Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte

 

Leitsatz (amtlich)

1.Der Arbeitnehmer kann verlangen, daß der Arbeitgeber eine mißbilligende Äußerung aus den Personalakten entfernt, wenn diese unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, die den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung und seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigen können. Dies folgt aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die auf dem Gedanken von Treu und Glauben beruht.

2. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hat der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Bezug auf Ansehen, soziale Geltung und berufliches Fortkommen zu beachten (Vergleiche BAG 8.2.1984 5 AZR 501/81 = BAGE 45, 111 = AP Nr 5 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht). Bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht hat der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 BGB Anspruch auf Widerruf bzw Beseitigung der Beeinträchtigung.

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 02.11.1983; Aktenzeichen 7 Sa 901/83)

ArbG Köln (Entscheidung vom 14.06.1983; Aktenzeichen 1 Ca 1060/83)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, eine dem Kläger erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

Der Kläger ist bei dem beklagten Kirchenverband, der unter anderem Kindergärten betreibt, seit März 1979 als pädagogischer Berater tätig. Er ist Vorsitzender der beim Beklagten bestehenden Mitarbeitervertretung.

Unter dem 9. Juli 1982 hatte die Leiterin einer Kindertagesstätte, Frau Q, der in der Verwaltung des Beklagten tätigen Abteilungsleiterin Frau M einen kritischen Bericht über die Mitarbeiterin Frau D zugeleitet. Am 25. September 1982 wurde dem Beklagten von der Mitarbeiterin Frau R mitgeteilt, der Kläger habe Frau D am Telefon erzählt, daß eine Beschwerde über sie von Frau Q vorliege; die Beschwerde habe er auf dem Schreibtisch von Frau M gesehen und gelesen. Diese dem Kläger angelastete Indiskretion hat nach dem Vortrag des Beklagten zu erheblicher Unruhe unter den Mitarbeitern in der Kindertagesstätte geführt. Auf die Vorhaltungen des Geschäftsführers des Beklagten hat der Kläger die Vorwürfe zurückgewiesen und nach der Darstellung des Beklagten angekündigt, er werde der Angelegenheit nachgehen und eine abschließende Stellungnahme übermitteln. Am 26. November 1982 übersandte der Beklagte dem Kläger ein Schreiben mit folgendem Wortlaut:

„Betr.: Ihr Arbeitsverhältnis

Sehr geehrter Herr K ,

in einem Gespräch am 22.09.1982 hatte ich Ihnen Gelegenheit gegeben, sich zu dem Bericht von Frau R vom 20.09.1982 zu äußern. Außerdem hatten wir danach gemeinsam mit Herrn H über diese Angelegenheit gesprochen.

Eine abschließende schriftliche Stellungnahme vermisse ich nach wie vor.

Ich habe Sie hiermit aufzufordern, sich zu den gegen Sie erhobenen Vorwürfen bis spätestens 06.12.1982 schriftlich zu äußern.

Der Vorfall ist Veranlassung, Sie nochmals nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß Sie gerade in Ihrer herausgehobenen Funktion als pädagogischer Berater bei Informationen, die die Beziehungsebene zwischen den von Ihnen zu beratenden Mitarbeitern und der Abteilungsleitung berühren, zu äußerster Vertraulichkeit verpflichtet sind. Sie haben jeden Anschein zu vermeiden, daß die sich aus Ihrer Tätigkeit ergebende Diskretion nicht gewahrt wird.

Verstöße gegen diese Ihre selbstverständliche Pflicht werden in Zukunft arbeitsrechtliche Konsequenzen, möglicherweise die Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen.”

Der Beklagte hat eine Durchschrift dieses Schreibens zu der Personalakte des Klägers genommen.

Der Kläger hat unter dem 9. Dezember 1982 erwidert:

„Ich bedaure sehr, daß die leidige Angelegenheit um die Aussage der Frau R noch immer nicht erledigt ist.

Wie ich Ihnen gegenüber ja bereits in zwei Gesprächen betonte, entspricht das, was Frau R von einer anderen Kollegin über ein Gespräch zwischen Frau D und mir erfahren haben will, nicht den Tatsachen. Ich habe nie ein Schreiben der Frau Q auf dem Schreibtisch der Frau M gesehen. Die von Ihnen ausgestellte Abmahnung entbehrt daher jeder sachlichen Grundlage.

Nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt habe ich erfahren, daß mir auch in der Zukunft dienstliche Nachteile entstehen können, wenn dieser Vorgang in meiner Personalakte verbleibt. Ich muß Sie daher auffordern, alle mich belastenden Unterlagen aus meiner Personalakte zu entfernen.

Ihren diesbezüglichen Bescheid erwarte ich bis zum 3.1.1983.

Sie können versichert sein, daß ich aufrichtig an einem friedfertigen und möglichst spannungsfreien Arbeitsklima interessiert bin. Es widerstrebt mir sehr, gegen eine ältere Kollegin, mit der ich bisher keinerlei Differenzen hatte, rechtliche Schritte einzuleiten. Sie werden jedoch verstehen können, daß ich nunmehr durch den Gang der Dinge gezwungen bin, den verleumderischen Gerüchten über mich Einhalt zu gebieten. Ich werde daher einen Rechtsanwalt beauftragen, gegen Frau R , falls sie ihre Aussagen nicht widerruft, eine Verleumdungsklage zu führen.

Ich betone noch einmal, wie sehr ich den jetzigen Stand der Dinge bedaure und versichere Ihnen, daß ich in der Zukunft alles mir mögliche tun werde, um derartige Situationen zu vermeiden.”

Der Kläger hat vorgetragen, der Vorwurf des Beklagten sei unberechtigt; er habe das Schreiben der Frau Q an den Beklagten vom 9. Juli 1982 niemals gesehen. Es genüge ihm nicht, wenn sein Schreiben vom 9. Dezember 1982 ebenfalls zu den Personalakten genommen werde; er begehre Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die dem Kläger am 26. November 1982 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat für seine Behauptung, der Kläger habe die Mitarbeiterin Frau D über den kritischen Bericht der Frau Q unterrichtet, Beweis angetreten durch Benennung mehrerer Zeugen. Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei wegen seiner dienstlichen Stellung als pädagogischer Berater und auch aufgrund einer besonderen Dienstanweisung zur Vertraulichkeit verpflichtet gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, für einen Anspruch des Klägers auf Entfernung der Abmahnung aus seinen Personalakten sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Das Verlangen ergebe sich weder aus einer gesetzlichen Vorschrift noch einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung oder Dienstordnung; es folge auch nicht aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Die Fürsorgepflicht sei keine Rechtsquelle für Ansprüche, sondern nur die allgemein gehaltene Forderung an den Arbeitgeber, auf die Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Im übrigen sei durch § 83 Abs. 2 BetrVG, der dem Arbeitnehmer das Recht einräume, eine Gegendarstellung zu den Personalakten zu geben, eine abschließende Regelung zum Schutze des Arbeitnehmers getroffen. Die Frage, ob eine Abmahnung berechtigt sei, werde erst in einem Kündigungsschutzprozeß akut; eine vorherige Anrufung der Gerichte über die Berechtigung einer solchen Abmahnung sei also „ganz überflüssig”.

2. Mit diesen Rechtsausführungen begibt sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte, ohne sich mit dieser im einzelnen auseinanderzusetzen.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der hier zu erörternden Rechtsfrage bereits in folgenden Entscheidungen befaßt: BAG 7, 267, 273 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG 19, 181, 187 = AP Nr. 27 zu § 59 BetrVG; BAG 24, 247, 257 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst, zu II 2 b der Gründe; BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 5 AZR 801/76 - AP Nr. 84 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 30. Januar 1979 - 1 AZR 342/76 - AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, zu II der Gründe; BAG Urteil vom 7. November 1979 - 5 AZR 962/77 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 6. August 1981 - 6 AZR 505/78 - AP Nr. 39 zu § 37 BetrVG 1972, zu I der Gründe; BAG 38, 159, 163 = AP Nr. 3 zu § 108 BetrVG 1972, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 19. Juli 1983 - 1 AZR 307/81 - AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, zu II 3 der Gründe.

Aus der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte sind folgende Entscheidungen zu erwähnen: LAG Hamm, Urteil vom 7. Mai 1980 - 3 Sa 69/80 - DB 1980, 2398; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. März 1981 - 6 Sa 815/80 - EzA Nr. 28 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; LAG Hamm, Urteil vom 1. Februar 1983 - 13 Sa 1313/82 - EzA Nr. 33 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht.

3. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner allgemeinen Fürsorgepflicht, auch soweit er Rechte ausübt, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Er muß daher unter Umständen auch besondere Maßnahmen treffen, die die Entstehung eines Schadens und damit eine Beeinträchtigung des Fortkommens seines Arbeitnehmers verhindern können (vgl. BAG Urteil vom 9. Februar 1977 - 5 AZR 2/76 - AP Nr. 83 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu II 1 der Gründe m.w.N.). Der Umfang dieser Fürsorgepflicht ist im Einzelfall aufgrund einer eingehenden Abwägung der beiderseitigen Interessen zu bestimmen (BAG 7, 267, 271, 272 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG Urteil vom 17. März 1970 - 5 AZR 263/69 - AP Nr. 78 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu 2 der Gründe). Der Arbeitgeber muß im Rahmen seiner Fürsorgepflicht dafür Sorge tragen, daß die Personalakten ein richtiges Bild des Arbeitnehmers in dienstlichen und persönlichen Beziehungen vermitteln (BAG 7, 267, 273 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; seither ständige Rechtsprechung). Die Fürsorgepflicht ist Ausfluß des in § 242 BGB niedergelegten Gedankens von Treu und Glauben, der den Inhalt der Schuldverhältnisse bestimmt. Aus dieser Vorschrift sind für das Arbeitsverhältnis verschiedene Nebenrechte und -pflichten abzuleiten. So hat etwa der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluß vom 27. Februar 1985 (- GS 1/84 - ZIP 1985, 1214 ff., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) den allgemeinen Beschäftigungsanspruch als vertragliche Nebenpflicht aus § 242 BGB hergeleitet. Dabei hat der Große Senat angenommen, daß bei der Frage, was Treu und Glauben jeweils gebieten, auch auf die in den Grundrechten des Grundgesetzes zum Ausdruck gekommene Wertentscheidung der Verfassung Bedacht zu nehmen ist. Die in den Grundrechtsnormen enthaltene objektive Wertordnung gilt als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts und wirkt deshalb auch auf das Privatrecht ein (BVerfGE 34, 269, 280). Damit gewinnt der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz für das Arbeitsverhältnis und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten Bedeutung.

b) Deshalb ist schon bisher erkannt worden, daß der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Bezug auf Ansehen, soziale Geltung und berufliches Fortkommen zu beachten hat (Urteil des erkennenden Senats vom 8. Februar 1984, BAG 45, 111, 114 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu I 1 der Gründe mit zust. Anm. von Echterhölter; Wiese, ZfA 1971, 273, 297 m.w.N.). Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wird durch unrichtige, sein berufliches Fortkommen berührende Tatsachenbehauptungen beeinträchtigt. Der Arbeitnehmer kann daher in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in Form von unzutreffenden oder abwertenden Äußerungen deren Widerruf und Beseitigung verlangen (BAG Urteil vom 21. Februar 1979 - 5 AZR 568/77 - AP Nr. 13 zu § 847 BGB, zu B I 1 der Gründe; BAG 45, 111, 117 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu I 5 der Gründe; Wiese, ZfA 1971, 273, 311; vgl. auch BGHZ 14, 163, 173). Das verfassungsrechtlich abgesicherte Recht des Arbeitgebers zur freien Meinungsäußerung über den Arbeitnehmer (Art. 5 Abs. 1 GG) findet seine Schranken an dieser geschützten Rechtssphäre des Arbeitnehmers.

4. Hieraus folgt, daß der Arbeitnehmer die Rücknahme einer mißbilligenden Äußerung des Arbeitgebers verlangen kann, wenn diese nach Form oder Inhalt geeignet ist, ihn in seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen. Hierzu gehören schriftliche Rügen und Verwarnungen, die zu den Personalakten genommen werden. Denn solche formellen Rügen können, wenn sie unberechtigt sind, Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers sein und dadurch sein berufliches Fortkommen behindern oder andere arbeitsrechtliche Nachteile mit sich bringen. Vornehmlich in Großbetrieben und größeren Verwaltungen kann die zu den Personalakten genommene Abmahnung zu einer dauerhaften und nachhaltigen Gefährdung der Rechtsstellung des Arbeitnehmers beitragen, denn dort werden Entscheidungen über das berufliche Fortkommen in der Regel nicht aufgrund persönlicher Kenntnisse getroffen, sondern die Fakten werden aus den Personalakten entnommen. Gerade bei einseitigen Bestimmungsrechten, bei denen dem Arbeitgeber ein nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht, kann eine zu den Personalakten genommene schriftliche Äußerung einen fortdauernden Rechtsnachteil darstellen.

5. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung einer unbegründeten Rüge aus seinen Personalakten auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß er berechtigt ist, eine Gegendarstellung zu den Personalakten zu reichen.

Unabhängig davon, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Betriebsverfassungsgesetz wegen § 118 BetrVG nicht anzuwenden ist, gilt insoweit folgendes:

Das Berufungsgericht verweist auf § 83 Abs. 2 BetrVG, wonach Erklärungen des Arbeitnehmers zum Inhalt der Personalakte dieser auf sein Verlangen beizufügen sind. Diese Vorschrift räumt dem Arbeitnehmer das Recht ein, über die Möglichkeit einer allgemeinen Stellungnahme aufgrund des § 82 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hinaus schriftliche Erklärungen, insbesondere auch zu Beurteilungen abzugeben. Diese Vorschrift gewährt dem Arbeitnehmer lediglich ein Gegenerklärungsrecht. Enthält die Personalakte aber unrichtige oder abwertende Angaben über die Person des Arbeitnehmers, so werden diese durch dessen Gegenerklärung nicht neutralisiert. Die Gegenerklärung besagt insoweit nicht mehr, als daß die Angaben vom Arbeitnehmer bestritten werden. Eine abschließende, weitergehende Ansprüche des Arbeitnehmers ausschließende Regelung ist dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Daneben steht das im Klagewege durchsetzbare Recht des Arbeitnehmers, die Entfernung unrichtiger Angaben aus den Personalakten zu verlangen (so bereits BAG 7, 267 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; ferner BAG 24, 247 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst; diese Auffassung wird auch in der Kommentarliteratur einhellig vertreten, vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 83 Rz 5 a; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl. § 83 Rz 33; Fabricius/Kraft/Thiele/Wiese, Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, § 83 Rz 17 a; Gnade/Kehrmann/-Schneider/Blanke, BetrVG, § 83 Rz 8).

Der Senat sieht keine Veranlassung, von den vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abzuweichen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung einer auf unrichtigen Tatsachen beruhenden Abmahnung folgt aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäß § 242 BGB in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB.

II.

Andere Gründe, aus denen sich das Urteil des Berufungsgerichts als richtig darstellen könnte, sind nicht ersichtlich; es ist deshalb aufzuheben (§ 563, § 564 Abs. 1 ZPO).

III.

Eine abschließende Entscheidung zugunsten des Klägers ist nicht möglich. Es steht noch nicht fest, ob der Beklagte die dem Kläger am 26. November 1982 erteilte Abmahnung zurücknehmen und aus den Personalakten des Klägers entfernen muß.

1. Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben mit der Begründung, aus dem Schreiben vom 26. November 1982 gehe nicht deutlich hervor, was dem Kläger konkret vorgeworfen werde. Das Schreiben sei daher aus der Personalakte zu entfernen, ohne daß es darauf ankomme, ob es als Abmahnung berechtigt sei.

Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden. Eine Abmahnung im Rechtssinne liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in einer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise auffordert, ein vertragswidriges Verhalten abzustellen, und für die Zukunft Rechtsfolgen angedroht werden (BAG Urteil vom 18. Januar 1980 - 7 AZR 75/78 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Diesen Anforderungen genügt das Schreiben des Beklagten vom 26. November 1982. Aus ihm geht hinlänglich hervor, daß dem Kläger eine Indiskretion vorgeworfen wird in Bezug auf seine Mitarbeiter, wobei er als deren pädagogischer Berater zu äußerster Vertraulichkeit verpflichtet wäre; des weiteren sind die arbeitsrechtlichen Konsequenzen angedroht. Damit ist das dem Kläger angelastete Fehlverhalten genügend bezeichnet und dieses Verhalten auch abgemahnt.

2. Ob die dem Kläger erteilte und zu den Personalakten genommene Abmahnung rechtswidrig ist, kann noch nicht entschieden werden. Das Berufungsgericht hat hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Der Kläger hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in den Vorinstanzen bestritten. Der Beklagte hat für die von ihm behaupteten Tatsachen, die der Abmahnung zugrunde liegen, Beweis angetreten durch Benennung von Zeugen. Diesen Beweisen wird das Berufungsgericht bei der erneuten Verhandlung nachgehen müssen. Erst wenn die notwendigen Feststellungen getroffen sind, kann beurteilt werden, ob die Abmahnung rechtswidrig ist und aus den Personalakten entfernt werden muß.

Der Senat hat bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Michels-Holl, Polcyn, Dr. Hirt

 

Fundstellen

Haufe-Index 60057

BAGE 50, 202-210 (LT)

BB 1986, 594-595 (LT1-2)

DB 1986, 489-490 (LT1)

NJW 1986, 1065

NJW 1986, 1065-1066 (LT1-2)

AiB 1986, 144-144 (LT1-2)

AuB 1986, 334-334 (T)

ARST 1986, 97-97 (LT1)

DOK 1986, 377-378 (T)

NZA 1986, 227-228 (LT1-2)

RdA 1986, 137

SAE 1986, 197-199 (LT1-2)

AP, Fürsorgepflicht (LT)

ArbuR 1986, 222-224 (LT1-2)

DuD 1990, 639-640 (LT)

ErsK 1993, 403-404 (n.V.)

EzA, Fürsorgepflicht Nr 38 (LT1-2)

MDR 1986, 433-434 (LT1-2)

Belling / Luckey 2000, 84

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