BAG-Urteil: Streit um Kündigung eines Geschäftsführers

Ist ein Geschäftsführer aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt, geht das Arbeitsverhältnis bei einem Betriebsübergang auf den neuen Arbeitgeber über - nicht aber die Organstellung. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung deutlich gemacht und den Kündigungsrechtsstreit eines GmbH-Geschäftsführers an die Vorinstanz zurück verwiesen.

Bei einem Betriebsübergang muss der neue Arbeitgeber die alten Arbeitsverhältnisse weiterführen. Gemäß § 613 a BGB tritt der neue Inhaber in alle Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Dieser Schutz gilt für alle Arbeitnehmenden, doch gilt er auch für den Geschäftsführer?

Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung befasst und klargestellt, dass zu differenzieren ist, ob der rechtlichen Beziehung zwischen Organ und Gesellschaft ein Arbeitsverhältnis oder ein Dienstverhältnis zugrunde liegt. Im ersten Fall ist der Geschäftsführer bei einem Betriebsübergang vor einer Kündigung geschützt - die Organstellung geht jedoch nicht mit über.

Der Fall: Streit um Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers 

Im konkreten Fall war ein Arbeitnehmer seit September 2000 bei einer GmbH als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Im Dezember 2013 wurde er zu deren Geschäftsführer bestellt. Ein Geschäftsführerdienstvertrag wurde weder schriftlich noch mündlich geschlossen. Im Dezember 2017 vereinbarte er mit einer "Änderung zum Arbeitsvertrag" mit der alleinigen Gesellschafterin der GmbH neue Arbeitszeitregelungen. Zudem einigten sich beide darauf, dass alle anderen Bestandteile des Vertrags bestehen bleiben.

Als im Oktober 2019 das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet wurde, wurde der Geschäftsbetrieb des Logistikdienstleisters von einer Tochtergesellschaft der Unternehmensgruppe weitergeführt, die  die wesentlichen Betriebsmittel übernahm. Der Insolvenzverwalter kündigte dem Geschäftsführer betriebsbedingt. Dieser legte einen Tag später sein Geschäftsführeramt nieder.

Übergang des Arbeitsverhältnisses eines Geschäftsführers?

Vor Gericht wehrte er sich gegen seine Kündigung. Diese sei sozial ungerechtfertigt. Dass das Kündigungsschutzgesetz nicht für leitende Angestellte gemäß § 14 Abs. 1, Nr. 1 KSchG - also nicht für Geschäftsführer - gelte, stehe dem nicht entgegen, weil er das Amt des Geschäftsführers niedergelegt habe. Zudem sei sein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf den neuen Inhaber übergegangen. Von daher dürfe dieser ihn gemäß 613a Abs. 4 BGB nicht kündigen.

BAG: Kein Kündigungsschutz nach Kündigungsschutzgesetz

Das LAG Hamm wies die Klage des einstigen Geschäftsführers auf Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses ab. Das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Das stellte zunächst fest, dass der ehemalige Geschäftsführer bei Zugang der Kündigung noch Geschäftsführer war, also seine Organstellung noch inne hatte. Damit sei der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG noch eröffnet, wie das Landesarbeitsgericht Hamm rechtsfehlerfrei erkannt habe. Der Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen gilt nach § 1 Abs. 1 KSchG nur für Arbeitnehmende. Die Kündigung habe daher keine soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG gebraucht. Dass der Geschäftsführer später sein Amt niederlegte, habe keine rechtliche Auswirkung, so das BAG.

Unterscheidung zwischen Angestelltenverhältnis und Organstellung

Jedoch hielt die Auffassung des LAG Hamm, dass § 613a BGB auf den ehemaligen Geschäftsführer keine Anwendung findet, der Überprüfung des BAG nicht stand. In der Begründung führte es aus, dass hinsichtlich der Rechtsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern strikt zwischen der Bestellung zum Organ der Gesellschaft und dem zugrunde liegenden schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis – vorliegend dem Arbeitsverhältnis – zu unterscheiden sei.

Kündigungsschutz aufgrund Betriebsübergang

Hier stellte das BAG fest, dass das der Organstellung zugrundeliegende Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis war, welches möglicherweise im Wege eines Betriebsübergangs übergegangen sei. Grundlage der Tätigkeit des einstigen Geschäftsführers sei der Arbeitsvertrag. Auch wenn GmbH-Geschäftsführer regelmäßig auf der Grundlage eines Dienstvertrags tätig würden, hätten die Parteien vorliegend keinen solchen zusätzlich geschlossen. Damit gelte das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB auch für den ehemaligen Geschäftsführer, stellte das oberste Arbeitsgericht fest.

Nach dieser Vorschrift ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils unwirksam. Die Voraussetzungen für eine entgegenstehende teleologische Reduktion des § 613a Abs. 4 BGB, die das LAG Hamm angenommen hatte, lagen nach Ansicht des BAG nicht vor.

Betriebsübergang: Arbeitnehmer ja, Geschäftsführer nein

Ob das Arbeitsverhältnis aber fortbestehe, sei abhängig davon, ob tatsächlich ein Betriebsübergang erfolgt sei. Dies konnte das BAG aufgrund mangelnder Feststellungen nicht entscheiden, weshalb es an das LAG Hamm zur Überprüfung zurückverwies.

Die Erfurter Richter machten zudem deutlich, dass der einstige Geschäftsführer bei einem Betriebsübergang aufgrund des Übergangs seines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch habe, weiterbeschäftigt zu werden, jedoch nicht darauf, als Geschäftsführer tätig zu werden. Da nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nur Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis übergehen, die Organstellung selbst aber ihren Rechtsgrund gerade nicht im zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis hat, gehe sie im Fall des Betriebsübergangs nicht mit über.

Hinweis: BAG, Urteil vom 20. Juli 2023, Az: 6 AZR 228/2, Vorinstanz: LAG Hamm, Urteil vom 25. März 2022, Az: 16 Sa 522/21 


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