Duschen als vergütungspflichtige Arbeitszeit

Ein Arbeitgeber zahlte einem Containermechaniker weder die Wegzeiten zwischen Umkleideraum und Arbeitsstätte, noch die Zeiten fürs Umziehen oder Duschen. Das LAG Nürnberg hielt dies für falsch und verpflichtete den Arbeitgeber, diese Zeiten täglich mit insgesamt 21 Minuten zu vergüten.

Latzhose, Handschuhe, Sicherheitsschuhe sowie Schutzbrille und Atemmaske gehören zur Arbeitskleidung eines Containermechanikers. Bei Tätigkeiten wie dem Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen und der Nachlackierung mit Pinsel oder Spritzpistolen wird sowohl er als auch seine Kleidung regelmäßig schmutzig. Daher zieht er sich am Ende seines Arbeitstages nicht nur um und gibt die Arbeitskleidung zur betrieblichen Reinigung, sondern duscht auch.

Ob der Arbeitgeber Wege-, Umkleide- und Waschzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu bezahlen hat, musste das LAG Nürnberg in einem jetzt veröffentlichten Fall entscheiden.

Der Fall: Arbeitnehmer verlangt Vergütung für Umkleide- und Duschzeiten

Der Containermechaniker ist seit 2009 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Seine Arbeit muss er in der ihm zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung antreten. Dabei muss er sich zu Beginn und Ende der Schicht am Zeiterfassungsterminal ein- und ausstempeln, wobei die Umkleide- und Duschzeiten nicht erfasst werden dürfen. Vielmehr ist er angehalten, hier nicht den Zeitpunkt des Betretens des Betriebes oder des Betretens der Umkleide einzugeben, sondern den in den Schichtplänen vorgesehenen Zeitpunkt des Schichtbeginns. Dies macht auch vor Ort ein Aushang deutlich: "Das Umkleiden/Duschen während der Arbeitszeit ist – nach wie vor – nicht statthaft und wird in keiner Art und Weise toleriert."

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelarbeitsvertraglicher Bezugnahme das einschlägige Tarifwerk der Branche Anwendung. § 24 MTV sieht vor, dass alle Ansprüche, die nicht fristgerecht innerhalb von drei Monaten nach ihrer Entstehung geltend gemacht werden, verfallen.

Nachforderung von über 20.000 Euro

Der Arbeitnehmer verlangte vom Arbeitgeber die anfallenden Umkleide- und Duschzeiten sowie die Wege vom Umkleideraum zu seiner Arbeitsstätte als Arbeitszeit anzuerkennen und als solche zu bezahlen. Dabei berechnete er für den Weg von der Pforte zur Umkleide täglich 10 Minuten, für das Umkleiden 10 Minuten, für den Weg von der Umkleide an den Arbeitsplatz 5 Minuten, vom Arbeitsplatz zur Umkleide 5 Minuten, für das Reinigen, Duschen und Umziehen 15 Minuten und für den Weg von der Umkleide zur Pforte erneut 10 Minuten - zusammengerechnet täglich 55 Minuten. Dafür forderte er eine Nachvergütung in Höhe von insgesamt rund 20.000 Euro für die Zeit von Januar 2017 bis August 2020.

Wegezeit ist laut Arbeitgeber Arbeitszeit, Duschen und Umziehen nicht

Der Arbeitgeber vertrat dagegen die Auffassung, die geltend gemachten Zeiten seien keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten. Er verwies darauf, dass sich im einschlägigen Tarifvertrag keine Regelung dazu finde. Sowohl die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung als auch der Betriebsvereinbarung zeige, dass die Arbeitszeit am Arbeitsplatz beginne und ende und die geltend gemachten Zeiten daher nicht zur Arbeitszeit gehörten. Insbesondere für das Duschen könne keine Vergütungspflicht aus § 611a Abs. 2 BGB abgeleitet werden, da das Duschen weder angewiesen noch aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderlich sei.

Abgesehen davon bezweifelte der Arbeitgeber die Dauer der vom Arbeitnehmer behaupteten Zeiten. Außerdem seien die Ansprüche nach § 24 MTV im Wesentlichen verfallen.

LAG Nürnberg: Arbeitgeber muss Wege, Duschen und Umziehen vergüten

Das LAG Nürnberg urteilte, dass der Arbeitgeber die Zeit für das Umkleiden vor und nach der Arbeit, für die Reinigung nach der Arbeit und für die Wege von der Umkleide an den Arbeitsplatz und vom Arbeitsplatz zur Umkleide gemäß § 611a Abs. 2 BGB gesondert vergüten muss. Ob und welche Umkleide-, Reinigungs- und innerbetrieblichen Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu behandeln sind, sei weder durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt und war daher nach § 611a Abs.2 BGB zu beurteilen. 

In Bezug auf die Umkleidezeiten verwies das Gericht auf die anerkannte BAG-Rechtsprechung. Danach sind Umkleidezeiten grundsätzlich vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit beruhen. Im konkreten Fall müsse der Containermechaniker Schutzkleidung bei der Arbeit tragen und nach der Arbeit zur Reinigung zu geben, die der Arbeitgeber ihm zur Verfügung stellt. Dazu müsse er sowohl vor als auch nach der Arbeit die Umkleide aufsuchen, sich dort die bereitgestellte Schutzkleidung suchen und anziehen und sich danach an den Arbeitsplatz begeben.

Auch die innerbetrieblichen Wege zählen laut LAG Nürnberg zur Arbeitszeit, da sie dadurch veranlasst seien, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermögliche, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichte, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen müsse. Nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zähle dagegen der Weg des Arbeitnehmers von der Pforte zur Umkleide.

Wann Duschen als Arbeitszeit gilt

Auch die Zeit, die der Arbeitnehmer nach der Arbeit zur Körperreinigung benötigt, ist vergütungspflichtige Arbeitszeit, stellte das Gericht fest. Dies sei höchstrichterlich bisher noch nicht geklärt. Im Sinne der Rechtsprechung des BAG zu den Umkleidezeiten komme es darauf an, ob das Duschen oder Waschen überwiegend oder ausschließlich fremdnützig sei.

Aus Sicht des Gerichtes ist eine Fremdnützigkeit dann zu bejahen, wenn die Verschmutzung des Arbeitnehmers bei der Arbeit deutlich über die Verschmutzung hinausgeht, die üblicherweise im Privatleben anfällt. Es führte aus, dass es in der Vergangenheit sozial adäquat gewesen sei, so verschmutzt die Arbeit zu verlassen und nach Hause zu gehen. Heute sei es dagegen nicht mehr zumutbar, dass der "gewerbliche Arbeitnehmer in diesem Verunreinigungszustand seine private Kleidung anzieht und so sein Privatleben nach der Arbeit aufnimmt". Die Körperreinigung sei damit notwendiger Bestandteil der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeit und daher fremdnützig. Damit sei sie dem Grunde nach auch vergütungspflichtig als Arbeitszeit im Sinne von § 611a BGB.

Die vergütungspflichtigen Zeiten für Umkleiden, Körperreinigen und Wege zwischen der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück schätzte das LAG Nürnberg auf arbeitstäglich 21 Minuten. Eine Nachzahlung sprach das Gericht dem Mechaniker jedoch nur in geringer Höhe zu: Aufgrund der tariflichen Ausschlussfristen waren die Ansprüche aus der Zeit vor Juni 2020 in Höhe von 17.779,31 Euro brutto verfallen.

Das LAG Nürnberg hat die Revision zum BAG zugelassen.

Hinweis: LAG Nürnberg, Urteil vom 6. Juni 2023, Az: 7 Sa 275/22, Vorinstanz: Arbeitsgericht Nürnberg, Az: 9 Ca 5217/20


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