Leitsatz (amtlich)

1. Eine Erweiterung des Klagebegehrens ist in der Revisionsinstanz auch dann grundsätzlich unzulässig, wenn der Klagegrund unverändert bleibt.

2. Hat das Versorgungsamt an den Träger der Sozialversicherung eine schriftliche Anzeige nach BVG § 71a aF erstattet, so ist der dadurch kraft Gesetzes bewirkte Übergang der Ansprüche des Versorgungsberechtigten auf den Kostenträger der KOV nicht davon abhängig, daß ein Rückforderungsanspruch gegen den Versorgungsberechtigten nach KOV-VfG § 47 Abs 2 besteht.

 

Normenkette

SGG § 99 Abs. 3 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 168 Fassung: 1953-09-03; BVG § 71a Fassung: 1955-01-19; KOVVfG § 47 Abs. 2 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg von 29. Januar 1959 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Klägerin, deren Ehemann 1945 gefallen ist, erhielt auf Grund des Bescheides vom 12. September 1949 vom 1. März 1949 bis zum 30. September 1950 Witwenrente nach dem Württembergischen Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) und nach dem Bescheid vom 5. Juli 1952 vom 1. Oktober 1950 an Witwen-, Grund- und Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die Ausgleichsrente wurde mit Bescheid vom 30. November 1955 ab 1. Januar 1955 auf monatlich 48,- DM festgesetzt. Der Berechnung der Rente lag ein monatliches Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 105,- DM und aus Landwirtschaft und Hausbesitz in Höhe von 18,42 DM zugrunde.

Durch Bescheid vom 16. April 1956 wurde der Klägerin von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg rückwirkend ab 1. August 1955 Witwenrente aus der Invalidenversicherung ihres verstorbenen Ehemannes in Höhe von monatlich 53,40 DM bewilligt. Die für die Zeit vom 1. August 1955 bis zum 30. Juni 1956 zu zahlende Rente behielt die LVA wegen eventueller Aufrechnung mit überzahlter Versorgungsrente vorerst ein. Sie übersandte dem Versorgungsamt (VersorgA) einen Auszug des Rentenbescheides mit dem Hinweis, daß sie die einbehaltene Rente an die Klägerin auszahle, sofern nicht ein Ersatzanspruch geltend gemacht werde. Darauf zeigte das VersorgA der LVA mit Schreiben vom 23. Mai 1956 an, daß bei der Klägerin eine Überzahlung von 420,- DM festgestellt worden sei und daß in dieser Höhe ein Ersatzanspruch gemäß § 71 (richtig: 71a) BVG erhoben werde.

Mit Bescheid vom 29. Mai 1956 setzte das VersorgA die Ausgleichsrente ab 1. September 1955 auf monatlich 6,- DM fest. Gleichzeitig wurde der Klägerin mitgeteilt, daß der ihr für die Zeit vom 1. September 1955 bis zum 30. Juni 1956 zuviel gezahlte Betrag von 420,- DM gemäß § 71a BVG "als Ersatz" von der LVA zurückerstattet werde. Mit Widerspruch und Klage begehrte die Klägerin Auszahlung der von der LVA dem VersorgA erstatteten Teilbeträge der Ausgleichsrente für die Monate September und Oktober 1955, weil ihr die Witwenrente aus der Invalidenversicherung erst auf Grund des in Laufe des Oktober 1955 verabschiedeten Dritten Änderungsgesetzes zum Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz (SVAG) bewilligt worden sei. Den Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1956 nicht stattgegeben, die Klage durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Heilbronn vom 26. Februar 1957 abgewiesen.

Die vom SG zugelassene Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 29. Januar 1959 als unbegründet zurück. Streitig sei, ob der Beklagte berechtigt war, die rechtskräftig festgestellte Ausgleichsrente für die Monate September und Oktober 1955 wegen nachträglich eingetretener Änderung der Verhältnisse rückwirkend herabzusetzen und die hierdurch entstandene Überzahlung mit der der Klägerin zustehenden Nachzahlung der Witwenrente aus der Invalidenversicherung zu verrechnen. Dies habe das SG zu Recht bejaht. Zwar sei der Beklagte gemäß § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an den Bescheid vom 30. November 1955, durch den der Klägerin eine Ausgleichsrente von 48,- DM monatlich bewilligt wurde, gebunden. Diese Bindung gelte aber nur unter den Vorbehalt des Gleichbleibens der Verhältnisse, die der Bescheiderteilung zugrunde lagen. Nach § 62 BVG sei der Beklagte berechtigt, die Rente wegen Änderung der Verhältnisse herabzusetzen oder zu entziehen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. In den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin, die im November 1955 für die Rentenfestsetzung maßgebend waren, sei im April 1956 durch die rückwirkende Bewilligung der Witwenrente aus der Invalidenversicherung eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Beklagte habe deshalb die Ausgleichsrente neu festsetzen dürfen. Es sei auch nicht zu beanstanden, daß die Neufestsetzung ab 1. September 1955 vorgenommen wurde. Da nach § 41 Abs. 4 BVG die Höhe der Ausgleichsrente von dem sonstigen Einkommen der Witwe anhängig sei, stehe der Witwe Ausgleichsrente nur insoweit zu, als diese zusammen mit den sonstigen Einkommen die im Gesetz näher bestimmte monatliche Einkommensgrenze nicht übersteige. Hierbei komme es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, wann ihr die Witwenrente aus der Invalidenversicherung ausgezahlt wurde; vielmehr sei hei der Berechnung des Monatseinkommens die für den jeweiligen Monat "zustehende" Rente zu berücksichtigen. Wollte man bei Berechnung des Monatseinkommens das Einkommen im Zeitpunkt der Aufnahme der Rentenzahlung und der Anweisung der sogenannten Spitzrente (Nachzahlung der Rente für die zurückliegende Zeit) zugrunde legen, so würde dies eine nicht zu vertretende Besserstellung gegenüber solchen Versorgungsberechtigten bedeuten, deren Rente aus der Sozialversicherung bereits zu einem früheren Zeitpunkt festgestellt wurde, weshalb eine Kürzung der Ausgleichsrente schon früher eintrat. Im Interesse der gleichmäßigen Behandlung aller Versorgungsberechtigten könne daher bei der Feststellung des monatlichen Einkommens die Spitzrente nicht als Einkommen für den Monat gelten, in welchem sie tatsächlich gezahlt werde. Darüber hinaus berufe sich die Klägerin auch zu Unrecht darauf, daß die Rückforderung der zuviel gezahlten Ausgleichsrente für September und Oktober 1955 nicht zulässig sei, weil die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (VerwVG) nicht erfüllt seien. Diese Vorschrift bestimme nur, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltungsbehörde berechtigt sei, zu Unrecht empfangene Leistungen vom Versorgungsberechtigten unmittelbar zurückzufordern und sei im vorliegenden Falle deshalb nicht anwendbar. Abweichend von dieser Regelung lasse § 71a BVG Renten aus der Sozialversicherung, die die Höhe der Versorgungsleistungen beeinflussen, bereits kraft Gesetzes in bestimmtem Umfange auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung übergehen. Auf Grund dieser Vorschrift sei ein unmittelbarer Ausgleich der Überzahlung aus der dem Versorgungsberechtigten zustehenden Spitzrente möglich, ohne daß es einer Rückforderung gegenüber dem Versorgungsberechtigten bedürfe. Der Beklagte sei deshalb gemäß § 71a BVG berechtigt gewesen, die Überzahlung der Ausgleichsrente mit der Nachzahlung der Spitzrente für die Zeit ab 1. September 1955 bis 30. Juni 1956 zu verrechnen. Aber selbst wenn vor dem gesetzlichen Übergang der Spitzrente auf die Versorgungsverwaltung zu prüfen wäre, ob die Voraussetzungen für eine unmittelbare Rückforderung der Überzahlung gegeben seien, werde der Auffassung des SG zugestimmt, die Überzahlung sei hier gemäß § 47 Abs. 2 VerwVG zu Recht zurückgefordert worden. Der Klägerin sei ohne weiteres zuzumuten gewesen, den Betrag von 420,- DM dem Beklagten zurückzuerstatten, weil die Spitzrente höher sei als die Überzahlung und die Klägerin trotz der Rückzahlung des überhobenen Betrages wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werde als früher. Es komme somit nicht darauf an, ob die weiteren Tatbestände des § 47 Abs. 2 VerwVG erfüllt seien. Im übrigen sei die Auffassung der Klägerin rechtsirrig, die Überzahlung der Rente könne deshalb nicht zurückgefordert werden, weil ihr die Nachzahlung in September und Oktober 1955 nicht bekannt gewesen sei; denn für den Rückforderungsanspruch sei wesentlich, ob die Klägerin im Zeitpunkt des Empfanges der Nachzahlung wußte oder wissen mußte, daß ihr die Ausgleichsrente in der zurückliegenden Zeit ab 1. September 1955 nicht mehr in der bis dahin gewährten Höhe zustand. Die Klägerin sei in jedem Bescheid darauf hingewiesen worden, daß sie eine Änderung in den Einkommensverhältnissen anzumelden habe. Sie habe auch bei Empfang des Bescheides über die Bewilligung der Invalidenrente gewußt, daß die Änderung ihres Einkommens die Höhe der Ausgleichsrente beeinflusse und ihr die Versorgungsbezüge nicht in der bis dahin gezahlten Höhe zustanden.

Mit der zugelassenen Revision beantragte die Klägerin, unter Aufhebung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 29. Januar 1959 und des SG Heilbronn vom 26. Februar 1957 den Bescheid des Beklagten vom 29. Mai 1956 insoweit abzuändern, als die Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. September 1955 bis 30. April 1956 von 48,- DM auf 6,- DM monatlich herabgesetzt wurde und den Beklagten zu verurteilen, den Unterschiedsbetrag an die Klägerin auszuzahlen; hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Revision rügt Verletzung der §§ 60, 61, 62, 71a BVG, des § 47 VerwVG und des § 103 SGG. Zwar sei der Bescheid vom 29. Mai 1956 insoweit nicht zu beanstanden, als er auf Grund der Erhöhung des Einkommens der Klägerin die Ausgleichsrente wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse neu feststelle. Er sei jedoch rechtswidrig, soweit er für die Zeit vom 1. September 1955 bis zum 30. April 1956 einen Verrechnungsanspruch nach § 71a BVG begründe. Ein solcher Anspruch wäre nur gegeben, wenn die Klägerin für diesen Zeitraum Einkünfte bezogen hätte, die den Beklagten zu einer Minderung der Ausgleichsrente berechtigen würden. Die mit Bescheid vom 16. April 1956 rückwirkend ab 1. August 1955 bewilligte Witwenrente aus der Invalidenversicherung habe aber für die streitige Zeit deshalb nicht zu einer Hinderung der Ausgleichsrente führen können, weil insoweit kein Rückforderungsanspruch des Beklagten bestanden habe. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG seien nicht erfüllt. Die Klägerin, eine 1908 geborene einfache Frau ohne besondere Ausbildung und Rechtskenntnisse, habe weder gewußt noch wissen müssen, daß ihr bei Zahlung der Versorgungsbezüge in der Zeit vom 1. August 1955 bis zum 30. April 1956 die Ausgleichsrente nicht in der bisherigen Höhe von monatlich 48,- DM zustand. Für die Monate September und Oktober 1955 entfalle diese Voraussetzung überhaupt, weil das den Rentenanspruch der Klägerin aus der Invalidenversicherung begründende Änderungsgesetz zum SVAG erst mit Wirkung vom 3. Oktober 1955 verkündet worden sei. Für die folgende Zeit bis zur Bescheiderteilung an 16. April 1956 sei diese Voraussetzung deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin nach ihrem Bildungsstand und ihren Verhältnissen allein nicht fähig gewesen sei, zu prüfen, ob ihr nunmehr ein neuer Rentenanspruch zustehe und ob dieser Anspruch zu einer rückwirkenden Rentengewährung führe. Die nach § 47 Abs. 2 VerwVG erforderliche "Bösgläubigkeit" könne daher frühestens mit dem Empfang des Bescheides vom 16. April 1956 eingetreten sein. Die vom Bundessozialgericht (BSG) in BSG 5, 267 und vom LSG vertretene Ansicht, Zeitpunkt der Zahlung im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG sei der Zeitpunkt derjenigen Zahlung, die bewirke, daß eine Rente überzahlt sei, werde von der Klägerin nicht geteilt, weil sie gegen den eindeutigen Wortlaut und gegen die grammatikalische Interpretation dieser Vorschrift verstoße. Die Rückforderung sei auch nicht in Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin vertretbar. Das LSG habe die tatsächlichen Verhältnisse insoweit völlig außer Acht gelassen. Auch unter Berücksichtigung des restlichen Spitzenbetrages und der ab 1. Juli 1956 erhöhten Rente sei die Klägerin besonders ungünstig gestellt, weil sie in der vergangenen Zeit wegen ihrer geringfügigen Einkünfte die Anschaffung dringender Bedarfsgüter habe zurückstellen müssen. Wäre das LSG seiner Sachaufklärungspflicht aus § 103 SGG nachgekommen und hätte es die zur Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlichen Feststellungen durch Rückfrage bei der Klägerin, beim zuständigen Bürgermeister oder Finanzamt getroffen, dann hätte es die Rückforderung des einbehaltenen Betrages wirtschaftlich nicht für vertretbar gehalten. Zudem habe das LSG nicht beachtet, daß sich durch die Gewährung der Witwenrente aus der Invalidenversicherung die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin schon deshalb nicht besser gestalten konnten, weil dadurch jedenfalls ab 1. Mai 1856, eine Kürzung der Ausgleichsrente in gleicher Höhe eingetreten sei. An dieser Rechtslage ändere auch § 71a BVG nichts. Diese Vorschrift regele nur den Forderungsübergang im Wege der cessio legis; sie schaffe aber keine Rechtsgrundlage für die Forderung selbst, sondern setze einen Rückforderungsanspruch des Beklagten nach § 47 VerwVG voraus. Jede andere Auffassung führe zu dem unbilligen Ergebnis, daß die Versorgungsverwaltung über § 71a BVG Nachzahlungsbeträge aus anderen Versicherungszweigen in Anspruch nehmen könne, ohne eine rechtliche Grundlage dafür zu besitzen.

Der Beklagte beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er sieht Versorgungsleistungen von dem Zeitpunkt als zu Unrecht empfangen an, von dem ab sie nach den maßgeblichen Vorschriften nicht mehr gewährt werden durften. Für die Hinterbliebenen bestimme sich dieser Zeitpunkt nach § 61 Abs. 4 BVG, wonach die Minderung der Rente von Gesetzes wegen mit Ablauf des Monats eintrete, in dem die Voraussetzung für die bis dahin gewährten Bezüge weggefallen seien. Wenn somit die von der Klägerin in der bisherigen Höhe bezogene Hinterbliebenen-Ausgleichsrente ab September 1955 zu Unrecht empfangen worden ist, so müsse auch bejaht werden, daß die entsprechenden Ansprüche gemäß § 71a BVG auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung übergegangen seien. § 71a BVG regele nicht nur einen Forderungsübergang im Wege der cessio legis, sondern enthalte zugleich die Rechtsgrundlage für die Forderung selbst.

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und damit zulässig. Sachlich konnte sie keinen Erfolg haben.

Soweit sich das Revisionsbegehren gegen die Neufeststellung der Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. November 1955 bis zum 30. April 1956 richtet und auf Auszahlung des für diesen Zeitraum von der LVA an das VersorgA erstatteten Betrages geht, kann die Revision schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie eine nach § 168 SGG in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung enthält. Da die Klägerin im Berufungsverfahren Abänderung des Bescheides vom 29. Mai 1956 nur für die Monate September und Oktober 1955 und nur Auszahlung der für diesen Zeitraum dem VersorgA erstatteten Beträge beantragte, stellt der erst in Revisionsverfahren erhobene darüber hinausgehende Anspruch eine Erweiterung des Klageantrags dar, die sich zudem auf eine neue Begründung in tatsächlicher Hinsicht stützt. Diese ist im Revisionsverfahren jedoch, auch wenn der Klagegrund unverändert bleibt, nicht zulässig (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. SGb § 168; BGH in MDR 1961, 667 Nr. 9; Stein/Jonas/Schönke, ZPO 18. Aufl. § 268 VI; Wieczorek, ZPO § 559 D II). Zwar bestimmt § 99 Abs. 3 Ziff. 2 SGG, daß es als eine Änderung der Klage nicht anzusehen ist, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Für das Revisionsverfahren wird jedoch damit die Erweiterung des Klagebegehrens grundsätzlich nicht zugelassen. Nach § 162 Abs. 2 SGG hat das Revisionsgericht nur zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung bestimmter gesetzlicher Vorschriften beruht. Eine Änderung des Klagebegehrens in der Revisionsinstanz darf deshalb nicht zur Folge haben, daß das Revisionsgericht einen Sachverhalt zu würdigen hat, der der Beurteilung durch den Tatsachenrichter noch nicht unterlag, weil sich die Rechtskontrolle in einem solchen Falle nicht mehr auf die Entscheidung der Vorinstanz beschränken würde. Dies widerspräche dem Wesen der Revision. Sonach ist die in Revisionsantrag enthaltene Erweiterung des bisherigen Klagebegehrens hier unzulässig.

Die Revision ist aber auch nicht begründet, soweit die Klägerin Aufhebung des Bescheides vom 29. Mai 1956 in dem Umfange begehrt, als in ihm die Ausgleichsrente für die Monate September und Oktober 1955 herabgesetzt wurde, und soweit sie weiterhin die dem VersorgA von der LVA für diese beiden Monate gezahlten Beträge beansprucht. Der Beklagte ist berechtigt gewesen, die Ausgleichsrente für September und Oktober 1955 neu festzusetzen und sich die an die Klägerin zuviel gezahlte Ausgleichsrente für diese Monate von der LVA erstatten zu lassen.

Nach § 62 Abs. 1 BVG werden die Versorgungsbezüge neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentliche Änderung der Verhältnisse ist bei der Ausgleichsrente eine Erhöhung des sonstigen Einkommens um mehr als 5,- DM monatlich anzusehen (§ 62 Abs. 3 BVG). Erhöht sich das Einkommen über diesen Betrag, so ist die Hinterbliebenenausgleichsrente nach § 61 Abs. 4 Satz 2 BVG in der Fassung vom 7. August 1953 (DGBl I, 866) mit Ablauf des Monats zu kürzen, in den die Voraussetzungen für die bis dahin gewährten Bezüge weggefallen sind. Nach diesen Vorschriften hat der Beklagte die Ausgleichsrente vom 1. September 1955 an neu feststellen dürfen, weil der Klägerin die Witwenrente aus der Invalidenversicherung in Höhe von monatlich 53,40 DM rückwirkend ab 1. August 1955 gewährt wurde. Seit diesem Zeitpunkt hatte sich das sonstige Einkommen der Klägerin geändert; denn entscheidend für den Wegfall der Voraussetzungen des Bezuges der Ausgleichsrente in der bisherigen Höhe ist nicht der Zeitpunkt, in dem eine rückwirkend bewilligte Rente aus der Invalidenversicherung bezogen wird, sondern der Beginn des Zeitraums, für den diese Rente gezahlt wird (vgl. BSG 13, 56). Der Beklagte hat daher nach § 61 Abs. 4 Satz 2 (aF). § 62 Abs. 1 BVG die Witwenausgleichsrente vom 1. September 1955 an neu feststellen können.

Darüber hinaus ist der Beklagte auch berechtigt gewesen, sich von der LVA aus der der Klägerin für September und Oktober 1955 bewilligten Invaliden-Witwenrente den Betrag erstatten zu lassen, der der Klägerin für diesen Zeitraum als Ausgleichsrente zuviel gezahlt worden ist. Nachdem der Beklagte gegenüber der LVA mit Schreiben vom 23. Mai 1956 diesen Betrag geltend gemacht hatte, stand insoweit nur ihm und nicht mehr der Klägerin der Anspruch auf die Rentennachzahlung aus der Invalidenversicherung in Höhe der überzahlten Ausgleichsrente zu. Die Forderung der Klägerin ging auf den Beklagten in der von diesem geltend gemachten Höhe gemäß § 71a BVG in der Fassung des Zweiten Änderungsgesetzes zum BVG vom 7. August 1953 - BGBl I, 862 - (aF) über. Nach dieser Vorschrift kann das VersorgA, wenn der Versorgungsberechtigte für die Zeit, in der ihm Ausgleichsrente gewährt worden ist, Ansprüche an einen Träger der Sozialversicherung hat, durch schriftliche Anzeige an den Versicherungsträger bewirken, daß die Ansprüche insoweit auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung übergehen, als sie zu einer Minderung der Ausgleichsrente führen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, weil der Klägerin für die Monate September und Oktober 1955 eine Ausgleichsrente gewährt wurde, die ihr nach Bewilligung der Witwenrente aus der Invalidenversicherung nicht mehr zustand und weil das VersorgA der LVA eine schriftliche Überleitungsanzeige im Sinne des § 71a BVG (aF) übermittelt hatte.

Die Annahme der Klägerin, ein Forderungsübergang nach § 71a BVG (aF) trete nur ein, wenn dem VersorgA ihr gegenüber ein Rückforderungsanspruch in Höhe der überzahlten Ausgleichsrente gemäß § 47 Abs. 2 VerwVG zustehe, entspricht nicht dem Gesetz (ebenso Wilke in KOV 1954, 115, 116; a.A. Wudtke in KOV 1957, 54 ff; Teubner in KOV 1958, 167). Der Wortlaut des § 71a BVG (aF) sicht nicht vor, daß die Rückforderungsvoraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG erfüllt sein müssen. Es heißt hier im Gegenteil klar und eindeutig, daß durch die schriftliche Anzeige der Forderungsübergang bewirkt wird. Auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift läßt sich nicht ableiten, daß der Forderungsübergang nach § 71a BVG aF von einem Rückforderungsanspruch nach § 47 Abs. 2 VerwVG abhängig ist. § 71a BVG aF ist mit Wirkung vom 11. August 1953 ab in das Gesetz eingefügt worden, um einen Forderungsübergang insoweit sicherzustellen, als sich durch Nachzahlung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung Überzahlungen an Ausgleichs- oder Elternrenten für dieselbe Zeit ergeben. Später ist dies auch auf Nachzahlungen der gesamten Sozialversicherung sowie der öffentlich-rechtlichen Dienstherren und öffentlich-rechtlichen Kassen ausgedehnt worden (BVG in der Fassung vom 19. Januar 1955 (BGBl I, 25). Mit der Vorschrift des § 71a BVG aF sollte eine sonst notwendige Wiedereinziehung der überhobenen Versorgungsbezüge, die den Empfänger in der Regel weit schwerer (als eine Verrechnung) trifft, sowie unnötige Verwaltungsarbeit vermieden werden (vgl. Schriftl. Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen - 26. Ausschuß - über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode, Drucksache 4493). Daß der in § 71a BVG aF geregelte Forderungsübergang nur dann eintreten sollte, wenn ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Versorgungsberechtigten bestand, ist in dem genannten Bericht, der allein eine Begründung für die Einfügung dieser Vorschrift enthält, nicht erwähnt. Auch aus allgemeinen Erwägungen läßt sich diese Auffassung der Revision nicht rechtfertigen. Begrifflich setzt der gesetzliche Forderungsübergang nur den Bestand derjenigen Forderung voraus, die kraft Gesetzes übertragen wird. Einen förmlichen materiellen Anspruch desjenigen, der durch die Forderungsübertragung kraft Gesetzes neuer Gläubiger der Forderung wird, gegen den bisherigen Gläubiger dieser Forderung erfordert die cessio legis dagegen nicht. Auch der subsidiäre Charakter einer dem bisherigen Gläubiger erbrachten Leistung vermag den Forderungsübergang auf den Leistungsträger als neuen Gläubiger zu rechtfertigen, wem die rechtzeitige Erfüllung dieser Forderung zum Wegfall der subsidiären Leistung geführt hätte (vgl. § 90 Bundessozialhilfegesetz; § 1542 RVO). Das trifft im vorliegenden Falle zu. Die Ausgleichsrente wäre der Klägerin nicht in der tatsächlich gewährten Höhe ausgezahlt worden, wenn ihre Invalidenrente schon ab 1. August 1955 gezahlt und nicht erst im Jahre 1956 rückwirkend ab 1. August 1955 bewilligt worden wäre. Die Invalidenwitwenrente wäre dann als sonstiges Einkommen (§§ 41 Abs. 4 und 6 aF, 33 Abs. 2 BVG) angesehen worden und hätte zur Herabsetzung der Ausgleichsrente geführt, weil dieser Anspruch gegenüber dem sonstigen Einkommen der Klägerin subsidiär gewesen wäre. Aus diesem Grunde erscheint es richtig, daß der Gesetzgeber den Forderungsübergang nach § 71a BVG nicht vom Bestehen eines förmlichen materiellen Anspruchs des neuen Gläubigers gegen den bisherigen Gläubiger, also nicht vom Rückforderungsanspruch nach § 47 Abs. 2 VerwVG abhängig gemacht hat.

Auch der gesetzgeberische Zweck des § 71a BVG aF vermag die Auslegung der Revision nicht zu stützen. Vielmehr würde das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel nicht erreicht, wenn der Forderungsübergang nur einträte, sofern dem VersorgA ein unstreitiger Anspruch auf Rückgewähr der zuviel gezahlten Ausgleichsrentenbeträge gegen den Versorgungsberechtigten nach Maßgabe des § 47 Abs. 2 VerwVG zustände. Der gesetzliche Forderungsübergang sollte gerade verhindern, daß der Versorgungsberechtigte bei unstreitiger Überzahlung von Ausgleichsrente für die einzelnen Monate in den Besitz von Nachzahlungen gelangt, die er zu einem erheblichen Teil wieder zurückerstatten müßte. Aus diesem Grunde wird bereits der Nachzahlungsanspruch des Berechtigten in Höhe der zuviel gezahlten Bezüge von der cessio legis erfaßt, so daß insoweit ein Rückforderungsanspruch der Versorgungsbehörde gegenüber den Berechtigten entfällt.

Es ist im übrigen auch durchaus sinnvoll, daß der Anspruch des Versorgungsberechtigten gegen einen Träger der Sozialversicherung auch dann in Höhe der für dieselbe Zeit überzahlten Ausgleichsrente auf das VersorgA übergeht, wenn die speziellen Voraussetzungen für einen Rückforderungsanspruch gegen den Versorgungsberechtigten nach § 47 Abs. 2 VerwVG im einzelnen nicht voll erfüllt sind. § 47 Abs. 2 VerwVG versagt der Versorgungsbehörde einen Rückforderungsanspruch, wenn dem Versorgungsberechtigten die Rückzahlung des zu Unrecht gezahlten Betrages nicht zuzumuten ist und regelt im einzelnen die Grenzen der Zumutbarkeit. § 47 Abs. 2 VerwVG bezweckte somit die Vermeidung von Härten, die dadurch entstehen, daß ein Versorgungsberechtigter eine Nachzahlung erhalten und in guten Glauben ganz oder teilweise darüber verfügt hat. Solche Härten scheiden aber aus, wenn und soweit der Berechtigte gemäß § 71a BVG aF eine Nachzahlung gar nicht erhält; hat er die Nachzahlung nicht erhalten, so kann sie schon begrifflich von ihm nicht "zurückgefordert" werden. Die Vorschrift des § 47 Abs. 2 VerwVG erfaßt aber nach ihrem eindeutigen Wortlaut gerade und nur die Fälle, in denen eine Leistung unmittelbar vom Versorgungsberechtigten oder -empfänger gefordert wird. Sie gilt mithin dann nicht, wenn die Leistung von einem Dritten auf Grund eines gesetzlichen Forderungsübergangs - wie auch bei einer Abtretung - beansprucht wird, auch wenn sich dies auf die Vermögensverhältnisse des Versorgungsberechtigten auswirkt.

Aus allen diesen Gründen kann der in § 71a BVG aF geregelte Forderungsübergang nicht von Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG abhängig gemacht werden. Die von der Revision erhobenen Rügen, das LSG habe § 47 Abs. 2 VerwVG bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzung des § 71a BVG aF zu Unrecht nicht angewandt, und außerdem gegen die §§ 60, 61, 62 und 71a BVG verstoßen, greifen deshalb nicht durch (§ 60 gilt nur für Beschädigtenrente, Heilbehandlung und berufliche Ausbildung).

Die Revision kann aber auch keinen Erfolg haben, soweit die Klägerin weiterhin eine unrichtige Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG und im Zusammenhang damit eine Verletzung des § 103 SGG rügt. Auf einer Gesetzesverletzung dieser Vorschriften beruht das angefochtene Urteil nicht, weil die auf die §§ 61, 62, 71a BVG aF gestützte Entscheidung nicht zu beanstanden ist und damit die von der Revision mit den Rügen nach §§ 47 Abs. 2 VerwVG, 103 SGG angegriffene Hilfsbegründung des LSG - selbst wenn sie unrichtig wäre - die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beeinflussen vermag. Die Revision war deshalb nach § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 12

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge