Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 24.10.1990; Aktenzeichen L 11 Ka 35/87)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 1990 wird hinsichtlich der Wettbewerbsklage verworfen und im übrigen zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die klagende Zahntechniker-Innung verlangt von der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV), es zu unterlassen, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen, daß gegenüber gewerblichen zahntechnischen Laboratorien Barzahlungsnachlässe (Skonti) bis zu 3 vH geltend gemacht werden dürfen, ohne sie an die Krankenkassen (KK) oder Versicherten abzuführen. Die Beklagte hatte mit den Beigeladenen zu 1) bis 4) (Landesverbände von RVO-KKen und landwirtschaftliche Krankenkasse) erstmals 1977 (später durch inhaltlich gleichlautende Vereinbarungen abgelöst) gesamtvertraglich vereinbart, daß die zwischen den Landesverbänden der KKen und den Zahntechniker-Innungen vereinbarten Preise für zahntechnische Laborarbeiten nicht überschritten werden dürfen und das Gewährenlassen von Rabatten, Bonifikationen und sonstigen Rückvergütungen mit Ausnahme von Skonti unzulässig ist. Darüber unterrichtete die Beklagte ihre Mitglieder durch entsprechende Rundschreiben. Seitdem verlangen nach den tatrichterlichen Feststellungen Zahnärzte von den Mitgliedern der Klägerin Skonti bis zu 3 vH und ziehen entsprechende Beträge von der Rechnungssumme ab. Die Klägerin hält die zwischen der Beklagten und den KKen getroffene Vereinbarung bezüglich der Skonti für unzulässig. Dadurch und durch die entsprechende Unterrichtung ihrer Mitglieder verletze die Beklagte die alleinige Vertragskompetenz der Zahntechniker-Innung. Der Abschluß einer solchen Vereinbarung sei durch § 368g Abs 5a Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) aF bzw § 88 Abs 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) allein den Zahntechniker-Innungen vorbehalten, da es sich um Fragen der Vergütung und Rechnungsregelung von zahntechnischen Leistungen handele. Die zwischen der klagenden Innung und den Landesverbänden der KKen abgeschlossenen Verträge sähen Rabattgewährungen nicht vor. Während die Klägerin in erster Instanz mit einer Feststellungsklage erfolgreich war (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 28. Oktober 1986), hat das Berufungsgericht das in die Form einer Unterlassungsklage geänderte Begehren der Klägerin abgewiesen (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 24. Oktober 1990). Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte durch ihre Vereinbarung mit den KKen über die Zulässigkeit der Einbehaltung von Skontoabzügen nicht in die Vertragskompetenz der Klägerin eingegriffen, weil dieser nur die Festlegung von Höchstpreisen vorbehalten sei.

Dagegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Sie wendet sich dagegen, daß das LSG die Zuständigkeit der Zahntechniker-Innung auf die Festlegung von Höchstpreisen beschränkt habe. Der Unterlassungsanspruch rechtfertige sich auch aus den §§ 25, 35 Abs 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG abzuändern und die Beklagte unter Zurückweisung der Berufungen gegen das Urteil des SG zu verurteilen, es zu unterlassen, ihren Mitgliedern durch Rundschreiben oder auf andere Weise mitzuteilen, daß sie mit den Inhabern gewerblicher zahntechnischer Laboratorien im Bereich der Primärkassen Barzahlungsnachlässe (Skonto) bis zu 3 vH vereinbaren und den Betrag behalten dürfen,

hilfsweise,

festzustellen, daß die Vereinbarung von Barzahlungsnachlaß (Skonto) zwischen gewerblichen Laboratorien und Kassenzahnärzten ohne ausdrückliche Regelung gemäß § 88 Abs 2 SGB V unzulässig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Soweit die Klägerin sich nunmehr auch auf eine wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlage stütze, sei dafür allein der Zivilrechtsweg gegeben.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) und 6) beantragen ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

Sie schließen sich den Ausführungen der Beklagten an.

Die Beigeladenen zu 4) und 5) haben keine Anträge gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist nicht begründet; soweit die Klägerin in der Revisionsinstanz erstmalig auch wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten geltend macht, ist die Revision unzulässig.

Der Senat hat in der Besetzung mit jeweils einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der KKen und der Kassenzahnärzte (§ 12 Abs 3 Satz 1, § 33 Satz 2, § 40 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ entschieden, weil der Rechtsstreit eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts betrifft. Angelegenheiten des Kassenarztrechts sind solche den Sozialgerichten nach § 51 Abs 2 Satz 1 SGG (idF durch Art 32 des Gesundheitsreformgesetzes ≪GRG≫, BGBl I 1988, Seite 2477) zugewiesene Rechtsstreitigkeiten, die sich aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und KKen ergeben (§ 10 Abs 2 SGG idF durch das GRG). Für diese sind eigene Spruchkörper vorgesehen, die mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der KKen und der Kassenärzte zu besetzen sind, es sei denn, es handele sich um Angelegenheiten der Kassenärzte im engeren Sinn des § 12 Abs 3 SGG; in diesem Fall sind als ehrenamtliche Richter nur Kassenärzte heranzuziehen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits entschieden, daß zu den Angelegenheiten des Kassenzahnarztrechts auch solche Rechtsstreitigkeiten gehören, die aus dem Verhältnis zwischen Zahntechnikern, Zahnärzten und KKen entstehen, weil die Zahntechniker spätestens seit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG, BGBl I 1977, Seite 1069) in das Regelungssystem des Kassenzahnarztrechts einbezogen sind (BSGE 56, 222 = SozR 1500 § 12 Nr 2). Wenn nunmehr § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG idF durch das GRG eine ausdrückliche Zuständigkeit der Sozialgerichte für Streitigkeiten aufgrund von Entscheidungen oder Verträgen der KKen, auch soweit Dritte betroffen sind, vorsieht, hat dies an der Zuordnung der Zahntechniker zum Kassenzahnarztrecht nichts geändert. Streitigkeiten von Zahntechnikern mit Zahnärzten oder Kassen sind dadurch nicht zu Angelegenheiten der Sozialversicherung geworden, für die ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber heranzuziehen wären (§ 12 Abs 2 SGG). Durch die Neuregelung sollten allein solche Rechtsstreitigkeiten der KKen mit sog Leistungserbringern den Sozialgerichten zugewiesen werden, die bis dahin – nach Klärung der Divergenzen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung – dem Zivilrechtsweg zugeordnet worden sind (vgl Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, BGHZ 97, 312 = SozR 1500 § 51 Nr 39; SozR 1500 § 51 Nrn 47 und 48). Die Frage der Besetzung der Spruchkörper ist im Rahmen der Gesetzesänderung ebenfalls erwogen worden. Es sollte danach bei der bisherigen Abgrenzung der Angelegenheiten des Kassenarztrechts mit seinen besonderen Spruchkörpern verbleiben, bis entsprechende Erfahrungen mit der Anwendung des neugefaßten Satzes 1 des § 51 Abs 2 vorliegen (vgl Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 24. November 1988, BT-Drucks 11/3480, S 77). Die Zuordnung von Streitigkeiten zwischen Zahntechnikern, Zahnärzten und KKen, die sich aus den Vorschriften der RVO ergaben, zum Sozialrechtsweg und ihre Einordnung als Angelegenheiten des Kassenzahnarztrechts waren aber seit der erwähnten Entscheidung des BSG nie umstritten. Insoweit lagen hinreichende Erfahrungen vor, die zu einer Änderung keinen Anlaß boten. Die Zahntechniker haben deshalb auch nach dem GRG ihre spezielle Einordnung unter den Leistungserbringern beibehalten. Ihre Rechtsstellung ist im Rahmen des Vierten Kapitels des SGB V (Beziehungen der KKen zu den Leistungserbringern) in diesem Titel innerhalb des zweiten Abschnitts (Beziehungen zu Ärzten und Zahnärzten) und nicht – wie bei den sonstigen Leistungserbringern – in einem eigenständigen Abschnitt geregelt. Die Beziehungen der KKen zu den Zahntechnikern gelten damit nach wie vor als Unterfall der Beziehungen zu den Zahnärzten. Rechtsstreitigkeiten aus diesen Beziehungen sind deshalb Angelegenheiten des Kassenzahnarztrechts geblieben.

Sie sind aber nicht allein Angelegenheiten der Kassenzahnärzte iS von § 12 Abs 3 Satz 2 SGG. Zur Abgrenzung der Rechtskreise hat die Rechtsprechung des BSG darauf abgehoben, in welchem Sachgebiet der jeweils erhobene Anspruch seine Grundlage hat (vgl BSGE 56, 222). Soweit es sich um die Anfechtung von Verwaltungsentscheidungen handelt, ist ein maßgebliches Kriterium für die Zuordnung darin gesehen worden, wie die entscheidenden Organe zusammengesetzt sind, ob es sich also um Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung der KKen und der Kassenärzte oder um reine Organe der kassenärztlichen Selbstverwaltung handelt (vgl BSGE 44, 244, 246 = SozR 7323 § 3 Nr 1; SozR 1500 § 12 Nr 4; Urteil des erkennenden Senats vom 20. Mai 1992 – 14a/6 RKa 29/89 – zur Veröffentlichung bestimmt). Dieses Kriterium scheidet hier aus, weil sich die Klägerin nicht gegen eine Verwaltungsentscheidung der Beklagten wendet, sondern ihr ein schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln untersagen lassen will, nämlich die Aufklärung ihrer Mitglieder über Rechte, die ihnen nach Auffassung der Klägerin nicht zustehen. Wenn somit allgemein nach der Grundlage dieses Anspruchs zu fragen ist, so beruft sich die Klägerin in erster Linie auf ihre alleinige Kompetenz, mit den KKen Verträge über Vergütungen für zahntechnische Leistungen und damit sachlich verbundene Regelungsgegenstände abzuschließen; diese leitet sie aus § 88 Abs 2 SGB V bzw § 368g Abs 5a Satz 3 RVO aF her. Streitig sind damit sowohl im Rahmen der Unterlassungsklage als auch der hilfsweise erhobenen Feststellungsklage die Rechtsstellung und Regelungsbefugnisse von Zahntechniker-Innungen, KKen und KZÄVen im kassenarztrechtlichen System, was über den Kreis der Angelegenheiten allein von Kassenärzten hinausreicht (vgl schon BSG SozR 1500 § 12 Nr 6). Die KKen sind hier notwendig dazu beigeladen (BSG vom 15. Dezember 1987 – 6 RKa 14/87 –).

Das Unterlassungsbegehren wird von der Klägerin zwar in zulässiger Weise im Wege der vorbeugenden Unterlassungsklage als einem Unterfall der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend gemacht (vgl BSGE 25, 116, 117; 43, 134, 136; 60, 248, 249). Die Klägerin muß aus ihrer Sicht befürchten, daß die Beklagte auch künftig ihre Mitglieder wie in der Vergangenheit entsprechend ihrer Rechtsauffassung unterrichtet, womit die das Rechtsschutzinteresse begründende Wiederholungsgefahr zu bejahen ist. Indessen scheitert das Unterlassungsbegehren der Klägerin daran, daß sie durch das von ihr beanstandete Verhalten der Beklagten rechtlich nicht beeinträchtigt wird.

Die Klägerin, die kein Innungsverband, sondern eine räumlich auf einen Regierungsbezirk begrenzte Handwerksinnung ist, kann die Verletzung einer Vertragskompetenz schon deshalb nicht mehr geltend machen, weil sie eine solche durch die Neuregelung des § 88 Abs 2 SGB V verloren hat.

Maßgebend ist die Gesetzeslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, also das seit dem GRG geltende Recht. Mit der Untätigkeitsklage will die Klägerin nicht vergangene Rechtsverletzungen festgestellt wissen, sondern künftigen Rechtsverletzungen vorbeugen.

Nach § 88 Abs 2 SGB V schließen die Landesverbände der KKen und die Verbände der Ersatzkassen die Vereinbarungen über Vergütungen für die nach dem bundeseinheitlichen Verzeichnis abrechnungsfähigen zahntechnischen Leistungen nur noch mit den Innungsverbänden der Zahntechniker. Das Recht einzelner Innungen, Vereinbarungen über Vergütungen abzuschließen, ist damit entfallen (aA Hess in Kasseler Komm, § 88 SGB V RdNr 3).

Es handelt sich nicht um ein bloßes Versehen des Gesetzgebers. Das läßt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm entnehmen. Die Vertragskompetenzen sind kontrovers diskutiert worden. Bereits im Gesetzentwurf der Bundesregierung war vorgesehen, sie auf die Länderebene zu verlegen (vgl BT-Drucks 11/2493 S 26 Nr 78). Demgegenüber hat sich der spätere Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, der die Vertragskompetenz sogar auf den Bundesinnungsverband der Zahntechniker übertragen wollte (vgl BT-Drucks 11/2237 S 34 § 96 Abs 1), nicht durchgesetzt. Es ist somit einerseits bewußt von einer zentralistischen Lösung abgesehen worden, um den regionalen Besonderheiten Rechnung tragen zu können. Andererseits ist aber auch im Sinne einer größeren Vereinheitlichung von lokalen Zuständigkeiten Abstand genommen worden (ebenso Schulin, Vergütungen für zahntechnische Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, 1992, S 14). Der beigeladene AOK-Landesverband hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß inzwischen auch eine Vereinbarung zwischen dem Landesinnungsverband Nordrhein-West-falen und den Landesverbänden in Westfalen-Lippe einschließlich der Bundesknappschaft und den Ersatzkassenverbänden vom 24. Juli 1991 getroffen worden ist.

Selbst wenn der Klägerin aber nach wie vor das Recht zuzugestehen wäre, Verträge über die Vergütung von zahntechnischen Leistungen mit den KKen abzuschließen und der Verletzung ihrer Vertragskompetenz vorzubeugen, ist ihr Unterlassungsbegehren unbegründet. Die Beklagte hat mit den gesamtvertraglichen Vereinbarungen und den darauf Bezug nehmenden Rundschreiben eine den Zahntechniker-Innungen zukommende Vertragskompetenz nicht berührt. Nach § 88 Abs 2 Satz 2 SGB V sind die vereinbarten Vergütungen Höchstpreise. Schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift folgt, daß es dem einzelnen Zahntechniker unbenommen bleibt, dem Kassenzahnarzt, der den Auftrag für die zahntechnischen Laborarbeiten nach bürgerlich-rechtlichem Vertragsrecht (idR Werklieferungsvertrag, § 651 BGB) erteilt, niedrigere Preise einzuräumen, und umgekehrt dem Zahnarzt, niedrige Preise zu fordern. Die Entwicklungsgeschichte der Norm bestätigt dies: Während in der ersten Fassung des § 368g Abs 5a Satz 2 RVO durch das KVKG zweifelhaft sein konnte, ob die vereinbarten Preise als Festpreise oder nur als Höchstpreise zu behandeln waren (vgl dazu Schallen, SGb 1978, 270, 272), hat dies die Gesetzesänderung durch das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, Seite 1578) im letzteren Sinne klargestellt, so daß dies heute nicht mehr umstritten ist (vgl Schnapp, SGb 1989, 361, 362; Hess in: Kasseler Kommentar § 88 SGB V RdNr 3; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, SGB V, K § 88 RdNr 3, Schulin, aaO, S 29). Mit dem GRG ist allerdings die vorherige Regelung weggefallen, daß auch Vereinbarungen über „die Rechnungsregelung nach einheitlichen Grundsätzen” zu treffen sind. Inwieweit damit eine weitere Kompetenzeinschränkung für den Abschluß von Vereinbarungen verbunden ist, kann dahinstehen. Selbst wenn man nach wie vor jedenfalls eine Kompetenz für solche Regelungen bejaht, die die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Vergütung zahntechnischer Leistungen betreffen (vgl dazu BSGE 60, 1, 3), gilt dies entgegen der Auffassung der Revision nicht für die Voraussetzungen von Preisnachlässen gegenüber den festgelegten Höchstpreisen. Damit könnte nämlich die Freiheit der Vertragspartner (Zahntechniker und Zahnarzt), Preise unterhalb der Höchstgrenze auszuhandeln, die vom Gesetzgeber aus Gründen der Kostendämpfung im Gesundheitswesen ausdrücklich eingeräumt worden ist, wieder eingeschränkt werden. Vom Ergebnis der Kostensenkung her gesehen ist es unerheblich, ob der einzelne Zahntechniker sich von vornherein ohne Rücksicht auf die festgesetzten Preise mit dem Zahnarzt auf einen niedrigeren Preis einigt oder ob er dies in Form eines Nachlasses gegenüber den festgesetzten Preisen, als Rabatt, Bonifikation oder Rückvergütung zum Ausdruck bringt. Auch die Skontogewährung ist nur eine besondere Form eines Preisnachlasses, nämlich unter der Voraussetzung einer unverzüglichen Barzahlung des vereinbarten Preises (vgl § 2 Rabattgesetz). Aus § 88 Abs 2 Satz 2 SGB V läßt sich deshalb kein überzeugender Grund ableiten, dem Zahntechniker das Einräumen und dem Zahnarzt das Verlangen eines solchen Barzahlungsnachlasses zu untersagen. Die Zulässigkeit eines solchen Gebahrens nach dem Rabattgesetz kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben (zur Frage des Zahnarztes als sogenannter Endverbraucher iS des Rabattgesetzes vgl Adelt, BlStSozArbR 1983, 167 ff; Schnapp, SGb 1989, 361, 362). Auch die Klägerin bestreitet im übrigen nicht, daß jedenfalls bei einem Nachlaß bis zu 3 vH Bedenken nach diesem Gesetz nicht bestehen.

Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, die Vertragskompetenz nach § 88 Abs 2 SGB V gelte nicht nur für die reine Festlegung von Höchstpreisen, sondern auch für damit untrennbar verbundene Regelungen über Qualität und Vorteilsgewährungen. Denn die Revision übersieht, daß diese Materien dann ebenfalls nur im Sinne eines Höchstpreises geregelt werden dürfen. Der Innungsverband darf also mit den Landesverbänden der KKen und den Verbänden der Ersatzkassen eine Mindestqualität und eine Mindest-Vorteilsgewährung vereinbaren, also etwa die Gewährung von mindestens 1 % Skonto bei Barzahlung. Das Recht des Kassenzahnarztes, eine höhere Qualität und einen höheren Preisnachlaß bei Barzahlung zu erreichen, wird davon nicht berührt.

Im Kern wendet sich die Klägerin auch nur dagegen, daß solche Rabatte nicht von dem Kassenzahnarzt an die Versicherten oder die KKen „weitergegeben” werden, sondern nach den gesamtvertraglichen Abmachungen einbehalten werden dürfen. Das SG hatte aus der Zielsetzung des KVEG gefolgert, daß die vereinbarten Preise nur insoweit keine Festpreise seien, als dies die KKen entlaste. Ein Wille zu einer solchen Einschränkung hat indes im Gesetzeswortlaut, der nur von Höchstpreisen spricht, keinen Niederschlag gefunden. Ob die Einbehaltung der Skonti im Verhältnis zu dem Eigenanteil der Versicherten rechtmäßig ist, kann hier offen bleiben. Ein rechtswidriges Verhalten eines Dritten, das keine eigenen Rechte verletzt, begründet keinen Unterlassungsanspruch.

Soweit die Klägerin ihre Unterlassungsklage im Revisionsverfahren auch auf die §§ 25, 35 Abs 3 GWB stützt, handelt es sich um eine im Revisionsverfahren gemäß § 168 SGG unzulässige Klageänderung. Die Klägerin ergänzt damit nicht nur ihre bisherigen rechtlichen Ausführungen, was nach § 99 Abs 3 SGG nicht als Klageänderung anzusehen wäre. Sie ändert damit vielmehr auch den Klagegrund, indem sie neben einer weiteren Anspruchsgrundlage einen neuen Lebenssachverhalt einführt. In den Vorinstanzen hat die Klägerin lediglich die Verletzung eigener Rechte geltend gemacht, nämlich der ihr durch öffentlich-rechtliche Normen eingeräumten Kompetenz zum Abschluß von Vereinbarungen über die Vergütung zahntechnischer Leistungen. Nunmehr macht sie auch die Verletzung der Rechte ihrer Mitglieder als Teilnehmer am Wettbewerb geltend, die in einer Empfehlung der Beklagten zu einem abgestimmten Marktverhalten liegen soll. Sie beruft sich insoweit auf eine durch § 35 Abs 3 GWB gesetzlich eingeräumte Prozeßstandschaft. Die Vorinstanzen hatten nach dem früheren Klagevorbringen keine Veranlassung, sich mit diesen rechtlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen. Entsprechend sind auch die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur marktbeherrschenden Stellung der Beklagten und dem Wettbewerbsverhalten ihrer Mitglieder unterblieben. Aufgabe der Revisionsinstanz ist es aber nach § 162 SGG nur zu prüfen, ob das angefochtene Urteil auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung gesetzlicher Vorschriften beruht. Das Verbot der Klageänderung in der Revisionsinstanz soll verhindern, daß das Revisionsgericht einen Sachverhalt würdigen muß, der durch die Tatsachengerichte noch nicht beurteilt worden ist und ohne Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht auch nicht beurteilt zu werden brauchte. Die Rechtskontrolle würde sich in einem solchen Fall nicht mehr auf die Entscheidung der Vorinstanz beschränken (vgl BSGE 18, 12, 14 = SozR Nr 2 zu § 168 SGG; SozR 1200 § 54 Nr 10).

Demgemäß ist der Senat daran gehindert, zu den aufgeworfenen wettbewerbsrechtlichen Fragen erstmalig in der Revisionsinstanz Stellung zu nehmen. Es kann deshalb offenbleiben, ob auch insoweit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit anzunehmen wäre, für die die Sozialgerichte seit jeher zuständig waren, ob eine Zuständigkeit auch für wettbewerbsrechtliche Fragen jedenfalls durch die Neuregelung des § 51 Abs 2 idF des GRG begründet worden ist (idS Meyer-Ladewig, SGG, 4. Aufl § 51 RdNr 36 mwN; andere Auffassung BGHZ 114, 218) oder ob zumindest § 17 Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) idF des Art 2 des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 (BGBl I, S 2809, 2816) eine zusätzliche Befugnis der Sozialgerichte begründet hat, im Rahmen einer zulässigerweise erhobenen Klage zur umfassenden Erledigung des Rechtsstreits auch wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkte zu prüfen.

Die mit dem Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung der Unzulässigkeit von Vereinbarungen über Barzahlungsnachlässe ohne ausdrückliche Regelung gemäß § 88 Abs 2 SGB V, ist nach den obigen Ausführungen ebenfalls unbegründet, so daß aus Gründen der Prozeßökonomie (vgl BSG vom 20. Juli 1988 – 6 RKa 2/88 –, in SozR 1500 § 12 Nr 6 insoweit nicht abgedruckt) dahinstehen kann, ob sie nach § 55 Abs 1 SGG überhaupt zulässig und die Beklagte der richtige Klagegegner wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173285

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