Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung Lehrer

 

Orientierungssatz

Ein “Studienkolleg” für ausländische Studierende nach § 92 Thüringer HochschulG ist kein “Kolleg” gemäß Besoldungsgruppe A 15 des Thüringer Besoldungsgesetzes idF vom 22. August 1995.

 

Normenkette

BAT-O §§ 22-23; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 10 vom 30. Juni 2000 § 2; Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 l I BAT-O); GG Art. 72; GG 74a; BBesG Anl. I Vorbemerkung Nr. 16b; Thüringer Besoldungsgesetz i.d.F. vom 22. August 1995 Besoldungsgruppe A 15

 

Verfahrensgang

Thüringer LAG (Urteil vom 11.07.2001; Aktenzeichen 6/9 Sa 36/99)

ArbG Nordhausen (Urteil vom 14.10.1998; Aktenzeichen 2 Ca 411/97)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 11. Juli 2001 – 6/9 Sa 36/99 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage unbegründet ist.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers in die VergGr. Ia BAT-O.

Der Kläger absolvierte an der Universität Jena ein Studium und schloß dieses am 22. Oktober 1976 mit dem Akademischen Grad “Diplomlehrer” mit der Lehrbefähigung für die Fächer Mathematik und Physik der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen der DDR ab. In der Folgezeit war er zunächst als Diplomlehrer für Physik und Mathematik tätig. Seit dem 1. August 1991 ist er bei dem beklagten Freistaat als Leiter des Studienkollegs N beschäftigt. Dieses gehört organisatorisch zur pädagogischen Hochschule E und bereitet ausländische Studienbewerber auf ein Hochschulstudium in Deutschland vor. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Zwischen den Parteien besteht jedoch Einigkeit, daß sich die Vergütung des Klägers nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost (BAT-O) richtet. Der Kläger erhält monatlich ein Gehalt nach der VergGr. III BAT-O sowie eine Zulage in Höhe der Differenz zum Gehalt der VergGr. Ia BAT-O. Faktisch zahlt das beklagte Land dem Kläger eine Vergütung in einer Höhe, wie sie der Kläger auch bekäme, wenn er in die VergGr. Ia BAT-O eingruppiert wäre.

Mit dem Schreiben vom 6. Dezember 1995 machte der Kläger gegenüber dem beklagten Land die Eingruppierung in die VergGr. Ia BAT-O geltend. Nachdem dies vom beklagten Land abgelehnt wurde, verfolgt der Kläger – der seit 15. September 1998 seinem unbestritten gebliebenen Sachvortrag zufolge “tarifgebunden” ist – sein Klagebegehren mit einer Eingruppierungsfeststellungsklage.

Seit dem 1. Januar 1997 ist im Haushaltsplan des beklagten Landes die Stelle des Leiters des Studienkollegs N als eine Stelle mit Besoldungsgruppe 15 der Besoldungsordnung A ausgewiesen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, daß ein rechtliches Interesse für die Feststellungsklage anzunehmen sei. Zwar sei er zur Zeit nicht in der Lage, darzulegen, daß sich Auswirkungen auf seine Rechtsstellung ergäben. Es sei jedoch denkbar, daß sich in den Jahren 2009 oder auch 2010 die tarifvertraglichen Bedingungen oder die rentenrechtlichen Bestimmungen ändern würden und es dann evtl. darauf ankommen könnte, ob er in den Jahren 1997 ff. in der VergGr. III BAT-O oder der VergGr. Ia BAT-O richtigerweise eingruppiert gewesen wäre. Ferner meint der Kläger, daß er als Angestellter nach § 22 BAT eingruppiert sei. Die für Lehrer relevanten Bestimmungen fänden keine Anwendung, da er nicht überwiegend als Lehrer tätig sei. Selbst wenn man dies aber annehme, wäre die Übertragung der Funktion des Leiters des Studienkollegs mit der Verleihung des entsprechenden Amtes gleichzusetzen. Da seine Vergütung weder gesetzlich noch tariflich geregelt sei, bestimme sie sich nach § 612 Abs. 2 BGB. Danach sei die übliche Vergütung geschuldet, die sich für Leiter eines Studienkollegs nach VergGr. Ia BAT-O richte.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß er seit dem 1. Januar 1997 in die VergGr. Ia BAT-O eingruppiert ist.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat die Rechtsansicht vertreten, daß für eine Eingruppierung des Klägers in die VergGr. Ia BAT-O die beamtenrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen. Der Kläger ist nicht in die VergGr. Ia BAT-O eingruppiert.

  • Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil es das rechtliche Interesse für die geltend gemachte Eingruppierungsfeststellungsklage verneint hat. Wie der Kläger selbst zugestehe, gebe es keinerlei tatsächlich feststellbare Auswirkungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt oder in naher Zukunft und es bestehe zwischen den Parteien auch kein Streit darüber, daß sich die Bezahlung des Klägers nicht ändern solle. Der Kläger sehe sich lediglich dadurch beeinträchtigt, daß die ihm unterstellten Angestellten zum Teil zwar niedrigere Vergütungen als er bezögen, aber formal als in einer höheren Vergütungsgruppe eingruppiert angesehen würden. Ferner habe der Kläger deutlich gemacht, daß er ein allgemeines gerichtliches Unwerturteil über das Verhalten des beklagten Freistaates begehre, weil dessen Verhalten in der Vergangenheit rechtswidrig gewesen sei. Dies begründe ebensowenig ein besonderes Feststellungsinteresse wie der Hinweis auf fiktive Rechtsentwicklungen, die sich in späteren Jahren ergeben könnten.
  • Die Revision ist unbegründet, weil die Klage jedenfalls unbegründet ist.

    • Es kann dahinstehen, ob der Kläger ein rechtlich geschütztes Interesse an der Feststellung der Eingruppierung hat. Die Eingruppierung in eine bestimmte Vergütungsgruppe stellt zwar kein bloßes Element oder eine Vorfrage eines Rechtsverhältnisses, sondern eine rechtliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dar und kann insoweit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden (vgl. nur 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 114; 10. März 1999 – 10 AZR 480/98 – nv.). Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses aber nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. Das Landesarbeitsgericht hat dies im einzelnen geprüft und darauf hingewiesen, daß der Kläger zur Zeit keinerlei Nachteile aus der derzeitigen Handhabung (Grundvergütung nach Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O nebst Zulage) hat. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers richtet sich demgemäß auch nicht auf finanzielle Ziele. Die Klage stellt keine in Form einer Feststellungsklage erhobene Zahlungsklage dar. Dem Kläger geht es vielmehr um die Feststellung eines bestimmten Status, den er auf eine Eingruppierung stützt. Ob dies zur Begründung des Feststellungsinteresses nach § 256 ZPO ausreicht, kann der Senat offenlassen. Ebenso kann dahinstehen, ob sich ein Feststellungsinteresse daraus ergeben könnte, daß der beklagte Freistaat den Anspruch des Klägers nicht anerkannt hat, auch nicht für einen Zeitpunkt nach Klageerhebung. Dies könnte bedeuten, daß der beklagte Freistaat die Zahlung der Differenzzulage für rechtsgrundlos hält, was wiederum die Gefahr eines einseitigen Widerrufs in sich birgt. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Das Feststellungsinteresse ist nämlich nur für das stattgebende Urteil eine echte Prozeßvoraussetzung. Ergibt sich aus dem materiellen Recht die Erfolglosigkeit der Klage, kann dahinstehen, ob nicht außerdem noch das fehlende Rechtsschutzinteresse gegen den Erfolg des Begehrens spricht (BGH 24. Februar 1954 – II ZR 3/53 – BGHZ 12, 308, 316; im Anschluß an RG 25. August 1938 – V 32/38 – RGZ 158, 145, 152; Stein/Jonas/Schumann ZPO 21. Aufl. vor § 253 Rn. 129, 130, § 256 Rn. 120).
    • Die Zurückweisung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts stellt sich auch bei unterstelltem Feststellungsinteresse aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO aF), denn der Kläger ist nicht in die VergGr. Ia BAT-O eingruppiert.

      • Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden seit dem 15. September 1998 kraft beiderseitiger Tarifbindung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) der BAT-O sowie die Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 l I BAT-O) Anwendung. Es besteht zwischen den Parteien auch Übereinstimmung darüber, daß im davor liegenden Klagezeitraum der Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost in der jeweiligen Fassung kraft einzelvertraglicher Vereinbarung galt.

        Damit sind für das Arbeitsverhältnis folgenden Vorschriften maßgebend:

        “Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 8. Mai 1991, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 10 vom 30. Juni 2000

        § 2

        Übernahme der Vergütungsordnung des BAT

        3. Die Anlage 1a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die

        als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 l I fallen,

        beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in die Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde …

        Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte

        (SR 2 l I BAT-O)

        Nr. 1

        Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich -

        Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemein bildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen).

        Protokollnotiz:

        Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.

        Nr. 3a

        Zu §§ 22 – 25 – Eingruppierung -

        Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben …”

        • Der Kläger ist Lehrkraft im Sinne der tariflichen Bestimmungen. Hierzu gehören Angestellte, die im Rahmen eines Schulbetriebes oder einer entsprechenden Einrichtung Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln und die als Teil der Lehrerschaft der Schule oder der Einrichtung anzusehen sind. Zu den einem Schulbetrieb entsprechenden Einrichtungen, in denen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, rechnen auch die Hochschulen (BAG 11. November 1987 – 4 AZR 339/87 – BAGE 56, 326, 331 = AP BAT § 3 Nr. 5; 11. Februar 1987 – 4 AZR 145/86 – BAGE 55, 53 = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 131; 21. Oktober 1992 – 4 AZR 28/92 – AP BAT § 23a Nr. 26, zu II 1b der Gründe). Gem. § 92 Abs. 1 des ThürHG ist das Studienkolleg einer Hochschule organisatorisch zugeordnet. Es hat die Aufgabe, Studienbewerber mit einer im Ausland erworbenen Schulbildung auf das Hochschulstudium vorzubereiten. Die Lehrinhalte ergeben sich aus § 92 Abs. 2 ThürHG iVm. § 2 Nr. 6 der Thüringer Verordnung zu Lehrinhalten, Anforderungen und Verfahren der Feststellungsprüfung am Studienkolleg nach § 92 Abs. 2 des Thüringer Hochschulgesetzes vom 3. Januar 1996 (ThürFSPVO). Diese Kenntnisse werden auch vom Kläger vermittelt; er ist zudem als Teil der Lehrerschaft anzusehen. Aus diesem Grund ist für die Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 die Anlage 1a zum BAT-O nicht anzuwenden. Damit gilt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht § 22 BAT-O mit einer sich hieraus ergebenden Tarifautomatik.
        • Der Kläger ist vielmehr gem. § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 in die Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher er eingruppiert wäre, wenn er in einem Beamtenverhältnis stünde, soweit es eine solche Regelung gibt. Die in dieser Form im Tarifvertrag vorgenommene Verweisung auf beamtenrechtliche Besoldungsvorschriften begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere bestehen nicht die vom Kläger erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken, die er nicht näher dargelegt hat. Die Tarifvertragsparteien tragen mit dieser Verweisung auf beamtenrechtliche Besoldungsvorschriften typisierend dem Umstand Rechnung, daß Angestellte und Beamte als Lehrer oft nebeneinander an derselben Schule und unter weitgehend gleichen äußeren Arbeitsbedingungen tätig sind. Dies rechtfertigt es, Lehrkräften, die nach ihrer fachlichen Qualifikation und den Tätigkeitsmerkmalen als gleichwertig anzusehen sind, annähernd die gleiche Vergütung unabhängig davon zu gewähren, ob sie Beamte oder Angestellte sind. In der Verweisung liegt auch keine unzulässige Delegation der Rechtssetzungsbefugnis. Den Tarifvertragsparteien ist allerdings die Rechtssetzungsbefugnis nur im Hinblick auf die Herbeiführung einer wirtschaftlich sinnvollen und sozial gerechten Ordnung in eigener Verantwortung eingeräumt. Aus den oben genannten Gründen ist aber eine Gleichstellung von verbeamteten und angestellten Lehrern gerade wirtschaftlich sinnvoll und gerecht. Die Tarifvertragsparteien können auch davon ausgehen, daß die beamtenrechtliche Regelung sachgerecht ist. Der Staat ist gegenüber seinen Beamten zur Fürsorge verpflichtet (vgl. § 79 Bundesbeamtengesetz, § 48 Beamtenrechtsrahmengesetz). Demgemäß hat er die Bedingungen, unter denen die Beamten ihre Dienste zu leisten haben, und dazu gehört auch die Besoldung, sachgerecht zu regeln. Der erkennende Senat folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des Vierten, Sechsten und Zehnten Senats (zB 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP BAT-O § 2 Nr. 1; 20. April 1994 – 4 AZR 312/93 – BAGE 76, 264, 271 = AP BAT-O § 11 Nr. 1; 13. Juli 1996 – 6 AZR 972/94 – AP BAT-O § 11 Nr. 9; 16. August 2000 – 10 AZR 526/99 – AP BAT-O § 11 Nr. 21).

          Wenn der Kläger die Unanwendbarkeit der Besoldungsvorschriften damit begründen will, daß es dem Grundsatz der Vertragsgerechtigkeit und Art. 3 Abs. 1 GG widerspreche, vom Kläger eine Arbeitsleistung zu verlangen, die der VergGr. Ia BAT-O entspricht und ihn nicht auch entsprechend einzugruppieren, so ist zum einen darauf hinzuweisen, daß die von ihm in Abrede gestellte (verfassungsrechtliche) Zulässigkeit tariflicher Normen, die auf das Beamtenrecht verweisen, nicht mit der Regelung in einem Einzelarbeitsvertrag in Zusammenhang stehen und zum anderen, daß er schon hinsichtlich seiner Prämisse einem Zirkelschluß unterliegt. Ob nämlich die Tätigkeit des Klägers die genannte tarifliche Wertigkeit hat, ist gerade streitig und Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Wertigkeit steht jedenfalls nicht schon deshalb fest, weil das beklagte Land an den Kläger insgesamt eine Vergütung iHd. VergGr. Ia BAT-O zahlt.

        • Als damit anwendbare Bestimmungen, die für Beamte gelten, kommen für eine Einstufung in Besoldungsgruppen grundsätzlich die Bundesbesoldungsordnung A sowie die Landesbesoldungsordnung A des Landes Thüringen in Betracht.

          Auf der Grundlage von Art. 74a Abs. 1 GG und Art. 72 Abs. 1 GG regelt das Bundesbesoldungsgesetz auch die Besoldung der Lehrer der Länder in § 1 Abs. 1 Nr. 1 BBesG. Nach § 1 Abs. 4 BBesG können die Länder diesbezüglich besoldungsrechtliche Vorschriften nur erlassen, soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Nach § 20 Abs. 3 BBesG dürfen in die Landesbesoldungsordnungen Ämter nur aufgenommen werden, wenn dies im Bundesbesoldungsgesetz ausdrücklich vorgegeben ist oder wenn sie sich von den Ämtern in den Bundesbesoldungsordnungen nach dem Inhalt der zugeordneten Funktionen wesentlich unterscheiden.

          Durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBI. I S 2186) wurde die Vorbemerkung Nr. 16b zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B eingeführt. Diese Vorbemerkung bestimmt abschließend, daß Lehrer mit einer Lehrbefähigung nach dem Recht der ehemaligen DDR landesrechtlich eingestuft werden unter Berücksichtigung der Ämter für Lehrer, die in der Bundesbesoldungsordnung A und den Landesbesoldungsordnungen A ausgewiesen sind (BAG 22. März 2001 – 8 AZR 427/00 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 84). Das Thüringer Besoldungsgesetz in der Fassung vom 22. August 1995 trat am 1. Juli 1995 in Kraft und löste die ausdrücklich nur bis zu diesem Zeitpunkt geltende Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung ab. Die auf letztere verweisende Vorschrift der SR 2 l I Nr. 3a Unterabs. 1 BAT-O ist mittlerweile gem. § 1 Nr. 13 des Änderungstarifvertrages Nr. 9 vom 5. Mai 1998 mit Wirkung zum 1. Januar 1998 gestrichen.

      • Es verbleibt damit bei der Anwendbarkeit des § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1, wonach ein Lehrer – nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in die Vergütungsgruppe eingruppiert ist, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welche der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde.

        • Da der Kläger eine Lehrkraft mit einer Lehrbefähigung nach dem Recht der ehemaligen DDR ist, ist mithin das Landesbesoldungsgesetz des Freistaates Thüringen einschlägig. Dort sind grundsätzlich auch Ämter für an der Hochschule tätige Beamte ausgebracht (zB A 13 Studienrat an einer Hochschule; A 14 Oberstudienrat an einer Hochschule; A 16 Prorektor und Professor an der Fachhochschule für Forstwirtschaft).

          In Betracht kommt eine Einstufung nach

          “Besoldungsgruppe A 15

          Studiendirektor

          - als Leiter eines Kollegs-”

        • Bei dem Studienkolleg, welches der Kläger leitet, handelt es sich jedoch nicht um ein Kolleg gem. der Besoldungsgruppe A 15 des Thüringer Besoldungsgesetzes. Dies ergibt die Auslegung.

          Bei der Auslegung des Besoldungsgesetzes sind die Grundsätze über die Auslegung von Rechtsnormen anzuwenden. Danach ist zunächst vom Wortlaut der Norm auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille mit zu berücksichtigen, soweit er in den Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen des Gesetzgebers liefert und nur so Sinn und Zweck der Rechtsnorm zutreffend ermittelt werden können. Werden Rechtsbegriffe oder Fachausdrücke mit feststehendem Inhalt verwendet, so ist dieser zugrunde zu legen (vgl. zum Tarifvertrag BAG 24. September 1980 – 4 AZR 744/78 – BAGE 34, 173, 181 f. = AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 7). Ist eine Anwendung von Fachbegriffen nicht erkennbar, ist vom Wortlaut der Norm im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs auszugehen (vgl. BAG 15. Oktober 1997 – 3 AZR 501/96 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 11 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 3).

        • Bereits hieraus folgt, daß es sich bei dem in der Besoldungsgruppe A 15 genannten Begriff des Kollegs nicht um das Studienkolleg iSd. § 92 ThürHG, sondern um die Schulart “Kolleg” nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 des ThürSchulG handelt. Abs. 7 der zitierten Vorschrift lautet:

          “Das Kolleg führt Schüler mit Realschulabschluß oder einem gleichwertigen Abschluß und einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder mindestens dreijähriger geregelter Berufstätigkeit oder gleichgestellter Tätigkeit in einem dreijährigen Vollzeitbildungsgang zur allgemeinen Hochschulreife. Für Schüler ohne Realschulabschluß oder ohne gleichwertigen Abschluß dauert der Bildungsgang vier Jahre. Das Mindestalter für die Aufnahme ist 19 Jahre. Näheres wird durch Rechtsverordnung des Kultusministers geregelt.”

          Bei den Begriffen “Kolleg” bzw. “Studienkolleg” handelt es sich somit um feststehende Fachausdrücke, die es ausschließen, den Begriff Kolleg als einen das Studienkolleg umfassenden Oberbegriff anzusehen. Es ist davon auszugehen, daß im Besoldungsgesetz die Verwendung des Wortes “Kolleg” bewußt erfolgte und auch abschließend ist. Zudem weist das Attribut “Studien-” auf einen Zusammenhang mit einem Hochschulbetrieb hin. Hinzu kommt, daß die verschiedenen Sinngehalte auch im allgemeinen Sprachgebrauch – wie er sich in den einschlägigen Lexika darstellt – zum Ausdruck kommen. So wird das “Kolleg” als “Einrichtung, über die im Rahmen des zweiten Bildungsweges die Hochschulreife erworben werden kann” (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 2. Aufl.) und das “Studienkolleg” als “Kurs zur Vorbereitung auf ein Studium an der Hochschule (bes. für ausländ. Studenten)” (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl.) definiert. Studienkolleg und Kolleg unterscheiden sich letztlich so stark in den Inhalten, daß alles dagegen spricht, daß der Leiter eines “Kollegs” im Thüringer Besoldungsgesetz mit einem Leiter eines Studienkollegs gleichzusetzen ist. Soweit erkennbar, besteht zwischen den Parteien über die Auslegung des Thüringer Besoldungsgesetzes auch Übereinstimmung.

      • Der Kläger ist auch nicht auf Grund von Richtlinien in die VergGr. Ia BAT-O eingruppiert.

        • Fehlt eine beamtenbesoldungsrechtliche Regelung, so ist entsprechend der tariflichen Regelung in § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O “nach näherer Maßgabe von Richtlinien” einzugruppieren. In Betracht kommen hierbei die Lehrereingruppierungsrichtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Richtlinien für die Eingruppierung von Lehrern sind einseitig gesetzte Weisungen der Exekutive an nachgeordnete Behörden und setzen kein Vertragsrecht, sondern haben verwaltungsrechtliche Bedeutung. Ihre Geltung im Arbeitsverhältnis muß sich deshalb aus anderen rechtlichen Umständen ergeben.

          Nach der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts billigten die Tarifvertragsparteien mit § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O mit der Formulierung: “nach näherer Maßgabe von Richtlinien” dem öffentlichen Arbeitgeber für den Fall, daß die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung keine abschließenden Regelungen enthielt, ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu (24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP BAT-O § 2 Nr. 1; 28. September 1994 – 4 AZR 717/93 – AP BAT-O § 11 Nr. 2, 30. November 1994 – 4 AZR 899/93 – AP BAT-O § 11 Nr. 3; 26. April 1995 – 4 AZR 97/95 – BAGE 80, 61 = AP BAT-O § 11 Nr. 7). Danach sollten die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder auch dann anwendbar sein, wenn ihre Geltung nicht arbeitsvertraglich vereinbart war. Der Zehnte und Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts haben dagegen in der Folgezeit trotz der Formulierung des § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O eine Anwendung einseitiger Lehrereingruppierungsrichtlinien nur dann in Betracht gezogen, wenn eine ausdrückliche Prüfung ergab, daß sie von den Arbeitsvertragsparteien zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gemacht worden sind (13. Dezember 2000 – 10 AZR 635/99 – nv.; 18. Oktober 2000 – 10 AZR 643/99 – AP BAT-O § 11 Nr. 24; 15. März 2000 – 10 AZR 119/99 – BAGE 94, 87 = AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 81; 7. Juni 2000 – 10 AZR 254/99 – AP BAT-O §§ 22, 23 Lehrer Nr. 82; 25. November 1998 – 10 AZR 518/97 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 74; 20. November 1997 – 6 AZR 216/96 – nv.; 16. Oktober 1997 – 6 AZR 141/96 – nv.; 8. August 1996 – 6 AZR 1000/94 – nv.; 13. Juni 1996 – 6 AZR 858/94 – BAGE 83, 201 = AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 45).

          Im Streitfall haben die Parteien die Anwendung von Richtlinien nicht vereinbart. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag liegt nicht vor, die Parteien haben die vertragliche Vereinbarung von Richtlinien auch nicht behauptet.

        • Es kann dennoch dahingestellt bleiben, ob bereits auf Grund des Hinweises in § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O die TdL-Richtlinien anwendbar sind, denn selbst wenn dies der Fall wäre, folgt hieraus kein Anspruch des Klägers auf Eingruppierung in die VergGr. Ia BAT-O. Die TdL-Richtlinien vom 24. Juni 1991, gültig ab 1. Juli 1991 enthielten überhaupt keine Tätigkeitsmerkmale für Lehrkräfte an Hochschulen. Erst ab dem 1. Januar 1994 wurde für bestimmte Lehrkräfte an Hochschulen in einem Abschnitt G der TdL-Richtlinien Eingruppierungsmerkmale vorgesehen. Es kann wiederum dahinstehen, ob der Kläger ab 1994 in den Kreis dieser Lehrkräfte gehörte, denn auch hieraus ergäbe sich allenfalls eine Eingruppierung in die VergGr. IIa BAT-O, die der Kläger nicht begehrt.
      • Da somit für die Tätigkeit des Klägers weder Vorschriften des Besoldungsrechts noch anwendbare Richtlinien bestehen, die eine Eingruppierung in die Besoldungsgruppe A 15 (VergGr. Ia BAT-O) rechtfertigen, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger unter Hinweis auf eine fiktive Beamtenlaufbahn die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 15 erfüllen würde (vgl. Senat 6. September 2001 – 8 AZR 625/00 – nv.), was das beklagte Land in Abrede gestellt hat.
      • Für die vom Kläger begehrte Feststellung der Eingruppierung in die VergGr. Ia BAT-O kommen letztlich auch nicht die von ihm herangezogenen §§ 611 iVm. 612 Abs. 2 BGB als Rechtsgrundlage in Betracht. § 612 Abs. 2 BGB stellt selbst schon keine Anspruchsgrundlage dar und regelt auch nicht das nach § 256 ZPO festzustellende Rechtsverhältnis. Die Norm bestimmt nur die Höhe der nach § 611 BGB zu zahlenden Vergütung. Aber auch auf § 611 BGB kann der Kläger sein Feststellungsbegehren nicht stützen. Der Kläger erhält nämlich Vergütung in der von ihm begehrten Höhe. § 611 BGB ist Rechtsgrundlage für einen Zahlungsanspruch und kann nicht, auch nicht iVm. § 612 Abs. 2 BGB, für die vom Kläger begehrte Statusfeststellung, dh. das von ihm begehrte “Eingruppiertsein” herangezogen werden. Zur Begründung dieses Rechtsschutzziels kommen nur Rechtsnormen, die unter Verweisung auf ein abstraktes Vergütungssystem eine bestimmte “Eingruppierung” festschreiben, als Anspruchsgrundlage in Betracht, wie beispielsweise die nicht anwendbaren § 22 Abs. 1 und 2 BAT oder § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O, dessen Voraussetzungen, wie dargelegt, nicht vorliegen.
  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
 

Unterschriften

Hauck, Dr. Wittek, Laux, Binder, Hennecke

 

Fundstellen

Haufe-Index 840631

NZA 2003, 120

ZTR 2003, 30

PersV 2003, 275

NJOZ 2003, 1939

Tarif aktuell 2003, 4

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge