Kolumne: Wachstumschancengesetz ist keine Glanzleistung

Ein großer Wurf sollte es werden: das Wachstumschancengesetz. Der Bundesrat verweigerte jedoch seine Zustimmung und rief den Vermittlungsausschuss an. Nach dessen Verhandlung ist nicht mehr viel vom Gesetz übrig geblieben. Darüber, was weiterhin geplant ist oder nun doch gestrichen werden soll, klärt unsere Kolumnistin Christiane Droste-Klempp auf.

Wachstumschancen, Investitionen sowie Innovationen sollten gestärkt, Steuervereinfachung und Steuerfairness ausgebaut werden. Der für alle Unternehmen anstehende enorme Transformationsprozess sollte umfassend unterstützt werden. So hatte der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung vom 17. November 2023 das Gesetz in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses beschlossen.

Am 24. November 2023 hatte der Bundesrat vorerst seine Zustimmung verweigert und den sogenannten Vermittlungsausschuss angerufen, der nun am 21. Februar 2024 zu folgendem Ergebnis kam: Ohne Zustimmung der Union, jedoch mit der Mehrheit der Ampel, hat der Vermittlungsausschuss das Verhandlungsergebnis zum ordentlich abgespeckten Wachstumspaket angenommen.

Wachstumspaket in deutlich abgespeckter Form

Was jedoch vom Wachstumschancengesetz übrig blieb, ist nicht gerade oscarverdächtig. Mit einer Frühlingsdiät wurde ordentlich abgespeckt - das "WC-Gesetz" zeigt sich nun als eine Light-Variante. Von den ursprünglich geplanten Sieben-Milliarden-Euro-Entlastungen sind schlicht 3,2 Milliarden Euro geblieben und der eigentliche Kern des Gesetzes, die "Klimaschutz-Investitionsprämie", wurde ganz gekippt. Somit wird die aktuelle Version die Unternehmen in der derzeitigen Konjunkturflaute deutlich weniger entlasten und wohl auch nicht zu umfassenden Investitionen in den Klimaschutz führen.

Was bedeutet dies nun konkret für die Entgeltabrechnung? Welche von den zahlreichen attraktiven Änderungen werden vielleicht kommen? – Vielleicht? Ja, denn erst am 22. März 2024 kommt es zu einer erneuten Abstimmung, sozusagen zum Showdown.

Wir erinnern uns: Die Länder müssen dem Gesetz zustimmen, damit es in Kraft treten kann. Zweifelsfrei steigt hierbei der Druck auf die Union. So meldete sich direkt am 21. Februar der Verband der Chemischen Industrie mit folgenden Worten: "Mit dem Wachstumschancengesetz hätten Bund und Länder nach 15 Jahren steuerpolitischer Rückschritte endlich einen ersten richtigen Schritt nach vorne gemacht, um den Reformstau in Deutschland zu lösen. Diese Chance wurde vertan."

Wachstumschancengesetz: Folgen für die Entgeltabrechnung

Wir wollen uns nun einen Überblick verschaffen, was - bedeutsam für die Entgeltabrechnung – kommen soll und was nicht:

Geplant

Gestrichen

Geschenke, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmende des Steuerpflichtigen sind, dürfen den Gewinn bisher nicht mindern, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen. Dieser Betrag wird auf 50 Euro angehoben.
Gilt erstmals für Wirtschaftsjahre mit Beginn nach dem 31. Dezember 2023.

Keine Anhebung der Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a EStG
Die vom Arbeitgeber steuerfrei erstattbaren oder alternativ als Werbungskosten abzugsfähigen inländischen Verpflegungspauschalen sollten ab 2024 angehoben werden. Darauf wird nun verzichtet. Es gelten also weiterhin die bekannten Pauschalen von 14 bzw. 28 Euro im Inland.

Sonderregelung der privaten Nutzung von Elektrofahrzeugen, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3, 5 EStG
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 EStG (1%-Regelung) ist bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs, das keine CO2-Emissionen hat (reine Elektrofahrzeuge, inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge), nur ein Viertel der Bemessungsgrundlage (Bruttolistenpreis) und nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG (Fahrtenbuchregelung) nur ein Viertel der Anschaffungskosten oder vergleichbarer Aufwendungen anzusetzen. Dies gilt bislang jedoch nur, wenn der Bruttolistenpreis des Kraftfahrzeugs nicht mehr als 60.000 Euro beträgt. Der bestehende Höchstbetrag von 60.000 Euro soll auf 70.000 Euro angehoben werden. Dies gilt entsprechend bei der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmende (§ 8 Abs. 2 Satz 2, 3 und 5 EStG).
Die alternative Reichweitengrenze von 80 km bei Hybridfahrzeugen soll nach dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses nicht gestrichen werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 5 und Satz 3 Nr. 5 EStG).
Gilt für Elektro-Pkw, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft werden.

Keine Anhebung des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG
Soweit Zuwendungen des Arbeitsgebers an  Arbeitnehmende und deren Begleitpersonen anlässlich von Betriebsveranstaltungen den unveränderten Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und Teilnehmenden nicht übersteigen, bleiben sie lohnsteuerunbelastet. Auf die geplante Anhebung des Freibetrags auf 150 Euro  wird verzichtet.
 

Pauschbetrag für Berufskraftfahrer, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 EStG
Der Pauschbetrag für Berufskraftfahrer, die im Fahrzeug übernachten, wird von 8 Euro auf 9 Euro angehoben.
Gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2024.

Versorgungsfreibetrag, § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG 
Nach § 19 Abs. 2 EStG bleibt von Versorgungsbezügen ein nach einem Prozentsatz ermittelter und auf einen Höchstbetrag begrenzter Versorgungsfreibetrag sowie ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag (Freibeträge für Versorgungsbezüge) steuerfrei. Beginnend mit dem Jahr 2023 wird der anzuwendende Prozentwert zur Bemessung des Versorgungsfreibetrages nicht mehr in jährlichen Schritten von 0,8 Prozentpunkten, sondern nur noch in jährlichen Schritten von 0,4 Prozentpunkten verringert. Der Höchstbetrag sinkt ab dem Jahr 2023 um jährlich 30 Euro und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag um jährlich 9 Euro.
Gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2023.

Altersentlastungsbetrag, § 24a Satz 5 EStG
Der verlangsamte Anstieg des Besteuerungsanteils wird im Bereich des Altersentlastungsbetrags nachvollzogen. Mit der Anpassung wird ab dem Jahr 2023 der anzuwendende Prozentsatz nicht mehr in jährlichen Schritten von 0,8 Prozentpunkten, sondern um 0,4 Prozentpunkte verringert. Der Höchstbetrag sinkt beginnend mit dem Jahr 2023 um jährlich 19 Euro anstatt bisher 38 Euro.
Gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2023.

Fünftelregelung bei der Lohnsteuer, § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG
Derzeit kann die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG für bestimmte Arbeitslöhne (Entschädigungen, Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten) bereits bei der Berechnung der Lohnsteuer berücksichtigt werden. Da dieses Verfahren für Arbeitgeber kompliziert ist, wird es gestrichen. Die Tarifermäßigung können Arbeitnehmer weiterhin im Veranlagungsverfahren geltend machen.
Gilt erstmals für den Lohnsteuerabzug 2025.

Beiträge für eine Gruppenunfallversicherung, § 40b Abs. 3 EStG
Arbeitgeber können die Beiträge für eine Gruppenunfallversicherung mit einem Pauschsteuersatz von 20 Prozent erheben, wenn der steuerliche Durchschnittsbetrag ohne Versicherungssteuer 100 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt. Dieser Grenzbetrag wird aufgehoben.
Gilt erstmals für den Lohnsteuerabzug 2024.

Steuerbefreiung für Qualifizierungsgeld nach § 3 Nr. 2 EStG
Für die berufliche Weiterbildung wird ab dem 1. April 2024 das sogenannte Qualifizierungsgeld eingeführt (§ 82a SGB III). Damit sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmende unterstützt werden, wenn der Verlust von Arbeitsplätzen durch den Strukturwandel droht, die Unternehmen ihre Mitarbeitenden aber durch die richtige Weiterbildung weiterbeschäftigen können. Entsprechend dem Kurzarbeitergeld soll das von der Agentur für Arbeit gewährte Qualifizierungsgeld steuerfrei sein (§ 3 Nr. 2 Buchst. a EStG), jedoch dem Progressionsvorbehalt unterliegen (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG). Die Weiterbildungskosten, die beim Qualifizierungsgeld vom Arbeitgeber zu tragen sind, sollen ebenfalls steuerfrei gestellt werden (§ 3 Nr. 19 Satz 1 Buchst. a EStG).

Freuen wir uns also gemeinsam auf den Showdown am 22. März 2024 im Bundesrat und hoffen, dass auf die Frühlingsdiät nicht noch eine Sommerdiät folgt.


Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.