Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaub. Urlaubsentgelt. Urlaubsabgeltung. Einmalzahlung. einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Arbeitsentgelt. laufendes Arbeitsentgelt. aufgestautes Arbeitsentgelt. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Krankengeld, Berechnung des

 

Leitsatz (amtlich)

Die Urlaubsabgeltung ist einmalig gezahltes Arbeitsentgelt iS von § 385 Abs 1a RVO (§ 227 SGB V) und daher bei der Berechnung des Krankengeldes nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

RVO §§ 182, 385 Abs. 1a; SGB IV § 14

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 18.08.1992; Aktenzeichen L 1 Kr 38/92)

SG Lübeck (Urteil vom 16.01.1990; Aktenzeichen S 7 Kr 4/89)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. August 1992 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob dem Kläger für die Zeit vom 18. Dezember 1986 bis 9. April 1987 ein unter Berücksichtigung einer Urlaubsabgeltung berechnetes höheres Krankengeld zusteht.

Der als Akustik-Monteur beschäftigte Kläger wurde zum 16. Dezember 1986 wegen Betriebsstillegung von seinem Arbeitgeber gekündigt. Nach dem Bezug von Konkursausfallgeld (Kaug) für die Zeit vom 17. September bis 16. Dezember 1986 war er vom 17. Dezember 1986 bis 9. April 1987 arbeitsunfähig krank. Bei der Berechnung seines ab 18. Dezember 1986 gewährten Krankengeldes legte die Beklagte die Arbeitsentgelte aus den Monaten September bis November 1986 zugrunde. Den Antrag des Klägers, ihm unter Einbeziehung der (bei der Berechnung des Kaug für November 1986 berücksichtigten) zwölf Tage umfassenden Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.569,60 DM ein höheres Krankengeld zu zahlen, lehnte die Beklagte ab, weil die Urlaubsabgeltung als einmalige Zuwendung bei der Berechnung des Regellohns außer Betracht zu bleiben habe (Bescheid vom 21. Juli 1988; Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1989).

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage auf Berücksichtigung der Urlaubsabgeltung stattgegeben (Urteil des SG Lübeck vom 16. Januar 1990). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 25. September 1990). Auf die Revision des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) dieses Urteil wegen eines Verfahrensmangels iS von § 551 Nr 7 der Zivilprozeßordnung (ZPO) iVm § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (Urteil vom 13. Mai 1992 – 1 RK 29/91 –). Mit Urteil vom 18. August 1992 hat das LSG seine frühere Entscheidung wiederholt und die Abweisung der Klage im wesentlichen damit begründet: Die Urlaubsabgeltung sei weder nach § 182 Abs 5 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) noch nach Satz 3 dieser Vorschrift bei der Berechnung des Regellohns zu berücksichtigen, weil das Entgelt nach beiden Bestimmungen um “einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (§ 385 Abs 1a RVO)” zu vermindern sei. Ob die Urlaubsabgeltung Arbeitsentgelt sei oder ob sie als besondere Entschädigung für nicht gewährten Urlaub zu qualifizieren sei, könne offenbleiben. Selbst wenn sie Arbeitsentgelt wäre, werde sie nicht für die Arbeit in einem einzelnen Lohnabrechnungszeitraum gezahlt. Sie sei vielmehr Surrogat für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zu verwirklichenden Urlaubsanspruch und habe daher keinen Bezug zu einem einzelnen Lohnabrechnungszeitraum. Aus der Beitragsbelastung der Urlaubsabgeltung ergebe sich nichts anderes.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 182 RVO. Er hält daran fest, daß die Urlaubsabgeltung bei der Berechnung des Regellohns berücksichtigt werden müsse, weil es sich nicht um einmaliges Arbeitsentgelt, sondern um laufendes (aufgestautes) Arbeitsentgelt handele, das den Lohnabrechnungszeiträumen zuzuordnen sei, in denen der abgegoltene Urlaub zu gewähren gewesen wäre. Die Urlaubsabgeltung entspreche der Vergütung, die im Urlaub erzielt worden wäre und sei wie diese laufendes Arbeitsentgelt und nicht etwa – einmalige – Entschädigung für nicht gewährten Urlaub.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. August 1992 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 16. Januar 1990 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger kann nicht verlangen, daß ihm für die Zeit vom 16. Dezember 1986 bis 9. April 1987 ein höheres Krankengeld unter Berücksichtigung einer aus Anlaß der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zustehenden Urlaubsabgeltung gewährt wird.

Nach dem hier noch anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 1988 in Kraft gewesenen § 182 RVO (aF), der gemäß § 508 Satz 2 RVO auch für die Mitglieder von Ersatzkassen galt, beträgt das Krankengeld 80 vH des wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regellohn; Abs 4 Satz 1), darf jedoch das entgangene Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen (Abs 4 Satz 2). Für Versicherte, die – wie der Kläger – Arbeitnehmer sind, richtet sich die Berechnung des Regellohns nach Abs 5 (vgl Abs 4 Satz 3). Für beide der in Abs 5 vorgesehenen Berechnungsarten ist bestimmt, daß das im maßgeblichen Bemessungszeitraum erzielte Entgelt “um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (§ 385 Abs 1a)” zu vermindern ist (Sätze 1 und 3 des § 182 Abs 5, jeweils idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 ≪HBegleitG≫ vom 22. Dezember 1983, BGBl I S 1532). Die in Bezug genommene, ebenfalls durch das HBegleitG 1984 eingefügte Regelung des § 385 Abs 1a RVO definiert in ihrem Satz 1 einmalig gezahltes Arbeitsentgelt als “dem Arbeitsentgelt zuzurechnende Zuwendungen, die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Abrechnungszeitraum gezahlt werden”.

Das LSG hat – der Beklagten folgend – als maßgebenden Bemessungszeitraum die letzten drei (nach Angabe des früheren Arbeitgebers vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten) Lohnabrechnungszeiträume September, Oktober und November 1986 angesehen und ausgeführt, daß die Berücksichtigung des in diesem Zeitraum erzielten Entgelts angesichts der schwankenden Bezüge des Klägers zur Vermeidung von Zufallsergebnissen gerechtfertigt sei. Der erkennende Senat läßt ausdrücklich offen, ob überhaupt ein derart erweiterter Bemessungszeitraum (ablehnend BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 7) oder auch nur der Monat November 1986, dem die streitige Urlaubsabgeltung bei der Berechnung des Kaug zugeordnet worden ist, bei der Berechnung des Krankengeldes herangezogen werden durfte. Denn das in diesem Zeitraum erarbeitete Entgelt ist wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht gezahlt worden. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung darauf abgestellt, daß Arbeitsentgelt iS des § 182 Abs 5 RVO nur dann “erzielt” ist, wenn es dem Versicherten im maßgeblichen Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossen, dh in seine Verfügungsgewalt gelangt ist (BSGE 46, 203 = SozR 2200 § 1241 Nr 9; BSG SozR 2200 § 1241 Nrn 15, 18, 22; BSGE 52, 102 = SozR 2200 § 182 Nr 75; weniger deutlich BSG SozR 2200 § 182 Nr 99). Vorliegend hat der Kläger anstelle des ausgefallenen Arbeitsentgelts Kaug erhalten, das als einkommensteuerfreie öffentlich-rechtliche Leistung der sozialen Sicherung nicht (wie etwa die Lohnfortzahlung) dem Arbeitsentgelt gleichsteht und auch nicht die vom Schuldner nicht erbrachte Leistung bewirkt. Ob es gleichwohl nach dem Sinn des § 182 Abs 5 RVO aF für die Berechnung des Krankengeldes ausreicht, daß die Anspruchsvoraussetzungen für die Auszahlung des Arbeitsentgelts im jeweiligen Abrechnungszeitraum erfüllt gewesen sind, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung (vgl dazu im einzelnen Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II, S 394d mwN; kritisch hinsichtlich der strengen Anwendung des Zuflußprinzips auch BSG SozR 2100 § 14 Nr 9 im Zusammenhang mit jährlich wiederkehrenden Sonderleistungen). Denn auch dann, wenn die für den angenommenen Bemessungszeitraum abgerechneten Entgeltansprüche iS von § 182 Abs 5 RVO aF als “erzielt” zu gelten hätten, und dies auch für die (bei der Berechnung des Kaug dem Monat November 1986 zugeordnete) Urlaubsabgeltung für 12 Tage zuträfe, könnte die Urlaubsabgeltung weder anteilig noch in vollem Umfang bei der Berechnung des Krankengeldes berücksichtigt werden. Die Urlaubsabgeltung ist nämlich einmalig gezahltes Arbeitsentgelt iS von § 385 Abs 1a RVO iVm § 182 Abs 5 RVO aF und bleibt daher schon deshalb bei der Berechnung des Krankengeldes unberücksichtigt.

Die Urlaubsabgeltung ist “Arbeitsentgelt” im Sinne der vorgenannten Bestimmungen. Was zum Arbeitsentgelt gehört, bestimmt sich für alle Versicherungszweige der Sozialversicherung einheitlich nach § 14 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV). Danach gehören zum Arbeitsentgelt alle laufenden und einmaligen Einnahmen, die unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Urlaubsabgeltung steht in unlösbarem Zusammenhang mit der Beschäftigung, denn sie wird nur gezahlt, wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann (§ 7 Abs 4 des Bundesurlaubsgesetzes ≪BUrlG≫), also ein Urlaubsanspruch während der Beschäftigung erworben worden ist. Die Urlaubsabgeltung ist ein Surrogat für den Urlaubsanspruch und tritt an die Stelle der bezahlten Freizeit (BSGE 56, 208, 210 = SozR 2200 § 189 Nr 4; BSG SozR 2200 § 189 Nr 5; BAG AP Nrn 14, 26, 39 zu § 7 BUrlG-Abgeltung). Hat sie insoweit die gleiche Funktion wie der Urlaubsanspruch (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 4 S 22), so kann es für ihre Eigenschaft als Arbeitsentgelt auch nicht entscheidend sein, ob sie während des noch fortbestehenden Arbeitsverhältnisses oder nach dessen Beendigung gezahlt wird und wann der Abgeltungsanspruch entsteht. Insoweit besteht Übereinstimmung, daß der Abgeltungsanspruch nicht erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht, sondern – als Surrogat des Urlaubsanspruchs – bereits mit dessen Entstehung, jedoch aufschiebend bedingt für den Fall der Nichtgewährung des Urlaubs (BSGE 45, 191, 193 = SozR 4100 § 141b Nr 5).

Auch verliert die Urlaubsabgeltung ihren Charakter als Arbeitsentgelt nicht aufgrund ihres Zwecks, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu verschaffen, eine dem Urlaub entsprechende Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Erholung zu nutzen (BSG SozR 2200 § 189 Nr 5; BAG AP Nr 14 zu § 7 BUrlG-Abgeltung). Auch wenn sie sich nach ihrem Zweck auf eine Zeit nach dem beendeten Beschäftigungsverhältnis bezieht, bleibt sie gleichwohl eine Einnahme aus dieser Beschäftigung, weil sie an die Stelle des während der Beschäftigung erworbenen Urlaubsanspruchs tritt und diesen ersetzt. Dadurch unterscheidet sie sich von Abfindungen, die dem Arbeitnehmer als Entschädigung für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten (für den Verlust des Arbeitsplatzes) gezahlt werden und die nicht als (beitragspflichtiges) Arbeitsentgelt angesehen werden können, weil sie ihre Grundlage nicht mehr in der beendeten Beschäftigung haben (BSGE 66, 219 = SozR 3-2400 § 14 Nr 2; BSG SozR 2200 § 587 Nr 7 und BAG AP § 10 KSchG 1969 Nr 6 mit zustimmender Anm von Brackmann). Demgegenüber hat die Urlaubsabgeltung als Surrogat für entgangenen Urlaub ihre Grundlage in dem beendeten Arbeitsverhältnis (vgl dazu auch BSGE 66, 219, 221). Die Urlaubsabgeltung ist im übrigen steuerpflichtig und ist daher auch nicht aufgrund des § 1 der Arbeitsentgelt-Verordnung vom Arbeitsentgelt ausgenommen.

Trotz ihres Bezuges zu dem während des Arbeitsverhältnisses erworbenen Urlaubsanspruch ist die Urlaubsabgeltung nicht – wie die Revision meint – “laufendes” Arbeitsentgelt, sondern “einmalig gezahltes Arbeitsentgelt” iS von § 385 Abs 1a RVO (jetzt § 227 SGB V); denn sie gehört zu den “Zuwendungen, die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Lohn- bzw Gehaltsabrechnungszeitraum gezahlt werden”. Mit dieser Definition sind alle Teile des Arbeitsentgelts gemeint, die nicht laufend gezahlt werden, die also nicht – wie das laufende Arbeitsentgelt – jeweils einem einzelnen, dh einem bestimmten Lohnabrechnungszeitraum als Vergütung für geleistete Arbeit zuzurechnen sind (vgl zur Auslegung BSG SozR 2200 § 385 Nr 22 S 115 f).

Die Zuordnung der Urlaubsabgeltung zum laufenden Arbeitsentgelt kann insbesondere nicht – wie die Revision meint – daraus hergeleitet werden, daß das ihr zugrundeliegende Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG) Teil des laufenden Arbeitsentgelts ist (BSGE 53, 58, 60). Das Urlaubsentgelt, das dem Arbeitnehmer für die Dauer des Urlaubs gezahlt wird, ist zwar nichts anderes als die Fortzahlung des Lohns für die Urlaubszeit (vgl Bleistein in Stahlhacke/Bachmann/Bleistein, GK-BUrlG, § 1 Anm 75 mwN). Diesen Charakter als Teil des laufenden Arbeitsentgelts hat die Urlaubsvergütung aber nur dann, wenn sie tatsächlich während der angetretenen Freizeit gezahlt wird. Ist das nicht der Fall, weil der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (ganz oder teilweise) nicht mehr genommen werden kann, tritt an die Stelle der Fortzahlung des Arbeitsentgelts während des Urlaubs die Urlaubsabgeltung, die auf einer besonderen Rechtsgrundlage beruht und typischerweise eine Einmalzahlung ist, die nicht regelmäßig und nicht für die üblichen Lohnabrechnungszeiträume geleistet wird (so bereits BSGE 26, 68, 70 = SozR Nr 21 zu § 160 RVO zur Rechtslage vor 1982). Die Urlaubsabgeltung kann auch nicht etwa zu je einem Zwölftel auf jeden Monat des Jahres verteilt werden. Diese Möglichkeit ist bereits von der Rechtsprechung des BSG für die Einordnung des Anspruchs auf Urlaubsentgelt ausgeschlossen worden (vgl BSGE 43, 49, 50 f = SozR 4100 § 141b Nr 2), so daß für die Urlaubsabgeltung insoweit nichts anderes gelten kann (BSGE 45, 191, 196 = SozR 4100 § 141b Nr 5). Sie ist deshalb auch nicht dem sog aufgestauten Arbeitsentgelt vergleichbar, das jeweils als Vergütung für die Arbeit in mehreren einzelnen Lohnabrechnungszeiträumen gezahlt wird, aber – im Hinblick auf Besonderheiten des Abrechnungsverfahrens – später in einer Summe ausgezahlt wird (zB Akkordspitzen, Montagebeteiligungen, Nachzahlung von Arbeitsentgelt bei Mehrarbeit, vgl BSG SozR 2200 § 385 Nr 22). Die Urlaubsabgeltung ist nicht die in einer Summe ausgezahlte, monatlich “verdiente” Urlaubsvergütung; sie ist vielmehr Ersatz für das während des Urlaubs zustehende Entgelt, weil der Urlaubsanspruch nicht mehr erfüllt werden kann.

Im übrigen kann der Senat offenlassen, ob die Urlaubsabgeltung – unabhängig von der zugrundeliegenden Urlaubsvergütung – überhaupt einem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden kann und ggf für welchen Zeitraum sie bei nicht gewährter Freizeit gezahlt wird. Denn in keinem Falle wäre sie dem hier maßgeblichen Bemessungszeitraum, insbesondere auch nicht dem Monat November 1986, zuzuordnen. Wäre – wie beim Urlaubsentgelt – auf den Zeitraum abzustellen, für den die Urlaubsabgeltung zum Lebensunterhalt bestimmt ist (BSGE 43, 49, 51; 45, 191, 195), könnte dies nach dem Zweck der Urlaubsabgeltung nur ein Zeitraum sein, in dem der Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses unbezahlte Freizeit zu Erholungszwecken nimmt. Ob eine solche Zuordnung für Zeiten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses schon deshalb ausscheidet, weil der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, den Abgeltungsbetrag für Erholungszwecke zu verwenden (so BSGE 45, 191, 195), kann offenbleiben. Jedenfalls bliebe eine solche Zuordnung bei der Berechnung des Krankengeldes unberücksichtigt, wenn eine nachträglich genommene Freizeit – wie im vorliegenden Fall – nicht in den maßgebenden Bemessungszeitraum fallen könnte. Das gleiche würde gelten, wenn die Urlaubsabgeltung – wie nach dem speziellen Sinn und Zweck der Kaug-Versicherung zu § 141b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) angenommen wird (BSGE 45, 191 = SozR 4100 § 141b Nr 5) – der Zeit vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugeordnet und auf die letzten Tage des Arbeitsverhältnisses verteilt würde, die der abzugeltenden Urlaubsdauer entsprechen. Auch dann bliebe die dem Kläger für 12 Tage zustehende Urlaubsabgeltung unberücksichtigt, weil sie bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 16. Dezember 1986 auf die vorangehenden 12 Tage in diesem Monat entfiele, der aber außerhalb des Bemessungszeitraums liegt.

Im übrigen spricht auch die Rechtsentwicklung, die die versicherungsrechtliche Behandlung der Urlaubsabgeltung seit 1982 genommen hat, dafür, daß diese Leistung seit 1. Januar 1986 jedenfalls in der Krankenversicherung nicht mehr einem bestimmten Zeitraum, sondern – als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt – einem Zeitpunkt zugeordnet wird. Durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG vom 22 Dezember 1981, BGBl I 1497) war der Urlaubsabgeltung mit Wirkung ab 1. Januar 1982 eine mitgliedschafts- und beitragsrechtliche Sonderstellung eingeräumt worden: Die Urlaubsabgeltung wurde als Leistung für einen bestimmten Zeitraum angesehen, nämlich für den an die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses anschließenden Zeitraum, der der Zahl der abzugeltenden Urlaubstage entspricht (vgl dazu BSGE 56, 208, 209 = SozR 2200 § 189 Nr 4; SozR 2200 § 189 Nr 5). Dazu war in der Krankenversicherung die Mitgliedschaft, in der Renten- und Arbeitslosenversicherung das Beschäftigungsverhältnis, für einen entsprechenden Zeitraum als fortbestehend fingiert worden (§ 311 Satz 3 RVO, § 1227 Abs 2 RVO = § 2 Abs 3 AVG, § 168 Abs 1 Satz 2 AFG, sämtlich idF des AFKG). Sämtliche dieser Regelungen, die die Urlaubsabgeltung einer verstärkten Beitragspflicht unterworfen hatten, sind jedoch mit Wirkung ab 1. Januar 1986 durch das 7. Änderungsgesetz zum AFG (7. ÄndG-AFG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) wieder aufgehoben worden. Ihre Aufhebung erschien dem Gesetzgeber insbesondere auch deswegen tragbar, weil die beitragsrechtlichen Nachteile, die vor 1982 für die Versicherten mit dem Erhalt einer Urlaubsabgeltung verbunden waren, inzwischen durch die Neuregelung des § 385 Abs 1a RVO im wesentlichen bereits beseitigt waren (durch das HBegleitG 1984, aaO, in Kraft seit dem 1. Januar 1984; vgl dazu auch BSG SozR 2200 § 405 Nr 11 S 38 ff). In der Begründung zum 7. ÄndG-AFG heißt es dazu ausdrücklich: “Nachteile im sozialen Schutz der Versicherten treten durch die Änderung praktisch nicht ein. Nach der verstärkten Einbeziehung von Einmalzahlungen in die Beitragspflicht sind Urlaubsabgeltungen als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt beitragspflichtig in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung” (vgl BT-Drucks 10/4211, S 28 zu Nr 37). Daraus wird deutlich, daß der Gesetzgeber die Urlaubsabgeltung seit 1986 als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt iS von § 385 Abs 1a Satz 1 RVO ansieht und sie – wie vor 1982 – zwar grundsätzlich wieder dem Lohnabrechnungszeitraum der Auszahlung zuordnet, jedoch beitragsrechtlich auf einen längeren Zeitraum verteilt (vgl § 385 Abs 1a Sätze 3 und 4 RVO aF).

Ist demnach die Urlaubsabgeltung dem einmalig gezahlten Arbeitsentgelt iS von § 385 Abs 1a RVO aF zuzurechnen, so ist sie zwar in den Grenzen dieser Regelung beitragspflichtig, gleichzeitig aber infolge der ausdrücklichen Inbezugnahme dieser Vorschrift in § 182 Abs 5 RVO aF bei der Leistungsbemessung unberücksichtigt zu lassen, selbst wenn sie im maßgeblichen Bemessungszeitraum erzielt worden ist. Das entspricht dem Zweck des § 182 RVO aF, bei der Berechnung des Krankengeldes nur das “regelmäßige” Arbeitsentgelt zugrunde zu legen und ist im übrigen verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn das Versicherungsprinzip und die daraus folgende Relation zwischen Beitrag und Leistung gelten im Bereich der Sozialversicherung nicht in dem strengen Sinne, daß sich die Leistungsbemessung ausnahmslos an den Grundlagen für die Beitragsberechnung auszurichten hätte (vgl BSG SozR 2200 § 1241 Nr 18 S 66 mwN).

Nach allem konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI915577

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