Das Arbeitsverhältnis ist ein schuldrechtliches Gemeinschaftsverhältnis mit besonderem personenrechtlichem Einschlag.

Dies hat zur Folge, daß für den Arbeitgeber neben der Pflicht zur Bezahlung des Lohnes gegenüber dem Arbeitnehmer noch weitere Pflichten bestehen.

Insbesondere wegen dieser Personenbezogenheit des Arbeitsverhältnisses gilt der für alle Schuldverhältnisse geltende Grundsatz von Treu und Glauben in besonderem Maße. Dies verlangt im allgemeinen eine gesteigerte Fürsorge für den Arbeitnehmer.[1]

Unter dem Begriff der Fürsorgepflicht werden überwiegend die gesamten Nebenpflichten des Arbeitgebers zusammengefaßt.[2]

Die rechtliche Herleitung der Fürsorgepflicht ist nicht unumstritten, wird aber insbesondere auf § 242 BGB zurückzuführen sein.[3]

Nach BAG ist die Fürsorgepflicht Ausfluß des in § 242 BGB niedergelegten Grundsatzes von Treu und Glauben, der den Inhalt von Schuldverhältnissen bestimmt und damit für das Arbeitsverhältnis verschiedene Nebenrechte des Arbeitnehmers bzw. Nebenpflichten des Arbeitgebers bestimmt.[4]

Natürlich können einzelne Pflichten auch gesetzlich geregelt (siehe unten) oder einzelvertraglich vereinbart sein.

Im allgemeinen bedeutet dies für den Arbeitgeber, daß er aufgrund der ihm dem Arbeitnehmer gegenüber obliegenden Fürsorgeverpflichtung bei allen seinen Maßnahmen, selbst wenn er von ihm zustehenden Rechten (vgl. Weisungsrecht, Verantwortlichkeit) Gebrauch macht, das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers in seine Überlegungen mit einbeziehen muß.[5]

Der Arbeitgeber muß also immer abwägen, ob die Interessen des Arbeitnehmers oder seine eigenen Interessen Vorrang haben.[6]

Umfang und Grenzen werden allerdings nicht im einzelnen durch § 242 BGB geregelt. Daraus ergibt sich nur ein Rahmen, der konkretisierungsbedürftig ist, was sich z. B. durch die oben bereits genannte Abwägung der beiderseitigen Interessen ergeben kann.[7]

Die Fürsorgepflicht leitet sich aus dem Arbeitsverhältnis ab und ist eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers.

Grundsätzlich ist damit ein rechtswirksamer Arbeitsvertrag erforderlich. Soweit nur ein faktisches Arbeitsverhältnis vorliegt, können im Hinblick auf die Arbeitsleistung allerdings damit zusammenhängende Fürsorgepflichten bestehen.

Entsprechendes gilt während des Bewerbungsverfahrens, in der Zeit, in der ein Arbeitsverhältnis ruht[8] und selbst nach dessen Beendigung.

 
Praxis-Beispiel
  1. Führung durch den Betrieb bei der Bewerbung.Hier hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß dem Bewerber kein Schaden entsteht. Der Arbeitgeber muß z. B. darauf achten, daß dem Bewerber erforderliche Schutzkleidung zur Verfügung steht.
  2. Während des Grundwehrdienstes ruht das Arbeitsverhältnis nach § 1 Abs. 1 ArbPlSchG. Im Hinblick auf persönliche, aber im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehende Umstände besteht hier die Fürsorgepflicht.
  3. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber verpflichtet, einem Dritten Auskunft über Leistungen und Verhalten des Arbeitnehmers im bisherigen Arbeitsverhältnis zu geben.[9]

Einzelne, sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergebende Pflichten können zwar nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit abbedungen werden. Diese Abweichungen dürfen allerdings nicht gegen die guten Sitten, allgemein geregelte arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen oder z. B. gegen das billige Ermessen im Sinne des § 315 BGB bei Erteilung von Weisungen (vgl. Weisungsrecht, Verantwortlichkeit) verstoßen.

Spezielle gesetzliche Regelungen der Fürsorge sind in §§ 617, 618, 619, 629 BGB, 62 HGB, 120a, 120b, 120c GewO enthalten. Daneben sind zwischenzeitlich sehr viele Verpflichtungen des Arbeitgebers, die sich früher auf die Fürsorgepflicht zurückführen ließen, gesetzlich geregelt (Mutterschutz, Jugendarbeitsschutz usw.).

Aus der allgemeinen Fürsorgepflicht ergeben sich Schutz-, Sorgfalts-, Auskunfts- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers.

Die Bereiche sind allerdings nicht abschließend. So können sich durch gesellschaftliche oder technische Weiterentwicklungen durchaus im Hinblick auf die Fürsorge des Arbeitgebers andere und neue Gesichtspunkte ergeben.

[2] Vgl. dazu Richardi, Wlotzke, Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht S. 1528 ff.; Schaub, Arbeitsrecht 7. Aufl. S. 817 ff. m. w. N.
[3] Vgl. zu diesem Punkt Schaub, Arbeitsrecht 7. Aufl. S. 818 m. w. N.
[6] Haberkorn, Arbeitsrecht 7. überarbeitete und erweiterte Auflage 1992, S. 94; Müller, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Auflage 1992 Rdnr. 740,

Siehe hierzu auch BAG, Urt. v. 26.08.1993 – 2 AZR 376/93

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