei Betriebe, sondern auch um zwei Unternehmen handelte. Auch der Kläger hat nicht behauptet, dass in Zukunft mit Neueinstellungen, die zu einer Erhöhung des Personalstandes führen, zu rechnen sei.

IV. Dass die Kündigung vom 30. September 2004 wegen § 242 BGB unwirksam wäre, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

 

Unterschriften

Rost, Schmitz-Scholemann, Eylert, Beckerle, Baerbaum

 

Fundstellen

Haufe-Index 1711887

BAGE 2008, 343

BB 2007, 831

DB 2007, 691

DStR 2006, 2319

NWB 2006, 3356

NWB 2007, 4296

EBE/BAG 2007

EWiR 2007, 345

FA 2006, 380

FA 2007, 153

FA 2007, 223

JR 2007, 396

NZA 2007, 438

StuB 2007, 122

ZIP 2007, 740

AP, 0

AuA 2006, 677

AuA 2008, 118

EzA-SD 2006, 4

EzA-SD 2007, 4

EzA

MDR 2007, 727

PERSONAL 2006, 54

AUR 2006, 364

AUR 2007, 224

ArbRB 2006, 289

ArbRB 2007, 133

PflR 2007, 47

AB 2007, 2

LL 2007, 457

PuR 2007, 22

SPA 2006, 7

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