Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 15.11.1976)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. November 1976 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen Ansprüche auf Urlaubsabgeltung (hier 23 Urlaubstage) bei der Gewährung von Konkursausfallgeld (Kaug) zu berücksichtigen sind.

Der Kläger war seit dem 10. April 1972 bei der Firma Karl A. GmbH & Co KG in Bad E. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Schreiben vom 5. August 1974 „wegen Auflösung des Betriebes” ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 21. August 1974 gekündigt. Seit diesem Zeitpunkt – August 1974 – hat der Kläger nicht mehr bei seinem Arbeitgeber gearbeitet. Er meldete sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg), das ihm auch gewährt wurde. In einem anschließenden Arbeitsrechtsstreit wurde am 6. September 1974 durch Versäumnisurteil entschieden, daß das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Am 2. September 1974 trat der Kläger eine neue Arbeitsstelle an. Am 13. September 1974 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma A. mangels Masse abgewiesen.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger Kaug für den bis 1. September 1974 rückständigen Lohn, lehnte aber die Berücksichtigung der geltend gemachten Urlaubsabgeltungsbeträge – für Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld – ab, weil der Anspruch hierauf nicht vor Ablehnung des Antrags auf Konkurseröffnung entstanden sei (Bescheid vom 4. Februar 1975). Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid 24. Oktober 1975; Urteil des Sozialgerichts –SG– Koblenz, vom 4. Mai 1976; Urteil des Landessozialgerichts –LSG– Rheinland-Pfalz vom 15. November 1976).

Das LSG hat ebenfalls die Auffassung vertreten, daß für Ansprüche auf Urlaubsabgeltung Kaug nur dann gewährt werden könne, wenn sie in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses vor Konkurseröffnung (§ 141 b Abs. 1 AFG) entstanden seien. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das sei hier der 30. September 1974 (Ende der ordentlichen Kündigungsfrist). Durch das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz stehe fest, daß das Arbeitsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt geendet habe, in dem der Konkursantrag mangels Masse abgewiesen worden sei. Aus der Tatsache, daß der Kläger bereits ab 2. September 1974 wieder in einem neuen Arbeitsverhältnis gestanden habe, ergebe sich kein Anhalt für eine rechtliche Beendigung des hier in Rede stehenden früheren Arbeitsverhältnisses. Selbst wenn in der Kündigung des Arbeitgebers das Angebot zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages gesehen werden könne, habe der Kläger dieses weder ausdrücklich noch stillschweigend angenommen. Auch die Tatsache, daß sich der Kläger möglicherweise die Arbeitspapiere habe aushändigen lassen, um eine neues Arbeitsverhältnis einzugehen, lasse nicht den Villen erkennen, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Mit der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses sei der Kläger lediglich seiner Schadensminderungspflicht (§ 11 Nr. 1 und 2 des Kündigungsschutzgesetzes –KSchG–) nachgekommen. Auch von der Möglichkeit, binnen einer Woche nach Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils durch einseitige Erklärung die Fortsetzung des früheren Arbeitsverhältnisses abzulehnen (§ 12 KSchG), habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 141 b AFG. Er führt dazu aus: Für die Berücksichtigung von Urlaubsabgeltungsansprüchen bei der Gewährung von Kaug komme es nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an, sondern darauf, wann der Urlaubsanspruch entstanden sei, der abgegolten werden müsse. Der Urlaubsanspruch des Klägers sei nach sechsmonatiger Wartezeit am 30. Juni 1974 entstanden. Entsprechend sei der Abgeltungsanspruch im Rahmen des Kaug zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 1975 zu verurteilen, ihm Kaug auch für seine Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und Abgeltung zusätzlichen Urlaubsgeldes für das Jahr 1974 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt dazu, daß das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist – entgegen der Auffassung des LSG – im Rahmen der Regelung des Kaug (§ 141 a ff AFG) nicht als Anspruch für den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzusehen, sondern als Anspruch für die letzten, der abzugeltenden Urlaubsdauer entsprechenden Tage des Arbeitsverhältnisses.

Nach § 141 b Abs. 1 iVm § 141 a AFG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Ausgleich seines ausgefallenen Arbeitsentgelts, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Der Eröffnung des Konkursverfahrens steht bei der Anwendung der Vorschriften über das Kaug die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse gleich (§ 141 b Abs. 3 Nr. 1 AFG).

Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst a KO sein können (§ 141 b Abs. 2 AFG). Dazu rechnen die rückständigen Ansprüche des Arbeitnehmers auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner. Unter Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift ist alles zu verstehen, was als Gegenwert für die Arbeitsleistung anzusehen ist (Böhle-Stamschräder, KO 12. Aufl, § 59 Anm. 5 a). Dazu gehört auch die Urlaubsabgeltung (vgl. Mentzel/Kuhn, KO, 8. Aufl, § 59 Rz 15 a und § 61 Rz 47 a; Boldt/Röhsler, Bundesurlaubsgesetz, –BUrlG– § 7 Rz 86). Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß dem Kläger für die ausgefallene Urlaubsabgeltung Kaug nur gewährt werden kann, wenn der Abgeltungsanspruch bereits bei Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse über das Vermögen des Arbeitgebers des Klägers am 13. September 1974 für die letzten der Ablehnung vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses bestanden hat (§ 141 b Abs. 1 iVm Abs. 3 Nr. 1 AFG). Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber angenommen, daß ein Urlaubsabgeltungsanspruch erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht. Mit dieser Rechtsauffassung befindet sich das LSG allerdings in Übereinstimmung mit der bisher herrschenden Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung (vgl. Stahlbacke BUrlG 3. Aufl, § 1 Anm. 113, Boldt/Röhsler, § 7 Rz. 70 ff, Renaud, die Abgeltung von Urlaubsansprüchen nach dem Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer, Berlin 1977, S. 53 und 123, Oehmann, DB 1957, 946; BSGE 26, 68, 70; LAG München, Urteil vom 26. Mai 1954 – 484/54 II – BayAmtsBl 1954 C 166, LAG Düsseldorf, Urteil vom 11. November 1959 – 3a Sa 392/59 – BB 1960, 1133). Diese Auffassung berücksichtigt jedoch nicht hinreichend, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch Surrogat des Anspruchs auf Urlaub, dh auf bezahlte Freizeit (vgl. BAG, Urteil vom 22. Juni 1956 – 1 AZB 41/55 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BSG aaO; Renaud aaO S. 47 bis 50 mit weiteren Nachweisen) ist. Als solcher ist er in seiner Entstehung nicht unabhängig vom Urlaubsanspruch. Er entsteht vielmehr mit diesem selbst unter der aufschiebenden Bedingung, daß wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezahlte Freizeit nicht mehr gewährt werden kann. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der dadurch verursachten Unmöglichkeit, bezahlte Freizeit noch zu gewähren, tritt lediglich die aufschiebende Bedingung des bereits mit dem Urlaubsanspruch entstandenen Abgeltungsanspruchs ein. Der Arbeitnehmer hat somit schon nach Erfüllung der Wartezeit eine Rechtsposition erworben, die es ihm erlaubt, nach den gesetzlichen Voraussetzungen Urlaub zu verlangen oder – wenn dies, bedingt durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, unmöglich wird – anstelle der bezahlten Freizeit eine Abgeltung zu beanspruchen. Hat der Arbeitnehmer diese Rechtsposition vor dem Tag der Eröffnung des Konkursverfahrens oder der Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse bereits erworben, so fällt er mit diesem – bedingten – Anspruch aus (§§ 141 a, 141 b AFG).

Solche aufschiebend bedingte Ansprüche sind auch als „Rückstände” nach § 141 b Abs. 2 AFG iVm § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst a KO anzusehen. Die Vorschrift des § 67 KO, die die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Forderungen im Konkurs regelt, gilt allerdings nicht unmittelbar für Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, die nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst a KO Masseschulden sind (Mentzel/Kuhn, § 57 Anm. 4). Das schließt aber nicht aus, § 67 KO im Rahmen des § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO entsprechend anzuwenden und deshalb auch aufschiebend bedingte Forderungen insoweit als „rückständig” anzusehen. Die Vorschrift des § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO wurde erst durch das Gesetz über das Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (BGBl I 1481) in § 59 KO eingefügt. Bis dahin waren rückständige Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis für das Jahr vor Konkurseröffnung lediglich bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Nr 1 KO aF. Für diese galten die Vorschriften über die Einbeziehung noch nicht fälliger (§ 65 KO) und bedingter Forderungen (§ 67 KO) mit der Folge, daß auch noch nicht fällige und bedingte Forderungen als „rückständig” anzusehen waren. Dies war und ist für nicht fällige Forderungen (§ 65 KO) im Schrifttum und in der Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt (Jaeger, § 61 Anm. 17; Böhle/Stamschräder, § 61 Anm. 4; Mentzel/Kuhn, § 61 Anm. 47; BAG NJW 1967, 1055). Für aufschiebend bedingte Forderungen (§ 67 KO) kann nichts anderes gelten, da auch sie Konkursforderungen sind (vgl. Jaeger, § 67 Anm. 1). Die Verlagerung eines Teils dieser bevorrechtigten – rückständigen – Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis in den Bereich der Masseschulden diente dem Zweck, den Arbeitnehmern für einen zeitlich begrenzten Teil ihrer bisher als Konkursforderungen geltenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt eine bessere Sicherung zu gewährleisten (BT-Drucks 7/1750 S 16, zu Art. 2 § 1 Nr. 1). Es ist nicht ersichtlich, daß dabei über die zeitliche Begrenzung – Rückstände für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung – hinaus noch die weitere Einschränkung gemacht werden sollte, noch nicht fällige oder nur bedingt entstandene Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis aus dem letzten halben Jahr vor Konkurseröffnung an dieser Verbesserung nicht teilhaben zu lassen. Eine solche Einschränkung wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt, weil es für die konkursrechtliche Bewertung als Masseschuld, also für die Gewichtigkeit des Bedürfnisses nach Absicherung, nicht so sehr von Bedeutung ist, wann die Forderung zu begleichen gewesen wäre, sondern vielmehr, wann die Leistung erbracht wurde, für die die im Konkurs geltend gemachte Forderung die Gegenleistung darstellt. Deshalb ist auch für noch nicht fällige Forderungen bereits anerkannt, daß es im Bereich des § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO ebenfalls – entsprechend § 65 KO – auf die Fälligkeit nicht ankommt (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1976 – 7 RAr 136/75BSGE 43, 49, 51; Mentzel/Kuhn, § 59 Anm. 15 a Ziff 1 b). Für aufschiebend bedingte Forderungen kann aus den vorgenannten Gründen auch hier nichts anderes gelten. Auch sie sind als „Rückstände” gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO anzusehen und – entsprechend § 67 KO – zu sichern.

Ob für eine ausgefallene Urlaubsabgeltung gemäß § 141 b AFG Kaug zu gewähren ist, hängt deshalb nicht allein von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor oder nach Eröffnung des Konkursverfahrens oder der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse ab. Es muß vielmehr bei Eintritt der Bedingung – der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – auch nach der Eröffnung oder Ablehnung des Konkursverfahrens noch festgestellt werden, für welchen Zeitraum nicht gewährter Freizeit die Abgeltung anzusetzen ist, um entscheiden zu können, ob die Abgeltung ganz oder teilweise „für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses” (§ 141 b Abs. 1 AFG) zu zahlen ist. Dabei kann nicht – wie beim Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld – auf den Zeitraum abgestellt werden, für den die Urlaubsabgeltung zum Lebensunterhalt bestimmt ist (vgl. BSGE 43, 49, 51). Nach seinem Grundgedanken soll nämlich der Abgeltungsanspruch dazu dienen, den Lebensunterhalt des Arbeitnehmers für eine Zeit zu sichern, in der er sich nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses – unbezahlte – Freizeit zu Erholungszwecken nimmt (Boldt/Röhsler, § 7 Rz 67; Heußner, Urlaubsrecht, Rz 223; HAG ABS 44, 185; BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB Urlaubsrecht). Eine solche Zuordnung für Zeiten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses scheidet schon deshalb aus, weil der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, den Abgeltungsbetrag für Erholungszwecke zu verwenden. Im übrigen würden dann Urlaubsabgeltungsansprüche für die Gewährung von Kaug überhaupt nicht – auch nicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung oder Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens – in Betracht kommen. In keinem Fall würde es sich um Ansprüche für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses (§ 141 b Abs. 1 AFG) handeln. Als Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst a KO oder als Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a KO kämen sie nur dann in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eröffnung oder Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens geendet hätte und der Abgeltungsanspruch einem Zeitraum zugeordnet werden könnte, der in den letzten sechs Monaten (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst a KO) oder den letzten zwölf Monaten (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a KO) vor Eröffnung oder Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens liegt. Die Zuordnung zu diesen Zeiträumen wäre aber nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer – was meist nicht der Fall sein wird – den Urlaub innerhalb dieser Fristen tatsächlich nachholt. Es würde sich somit im Bereich des Kaug ein völliger Ausschluß und im Bereich des Konkursrechts eine wesentliche Schlechterstellung des Abgeltungsanspruchs gegenüber der bisherigen Behandlung als Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 a Buchst a KO und gegenüber anderen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. Für eine derartige Abwertung ist indessen weder ein entsprechender Wille des Gesetzgebers noch ein verständiger Sinn zu erkennen. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung über das Kaug und des Vorrangs der rückständigen Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis im Konkursverfahren soll gerade im Interesse der Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber ein Schutz vor Ausfällen geschaffen werden, die dadurch entstehen, daß Arbeitnehmer im Interesse der Erhaltung des Arbeitsplatzes auch ohne Lohnzahlungen noch einige Zeit weiterarbeiten (vgl. BSGE 41, 121, 123 f). Dieser Zweck gilt für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, deren Verwirklichung durch die Weiterarbeit bei einem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Unternehmer fraglich wird. Er umfaßt also neben den Lohnansprüchen auch die Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, für welchen Zeitraum der Urlaubsabgeltungsanspruch zum Lebensunterhalt bestimmt ist.

Ebensowenig kann es – wie bei Lohnansprüchen (vgl. BSGE 43, 49, 50) – darauf ankommen, wann der Urlaubsanspruch und damit auch der Abgeltungsanspruch erworben wurde, also der Zeit vor seiner Entstehung (Erfüllung der Wartezeit), und er kann auch nicht zu je einem Zwölftel auf jeden Monat des Jahres verteilt werden. Diese Möglichkeiten sind bereits von der Rechtsprechung des BSG (BSGE 43, 49, 50 f) und des BAG (Urteil vom 4. Juni 1977 – 5 AZR 663/75 – – DB 1977, 1799) für die Einordnung des Anspruchs auf Urlaubsentgelt ausgeschlossen worden. Für die als Surrogat zu zahlende Urlaubsabgeltung kann deshalb nichts anderes gelten. Der Abgeltungsanspruch könnte allenfalls den Zeiten zugeordnet werden, in denen die bezahlte Freizeit spätestens hätte gewährt werden müssen. Ohne diese Frage zu entscheiden, hat das BAG im Urteil vom 10. März 1966 – 5 AZR 498/75 – (AP Nr. 2 zu § 59 KO) in diese Richtung weisende Erwägungen angestellt. Es könnte sich hierbei nur um Zeiträume handeln, die nach dem Zeitpunkt liegen, in dem das Ende des Arbeitsverhältnisses feststand (Zeitpunkt der Kündigung oder des Abschlusses eines Auflösungsvertrages) und vor dem Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine solche Regelung ließe aber in einer Vielzahl von Fällen unberücksichtigt, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch kein Anspruch für einen bestimmten Zeitpunkt sondern ein Anspruch für einen der abzugeltenden Freizeit entsprechenden Zeitraum ist. So wäre die Festlegung eines Zeitraums ausgeschlossen bei fristloser Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder wenn die Frist zwischen Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses zeitlich nicht ausreicht, den ganzen Urlaub in bezahlter Freizeit zu gewähren. Schließlich wäre dies auch dann der Fall, wenn der Urlaub wegen persönlicher Gründe – etwa wegen Krankheit oder betrieblicher Erfordernisse –, in der Kündigungsfrist nicht gewährt werden kann. Es bliebe in diesen Fällen keine andere Möglichkeit, als den Urlaubsabgeltungsanspruch ganz oder teilweise dem Zeitpunkt der Kündigung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen.

Die gleichen Bedenken – wenn auch in vermindertem Umfang – sprechen dagegen, den Urlaubsanspruch den Zeiten zuzuordnen, in denen offenbar wird, daß der Urlaub schon zeitlich nicht mehr während der Restzeit des Bestehens des Arbeitsverhältnisses gewährt werden kann. Es würde dann auf den Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Teil des Abgeltungsanspruchs entfallen, der dem Urlaub entspricht, der in der Kündigungsfrist nicht mehr untergebracht werden kann und der Rest jeweils in Höhe des Anspruchs für einen Urlaubstag auf die bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses noch folgenden Tage. Auch hier würde in Fällen der fristlosen Kündigung und in Fällen, in denen der Urlaubsanspruch nicht voll während der Kündigungsfrist verwirklicht werden kann, der Urlaubsabgeltungsanspruch ganz oder teilweise einem festen Zeitpunkt zugeordnet werden müssen.

Eine dem gesetzgeberischen Sinn und Zweck der Konkursausfallversicherung entsprechende Einordnung der Urlaubsabgeltung kann daher nur eine Verteilung auf die der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgehenden Tage, die der abzugeltenden Urlaubsdauer entsprechen, gerecht werden. Sie berücksichtigt nicht nur hinreichend, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch kein Anspruch für einen Zeitpunkt, sondern für einen Zeitraum ist. Eine solche Zuordnung trägt auch dem Umstand angemessen Rechnung, daß der Arbeitnehmer durch Weiterarbeit bei einem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Unternehmer nicht nur den Lohn, sondern auch die Verwirklichung seines Anspruchs auf bezahlte Freizeit (Urlaub) oder dessen Abgeltung riskiert.

Für die Zahlung von Kaug ergibt sich daraus, daß Urlaubstage, die auf die Zeit vor Eröffnung oder Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens fallen, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einen Anspruch auf Kaug begründen. Für die Tage, die in den Zeitraum nach der Eröffnung oder der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens liegen, kann hingegen Kaug nicht gewährt werden. Sie können nur – wie bisher – in einem Konkursverfahren als Masseschuld nach § 59 Abs. 2 KO berücksichtigt werden. Entsprechendes gilt auch für die Abgeltung des zusätzlichen Urlaubsgeldes. Dabei schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des 7. Senats des BSG (BSGE 43, 49) und des 5. Senats des BAG (DB 1977, 1799) an, daß für den Anspruch auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld – und dementsprechend ebenso für den als Surrogat zu gewährenden Abgeltungsanspruch – der Tag, an dem der Beschluß über die Eröffnung oder Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens ergeht, nicht dem Zeitraum zuzurechnen ist, für den Kaug gezahlt werden kann. Diese Entscheidung rechtfertigt sich – unabhängig davon, ob für Lohnforderungen möglicherweise etwas anderes gelten muß – schon daraus, daß Urlaub allenfalls tageweise, nicht aber stundenweise zu gewähren ist (BAG AP Nr. 6 zu § 5 BUrlG – Bl 497 K) und der Anspruch auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld dem Arbeitnehmer bereits mit Beginn des Urlaubstags für den ganzen Tag zusteht.

Mit der im vorliegenden Fall vertretenen Rechtsauffassung über den Zeitraum, dem die Urlaubsabgeltung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen ist, setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu dem Urteil des 3. Senats des BSG vom 26. Januar 1967 – 3 RK 44/64 – (BSGE 26, 68, 70). Übereinstimmend mit dem erkennenden Senat ist auch der 3. Senat der Auffassung, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern vorher entsteht. Allein darauf kam es in dem vom 3. Senat zu entscheidenden Streit, ob die Urlaubsabgeltung beitragspflichtiges Entgelt sei, an. Soweit der 3. Senat mit der bisher im Arbeitsrecht herrschenden Meinung angenommen hat, der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs entstehe erst „mit” Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sind seine diesbezüglichen Ausführungen für seine Entscheidung nicht tragend gewesen. Auch wenn man den Abgeltungsanspruch als einen bereits mit dem Urlaubsanspruch bedingt entstandenen Anspruch ansieht, ist er mit dem 3. Senat des BSG als einmalige Zuwendung anzusehen. Der erkennende Senat braucht deshalb den Großen Senat nicht anzurufen (§ 42 SGG).

Ob dem Kläger im vorliegenden Fall für seine ausgefallene Urlaubsabgeltung ein Anspruch auf Kaug zusteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da hierfür vom Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden sind. Entgegen der Auffassung des LSG kann nach den von ihm bisher unangefochten – und deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) – getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers erst am 30. September 1974 – dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – beendet worden ist. Dafür könnte allenfalls als Anhalt die Klageschrift vom 23. August 1974 im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz – 1 Ca 1611/74 – herangezogen werden. Dort hat der Kläger sein Einverständnis mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist angedeutet. Unklar bleibt aber, ob es zu einer solchen Beendigung wirklich gekommen ist. Außerdem bleibt unberücksichtigt, daß sich durch die Arbeitsaufnahme am 2. September 1974 bei einem anderen Arbeitgeber eine neue Lage ergeben hat. Es wäre denkbar, daß der Kläger von diesem Zeitpunkt an seinerseits fristlos gekündigt hat oder ein ausdrücklicher oder stillschweigender Aufhebungsvertrag mit seinem bisherigen Arbeitgeber geschlossen wurde. Die Überlegungen, die das Berufungsgericht hierzu angestellt hat, sind rechtlich nicht ausreichend. Es hat unberücksichtigt gelassen, daß bei einem Streit, ob eine Kündigungserklärung vorliegt oder ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitnehmers verstehen mußte (Soergel/Siebert/Wlotzke/Volze, BGB, 10. Aufl, Vorbem 20 zu § 620). Dies gilt auch für die mögliche Anforderung der Arbeitspapiere durch den Kläger. Aus diesem Grunde kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß ein neues Arbeitsverhältnis nur aus Gründen der Schadensminderung (§ 11 Nr. 2 des KSchG) eingegangen wurde. Das ist nicht einmal dann möglich, wenn ein Arbeitnehmer aus einem gutgehenden Unternehmen ausscheidet. Ist aber – wie im vorliegenden Fall – der Arbeitgeber in Zahlungsschwierigkeiten und hatte er bereits wegen Auflösung des Betriebes gekündigt, so spricht die Vermutung zunächst einmal dafür, daß mit der Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses das bisherige Arbeitsverhältnis beendet werden sollte. Die hierfür erforderlichen Feststellungen muß deshalb das LSG noch nachholen. Dabei hat es den früheren Arbeitgeber oder dessen Personalsachbearbeiter darüber zu vernehmen, welche Kontakte nach Erhebung der arbeitsgerichtlichen Klage durch den Kläger und im Zusammenhang mit der Aufnahme des neuen Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem früheren Arbeitgeber bestanden und gegebenenfalls welche Absprachen getroffen worden sind. Es hat hierzu auch den Kläger persönlich zu hören.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 191

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