Arbeitnehmerüberlassung – Eindeutige Regeln gefordert


Koalitionsvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung

Der Koalitionsvertrag gibt zu Mindestlohn, Leiharbeit und Teilzeit die Richtung vor. Die Auswirkungen hat der Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU) unter die Lupe genommen. Holger M. Frieges, Präsidiumsmitglied des BVAU, nennt Folgen bei der Leiharbeit für die Praxis.

Die letzten Monate standen die Arbeitsteilung mittels Werkvertrag und die Flexibilisierung per Arbeitnehmerüberlassung in öffentlicher Diskussion. Die voraussichtlichen Koalitionäre beabsichtigen, der Diskussion über Lohndumping in Unternehmen, die Glieder ihrer Wertschöpfungskette fremdvergeben, durch die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns zu begegnen (zum Mindestlohn im Koalitionsvertrag lesen Sie mehr im ersten Teil der Serie).

Nur wo Arbeitnehmerüberlassung draufsteht ist sie künftig auch erlaubt

Zugleich soll es Auftraggebern – soweit diese eine Fremdvergabe irrtümlich als Werkvertrag kategorisieren, obgleich sie zutreffend als Arbeitnehmer­überlassung zu werten wäre – künftig verwehrt sein, sich auf eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung des Auftragnehmers zu berufen, um arbeitsrechtlichen Bindungen zum eingesetzten Personal und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten aus dem tatsächlichen Beschäftigungsverhältnis zu entgehen. Anders ausgedrückt: Nur wo Arbeitnehmer­überlassung draufsteht, ist künftig Arbeitnehmerüberlassung auch erlaubt.

Die Abgrenzung vor allem zwischen freiem Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung ist nicht immer eindeutig. Die beabsichtigte Neuregelung könnte Auftraggeber vermehrt dazu bewegen, bei projekt­bezogener Fremdbeauftragung im Zweifel von Leiharbeit auszugehen, vom Vertragspartner die Beantragung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und eine entsprechende Vertragsgestaltung zu verlangen. Theoretisch ist das machbar, praktisch ist der Markt geeigneter Anbieter umso beschränkter, je anspruchsvoller die einzukaufende Fremdleistung ist – zumal es dem Selbstverständnis vieler widerspricht, sich als Verleiher zu sehen.

Betriebsvereinbarungen statt fixer Höchstgrenze

Gehen Auftraggeber diesen Weg, so werden sie damit leben, dass Leiharbeitnehmer nicht mehr als "Streikbrecher" einsetzbar sein sollen. Sie werden aber auch damit konfrontiert, dass die Koalitionäre eine "harte" Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten setzen wollen. Zwar ist eine tarifliche Verlängerungsoption vorgesehen. Mit Blick auf Art. 4 der EU-Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG, der der europarechtlichen Unternehmensfreiheit Rechnung trägt, sollte der Gesetzgeber eine Zeitgrenze für vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung aber generell betriebsvereinbarungsoffen halten, jedenfalls für nicht tarifgebundene Unternehmen. Zunächst ist freilich von maximal 18 Monaten auszugehen. Ob bereits bestehende Tarifverträge der Entleiherbranche, deren heutige zeitliche Begrenzung von Leiharbeit im Vergleich zur 18-Monats-Regelung eine Erweiterung darstellen würden, diese Verlängerungsfunktion erfüllen, ist Auslegungsfrage.

Umfang des Vergleichsentgelts klar definieren

Im "Arbeitsentgelt" soll der überlassene Arbeitnehmer künftig nach neun Monaten Stammarbeitern gleichgestellt werden. Die Wahl dieses Begriffs, der übrige "wesentliche Arbeitsbedingungen" gemäß § 9 Ziff. 2 AÜG nicht umfasst, könnte dafür sprechen, dass Sachleistungen sowie Nebenleistungen wie die betriebliche Altersversorgung nicht gemeint sein sollen. Zu hoffen ist auf eine möglichst klarstellende praktikable Definition des Gesetzgebers.

 

Autor: Holger M. Frieges ist Leiter Arbeitsrecht bei der Kion Material Handling GmbH und Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen e.V. (BvAU).