Ist Umkleidezeit bezahlte Arbeitszeit?

Duschen auf der Arbeit kann vergütungspflichtige Arbeitszeit sein, entschied das LAG Nürnberg unlängst. Wann Duschen, Umziehen oder der Weg vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz zur bezahlten Arbeitszeit zählt und welche Kriterien für diese Frage zu beachten sind, lesen Sie hier.

Immer wieder müssen Gerichte entscheiden, ob die Zeiten zum Umziehen, Duschen oder für den Weg im Betrieb zwischen Umkleideraum und Arbeitsplatz als vergütete Arbeitszeit zählen. 

In einem neueren Fall, den das LAG Nürnberg zu entscheiden hatte, zahlte der Arbeitgeber einem Containermechaniker weder die Wegzeiten zwischen Umkleideraum und Arbeitsstätte noch die Zeiten fürs Umziehen oder Duschen. Das hielt das Gericht für falsch und verpflichtete den Arbeitgeber, diese Zeiten täglich mit insgesamt 21 Minuten zu vergüten.

Wann Umkleide- oder Duschzeiten Arbeitszeit sind

Das LAG Nürnberg verwies in seiner Entscheidung auf die gängige BAG-Rechtsprechung zu Umkleidezeiten. Nach BAG-Rechtsprechung gehört Umkleidezeit zur Arbeitszeit, wenn das Tragen von Arbeitskleidung Pflicht ist und diese erst im Betrieb angelegt werden darf, beispielsweise aus Hygienegründen. Dann muss der Arbeitgeber diese Zeit auch bezahlen. Dies gilt auch, wenn es verständlich ist, dass der Arbeitnehmer die Arbeitskleidung außerhalb des Betriebs nicht tragen möchte. Nach einer weiteren BAG-Entscheidung ist auch das An- und Ablegen besonders auffälliger Dienstkleidung vergütungspflichtige Arbeit, da der "Arbeitnehmer kein eigenes Interesse daran hat, seine berufliche Tätigkeit gegenüber Dritten außerhalb der Arbeitszeit offen darzustellen." 

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einseitig vorschreiben, dass sie sich im Betrieb die Arbeitskleidung anzuziehen haben. Denn das Tragen von Arbeitskleidung ist bei einem begründeten Interesse Teil des Direktionsrechts.

Arbeitskleidung: Umziehen ist Arbeitszeit bei fremdnütziger Tätigkeit 

Bei der Abwägung im Einzelfall ist zu unterscheiden, ob das Umkleiden ein fremdes Bedürfnis und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das Tragen der Arbeitskleidung dient oftmals ausschließlich dem Interesse des Arbeitgebers. Genau darauf stellt die Rechtsprechung ab: Es ist danach zu differenzieren, ob die Dienstkleidung während der Arbeitszeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zu tragen und eine private Nutzung ausgeschlossen ist. Dann handelt es sich um eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit des Mitarbeiters und damit um Arbeitszeit. Die Körperreinigung im oben genannten Fall war im Hinblick auf diese Rechtsprechung ein notwendiger Bestandteil der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeit. Das Duschen sei fremdnützig, da die Verschmutzung des Arbeitnehmers bei der Arbeit deutlich über die Verschmutzung hinausgehe, die üblicherweise im Privatleben anfällt,  urteilte das LAG Nürnberg. Die Entscheidung ist beim BAG anhängig. 

Umkleidezeit: Zwischen Arbeitszeit und Vergütung trennen

Auch wenn das angeordnete Umziehen regelmäßig zur Arbeitszeit zählt, bleibt die Frage der Vergütung. Denn das BAG sieht keinen Automatismus, da "die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611 Abs. 1 BGB allein an die "Leistung der versprochenen Dienste" anknüpft und damit unabhängig ist, von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt. Das bedeutet, dass die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht führt". (BAG, Urteil vom 19.9.2012, Az. 5 AZR 678/11).

Vergütung der Umkleidezeit 

Wann ist eine Tätigkeit des Arbeitnehmers nun die Leistung eines "versprochenen Dienstes", die gemäß § 611 Abs. 1 BGB vergütet werden muss? Prinzipiell zählt hierzu nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags verlangte sonstige Tätigkeit, die mit der eigentlichen Tätigkeit unmittelbar zusammenhängt. Also alle Dienste, die der Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin aufgrund seines Weisungsrechts fordert. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste ist wiederum jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, also für den Arbeitgeber geschieht. Das BAG hat die Vergütungspflicht für Vor- und Nachbereitungszeiten bestätigt, wenn die Handlungen im Zusammenhang mit einer arbeitsrechtlichen Weisung stehen, also beispielsweise die Zeit, die für das An- und Ablegen der Arbeitskleidung erforderlich ist oder für das Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege.

Umkleidezeit ist je nach Arbeitnehmer individuell 

Die Umkleidezeit ist individuell festzustellen. Es zählt also die Zeit zur Arbeitszeit, die der einzelne Beschäftigte unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit für das Umkleiden benötigt. Gleiches gilt auch für den Weg zwischen Umkleideraum und Arbeitsstelle. Wenn ein Arbeitnehmer hierfür seiner Darlegungs- oder Beweislast nicht nachkommen kann, darf das Gericht die erforderlichen Umkleidezeiten und die damit verbundenen Wegezeiten nach § 287 Abs. 2 ZPO schätzen (BAG, Urteil vom 26.10.2016, 5 AZR 168/16).

Ausschluss der Vergütung von Umkleidezeit

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Pflicht zur Vergütung von Umkleidezeiten durch Tarifvertrag ausgeschlossen werden, auch wenn das An- und Ablegen der Dienstkleidung vergütungspflichtige Arbeit ist. (BAG Urteil vom 25.04.2018, Az: 5 AZR 245/17)


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