Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Altersgrenze von 55 Jahren

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; SGB VI § 41 Abs. 4 S. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 03.07.1996; Aktenzeichen 2 Sa 936/95)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.02.1995; Aktenzeichen 17 Ca 3872/94)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juli 1996 – 2 Sa 936/96 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer tariflichen Altersgrenzenregelung für Flugzeugführer.

Der im März 1939 geborene Kläger ist bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen seit August 1965 als Flugkapitän beschäftigt. Er wird seit Juli 1989 mit 50 % seiner Arbeitszeit als Abteilungsleiter eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die für das beklagte Luftfahrtunternehmen geltenden Tarifverträge kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme Anwendung.

Nach § 19 Abs. 1 MTV Nr. 4 für das Cockpitpersonal (MTV Nr. 4 Cockpitpersonal) endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet. Das Arbeitsverhältnis kann nach Abs. 2 dieser Vorschrift bei körperlicher und beruflicher Eignung über dieses Alter hinaus verlängert werden. In diesem Fall endet es mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer ein weiteres Lebensjahr vollendet. Unter den genannten Voraussetzungen ist eine wiederholte Verlängerung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres möglich. Im Hinblick darauf haben die Parteien eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses in Vollzeit über die Vollendung des 55. Lebensjahres hinaus bis zum 31. März 1995 vereinbart.

Über die Fortführung des Arbeitsverhältnisses von Flugzeugführern über das 55. Lebensjahr hinaus bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres haben die Betriebsparteien am 25. Juli 1994 vorbehaltlich einer am 1. August 1994 erteilten Genehmigung der Tarifvertragsparteien zwei Betriebsvereinbarungen geschlossen (Betriebsvereinbarung „Teilzeitbeschäftigung Flugzeugführer” und Betriebsvereinbarung „Beschäftigung Flugzeugführer nach Vollendung des 55. Lebensjahres”). Danach besteht für alle Flugzeugführer, die die körperliche und berufliche Eignung besitzen, die Möglichkeit, ihr Arbeitsverhältnis in Teilzeitbeschäftigung über das 55. Lebensjahr hinaus zu verlängern, soweit die einschlägigen Vorschriften eine solche Verwendung zulassen. § 19 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal bleibt im übrigen unberührt. Der Kläger wird seit dem 1. April 1995 auf der Grundlage dieser Betriebsvereinbarung befristet in einem Teilzeitarbeitsverhältnis beschäftigt. Er wird seitdem nicht mehr als Abteilungsleiter eingesetzt.

Er hat die Auffassung vertreten, die tarifliche Altersgrenzenregelung habe seine Tätigkeit als Abteilungsleiter nicht beendet. Die Tarifnorm verstoße im übrigen gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI und verletze sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Aus diesen Gründen sei auch die Betriebsvereinbarung unwirksam.

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Vollendung des 56. Lebensjahres geendet hat sondern unverändert auch über den 1. April 1995 hinaus weiterhin besteht;

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Flugkapitän in Vollzeit und als Abteilungsleiter A 310 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die wirksame Altersgrenzenvereinbarung habe auch die Tätigkeit als Abteilungsleiter beendet. Diese sei unabdingbar mit der Ausübung einer fliegerischen Tätigkeit verbunden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein zuletzt geäußertes Klagebegehren. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Es bedarf weiterer tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts, um abschließend darüber entscheiden zu können, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien zunächst am 31. März 1995 aufgrund der wirksamen tariflichen Altersgrenzenregelung des § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal geendet hat.

A. Die Tarifnormen des § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 MTV Cockpitpersonal sind wirksam. Sie verstoßen nicht gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI oder gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht gemäß § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI in der Fassung des SGB-ÄndG (SGB VI) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres fortgesetzt worden. Die Regelung des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI findet auf die vorliegende tarifliche Altersgrenze und die daran anschließende Vereinbarung keine Anwendung.

1. Nach der Senatsrechtsprechung galt für Altersgrenzenregelungen, die in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Juli 1994 wegen Erreichens einer Altersgrenze das Arbeitsverhältnis beendeten, § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 (BAG Urteil vom 1. Dezember 1993 – 7 AZR 428/93BAGE 75, 166 = AP Nr. 4 zu § 41 SGB VI). Endet das Arbeitsverhältnis wie im Streitfall aufgrund einer individual- oder kollektiv-rechtlichen Altersgrenzenregelung nach diesem Zeitpunkt, gilt nunmehr § 41 Abs. 4 Satz 3 in der Fassung des SGB-Änderungsgesetzes (SGB-ÄndG, BGBl. 1994 I, 1797), mit der der Gesetzgeber die vor dem 1. Januar 1992 geltende Rechtslage wieder hergestellt hat (BAG Urteil vom 11. Juni 1997 – 7 AZR 186/96 – AP Nr. 7 zu § 41 SGB VI).

2. § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI findet auf die vorliegende Altersgrenzenregelung allerdings keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift gilt unter den darin genannten weiteren Voraussetzungen eine Vereinbarung, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, in dem der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente wegen Alters beantragen kann, dem Arbeitnehmer gegenüber auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgeschlossen. Sie erfaßt nach ihrem Zweckgedanken keine Beendigungsregelungen, die nichts mit einem Anspruch auf eine sozialversicherungsrechtliche Rente wegen Alters zu tun haben, weil sie etwa auf besondere Anforderungen der beruflichen Tätigkeit oder andere Umstände abstellen (Senatsurteil vom 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 –, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu 1 der Gründe; Urteil vom 14. Oktober 1997 – 7 AZR 660/96 – BB 1998, 321). So verhält es sich im Streitfall. § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal berücksichtigen die berufsspezifischen Leistungsanforderungen des Cockpitpersonals und sollen den mit zunehmendem Lebensalter steigenden Gefahren von Leistungsausfällen und den daraus resultierenden Risiken für Leben und Gesundheit des Flugpersonals und der Flugpassagiere entgegenwirken (BAG Urteil vom 6. März 1986 – 2 AZR 262/85 – AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze, m.w.N.). Ein Zusammenhang mit einer gesetzlichen Rente wegen Alters besteht nicht.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die ihm zustehende tarifliche Übergangsversorgung einer Sozialversicherungsrente wegen Alters nicht gleichzustellen. Durch die von § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI a.F. auf unbestimmte und durch § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI zumindest auf das Erreichen des 65. Lebensjahres bezweckte Verlängerung der Lebensarbeitszeit wollte der Gesetzgeber das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Rentenbeziehern und Beitragszahlern verbessern, um damit die demographisch bedingten Belastungen der Rentenversicherung zu mindern (BAG Urteil vom 26. April 1995 – 7 AZR 984/93 – AP Nr. 6 zu § 41 SGB VI). Diese Erwägungen treffen auf den Bezug einer vom Arbeitgeber finanzierten Übergangsversorgung oder Altersversorgung nicht zu (BAG Urteil vom 14. Oktober 1997, aaO).

§ 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI ist auch keine grundrechtskonkretisierende Norm zum Schutz der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers. Die in dieser Vorschrift normierte Rechtsfolge und die dadurch bewirkte Verlängerung des Arbeitsverhältnisses soll allein das zahlenmäßige Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehern verbessern. Sie schützt nicht die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers, über die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses selbst zu befinden (BAG Urteil vom 26. April 1995, aaO).

II. Die Tarifnorm des § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal ist wirksam. Der in dieser Vorschrift geregelte Sachgrund ist mit den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle und damit auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

1.a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Altersgrenze wie die vorliegende für Flugzeugführer als Sachgrund nicht zu beanstanden (BAG Urteil vom 20. Dezember 1984 – 2 AZR 3/84 – AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung mit Anm. Belling; BAG Urteil vom 6. März 1986, aaO). Sie trägt medizinischen Erfahrungswerten Rechnung, nach denen das Cockpitpersonal überdurchschnittlichen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt ist, in deren Gefolge das Risiko altersbedingter Ausfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktionen zunimmt (BAG Urteil vom 12. Februar 1992 – 7 AZR 100/91 – AP Nr. 5 zu § 620 BGB Altersgrenze). Damit sichert die Altersgrenze nicht allein die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit, sondern dient auch dem Schutz von Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder und der Passagiere. Hierbei handelt es sich nicht um ein im Sinne der Befristungskontrolle unzulässiges Drittinteresse, sondern um ein unmittelbares Interesse der Arbeitsvertragsparteien. An dieser Rechtsprechung hält der Senat im Ergebnis fest.

b) Eine grundlegende Änderung der Verhältnisse, nach der die bisherige Annahme der Tarifvertragsparteien zu der Altersgrenze für das Cockpitpersonal nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Zulässige Revisionsrügen hat der Kläger nicht erhoben. Seinem Vorbringen sind Anhaltspunkte für eine evident unrichtige Einschätzung des zugrunde liegenden Sachverhalts durch die Tarifvertragsparteien auch nicht zu entnehmen. Daher kann offenbleiben, ob in diesem Fall die Tarifnorm unwirksam wäre oder ob die Tarifvertragsparteien zur Anhebung der Altersgrenze oder zu einer Änderung der Verlängerungsmöglichkeiten nach § 19 Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal verpflichtet wären.

c) Die tarifliche Altersgrenzenregelung, die auf der generalisierenden Annahme eines ab diesem Lebensalter nachlassenden körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und der damit verbundenen Beeinträchtigung zentraler beruflicher Fähigkeiten beruht, ist auch nicht deswegen zu beanstanden, weil in anderen tariflichen oder gesetzlichen Regelungen derselbe Erfahrungswert erst bei Vollendung des 60. Lebensjahres angenommen wird. So hält der Gesetzgeber Flugzeugführer erst ab dem 60. Lebensjahr nur noch in Ausnahmefällen für einsetzbar (§ 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO). Tarifregelungen für die Mitglieder des Bordpersonals in anderen deutschen Luftfahrtunternehmen sehen ebenfalls eine Altersgrenze von 60 Jahren vor (vgl. BAG Urteile vom 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – zur Veröffentlichung bestimmt; vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B II 2 b bb der Gründe, m.w.N.).

Dieser unterschiedlichen Bewertung eines altersbedingt nachlassenden berufsspezifischen Leistungsvermögens haben die Tarifvertragsparteien durch das Einfügen der Verlängerungsoption nach § 19 Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal ausreichend Rechnung getragen. § 19 Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal enthält im Ergebnis eine flexible Altersgrenze; erst die Vollendung des 60. Lebensjahres hat wie bei anderen Tarifregelungen im Luftfahrtbereich zwingend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Für den vor dem 60. Lebensjahr liegenden Zeitraum haben Cockpitmitarbeiter die Möglichkeit, ihr Interesse an einer beruflichen Selbstverwirklichung zu wahren und bei einem individuell gegebenen beruflichen Leistungsvermögen von ihrem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu verlangen. Die Beklagte muß dem bei vorhandener körperlicher und beruflicher Eignung unter den weiteren Voraussetzungen der Tarifvorschrift regelmäßig entsprechen. Das folgt aus § 19 Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal, auch wenn die Bestimmung als Kannvorschrift gefaßt ist und die Beklagte deshalb nur zu einer der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegenden Entscheidung verpflichtet ist. Billigenswert ist jedoch regelmäßig nur die wiederholte befristete Verlängerung. Die Beklagte ist nämlich gehalten, auf die Belange der Cockpitmitarbeiter Rücksicht zu nehmen und deren berechtigtem Interesse an der Fortführung ihrer beruflichen Tätigkeit nur dann nicht zu entsprechen, wenn persönliche Eignungsdefizite feststehen oder besonders gewichtige betriebliche Belange einer vollzeitigen Weiterbeschäftigung der Cockpitmitarbeiter entgegenstehen (BAG Urteile vom 6. März 1986, aaO; 20. Dezember 1984, aaO). Nur dadurch wird sichergestellt, daß dem individuellen Bestandsschutzinteresse in angemessener Weise Rechnung getragen wird und die Altersgrenze des § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MTV Cockpitpersonal nicht eine mit dem Sachgrund für die Befristung unvereinbare und damit unstatthafte Personalsteuerungsfunktion übernimmt. Das gilt auch, wenn die wirtschaftlichen Folgen des vorzeitigen Arbeitsplatzverlustes durch eine betriebliche Übergangsversorgung abgemildert werden. Nach der Rechtsprechung des Senats dient das im Rahmen der Befristungskontrolle zu berücksichtigende Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch ideellen Anliegen (BAG Urteil vom 11. Juni 1997, aaO, zu II 3 c der Gründe).

d) Der tarifliche Sachgrund wird auch nicht durch die von den Tarifvertragsparteien gebilligten Betriebsvereinbarungen vom 25. Juli 1994 über die Weiterbeschäftigung in Teilzeit in Frage gestellt. § 19 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal bleibt kraft ausdrücklicher Bestimmung in § 3 der Betriebsvereinbarung „Beschäftigung Flugzeugführer nach Vollendung des 55. Lebensjahres” unberührt. Im übrigen verbessern die Betriebsvereinbarungen die Rechtsstellung des Arbeitnehmers. Durch die Normen der Betriebsvereinbarungen wird ihm das Recht zugestanden, durch einseitige Willenserklärung das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 1 der vorgenannten Betriebsvereinbarung. Zwar kann danach das Arbeitsverhältnis nur als Teilzeitarbeitsverhältnis nach Maßgabe der Betriebsvereinbarungen fortgesetzt werden. Der Arbeitnehmer erreicht jedoch auf diese Weise eine weitergehende wirtschaftliche Absicherung als durch die tariflich geregelte Übergangsversorgung, die ihm 60 % seines letzten Nettoentgelts sichert.

2. Die in der Tarifnorm des § 19 Abs. 1 Satz 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal geregelte Altersgrenze ist auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Das folgt aus der Funktion der Befristungskontrolle.

a) Regelungen, die wie die vorliegende tarifliche Altersgrenze unabhängig von dem Willen des Arbeitnehmers zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, beschränken den Arbeitnehmer in seiner arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit. Art. 12 Abs. 1 GG schützt den einzelnen nicht nur darin, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem gewählten Beruf zu ergreifen, sondern auch seinen Willen, diese Beschäftigung beizubehalten oder aufzugeben. Das Grundrecht schützt allerdings nur gegen staatliche Maßnahmen, die diese Freiheit beschränken (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG). Einen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen gewährt das Grundrecht dagegen nicht (BVerfG Urteil vom 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – AP Nr. 70 zu Art. 12 GG). Das gilt auch für Tarifnormen. Sie beruhen auf kollektiv ausgeübter Privatautonomie (BAG Urteil vom 14. Oktober 1997 – 7 AZR 811/96 –, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt), nachdem die Tarifvertragsparteien ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG wahrgenommen und Regelungen zu bestimmten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geschaffen haben. Dazu zählen auch Normen, die einen Sachgrund für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ohne Ausspruch einer Kündigung regeln (BAG Urteil vom 11. Juni 1997, aaO) und damit eine von § 620 BGB zugelassene Gestaltungsmöglichkeit von Arbeitsverhältnissen konkretisieren.

Die Geltung dieser Normen beruht auf dem privatautonomen Verbandsbeitritt ihrer Mitglieder. Mit der Wahrnehmung ihres Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG unterwerfen sie sich bestehendem und künftigem Tarifrecht (Söllner, NZA 1996, 897, 902; Singer, SAE 1997, 213, 217 f.; Dieterich, Festschrift Schaub, S. 117, 121). Das gilt auch hinsichtlich der mit der Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen typischerweise verbundenen Beschränkungen der Berufsfreiheit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

b) Mit der privatautonomen Unterwerfung unter geltendes und künftiges Tarifrecht sind die Parteien eines Arbeitsverhältnisses der Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien allerdings nicht schutzlos ausgeliefert. Das folgt aus der vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Schutzpflichtfunktion der Grundrechte (BVerfGE 39, 1, 42; 88, 203, 254; Canaris, AcP, Band 184 (1984), 201, 227), die staatliche Grundrechtsadressaten dazu verpflichten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren. Wie der aus der grundrechtlichen Schutzpflicht folgende Mindestschutz in Bezug auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu bestimmen und das Spannungsverhältnis der jeweiligen Grundrechte und Grundrechtsträger zu lösen ist (Kühling, AuR 1994, 126, 127), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn für den Bereich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen hat der Gesetzgeber einer aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht durch den Erlaß von Kündigungsschutzvorschriften genügt (BVerfG Urteil vom 24. April 1991, aaO) und damit ein bestimmtes Maß an Arbeitsplatzschutz vorgegeben. Nichts anderes gilt für die Befristung von Arbeitsverhältnissen, bei der die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle die Funktion des Kündigungsschutzes übernimmt (BAG Urteil vom 11. Juni 1997, aaO). Ihre Aufgabe ist es, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen, den staatlichen Kündigungsschutz umgehenden Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen und damit einen angemessenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien zu finden. Kommt ein staatliches Gericht im Rahmen der Befristungskontrolle zu dem Ergebnis, der tarifvertraglich vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehle der Sachgrund, so erklärt es zugleich, daß die privatautonome Regelung den Arbeitnehmer in seiner Berufsfreiheit unangemessen einschränkt. Genügt aber ein tariflich geregelter Sachgrund den Kontrollmaßstäben der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle, ist die darauf beruhende privatautonome Gestaltung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsverhältnisses nicht unangemessen. Sie ist von denjenigen Arbeitsvertragsparteien hinzunehmen, die sich dem Tarifrecht unterworfen haben (BAG Urteil vom 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 –, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).

c) Für das vorliegende Arbeitsverhältnis gilt die tarifliche Altersgrenze kraft einzelvertraglicher Bezugnahme. Daraus folgen keine Besonderheiten bei der Grundrechtskontrolle. Denn die Arbeitsvertragsparteien haben damit über ihre Grundrechte im Wege einer privatautonomen Regelung verfügt und geregelt, daß zwischen ihnen die gleiche Rechtslage wie bei den tarifgebundenen Parteien gelten soll.

B. Nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Befristungsgrund des § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Arbeitsverhältnis tatsächlich gegeben ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31. März 1995 geendet hat.

I. Der tariflich geregelte Sachgrund des § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal stellt ausschließlich auf besondere Leistungsanforderungen und Gefahrenpotentiale einer rein fliegerischen Tätigkeit ab. Das rechtfertigt nicht die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, in dem der Arbeitnehmer neben der fliegerischen Tätigkeit eine weitere Arbeitsleistung schuldet, deren ordnungsgemäße Erbringung dieses spezifische Leistungsvermögen nicht verlangt. Für diesen Fall wäre eine sachliche Rechtfertigung für die Beendigung des gesamten Arbeitsverhältnisses nur gegeben, wenn die Ausübung einer fliegerischen Tätigkeit und die darauf beruhenden aktuellen fliegerischen Erfahrungen Voraussetzungen für die sachgerechte Ausübung der Abteilungsleitertätigkeit wären.

II. Das Landesarbeitsgericht hat diese Zusammenhänge nicht geprüft und von näheren Feststellungen zum Inhalt des vorliegenden Arbeitsverhältnisses abgesehen. Bei Fehlen eines sachlichen Zusammenhangs beider Tätigkeiten wird das Landesarbeitsgericht zu beurteilen haben, in welchem zeitlichen Umfang das Arbeitsverhältnis beschränkt auf die Abteilungsleiterfunktion fortbestehen kann. In diesem Zusammenhang wird das Landesarbeitsgericht auch zu prüfen haben, ob die Tätigkeit als Abteilungsleiter zum 31. März 1995 nicht bereits aufgrund eines anderen Beendigungstatbestandes, wie etwa des Ausspruchs einer Änderungskündigung oder der zulässigen Ausübung eines zwischen den Parteien vereinbarten Widerrufs, in Frage kommt. Dazu wird es die Parteien zur Ergänzung ihres Sachvortrages aufzufordern haben. Im Hinblick darauf sieht der Senat von weiteren Hinweisen für die Sachaufklärung ab.

C. Soweit das Vollzeitarbeitsverhältnis der Parteien am 31. März 1995 geendet hat, wird das Landesarbeitsgericht nach dem Antrag des Klägers auch prüfen müssen, ob er von der Beklagten die Annahme seines Angebots auf Fortsetzung der fliegerischen Tätigkeit in einem Vollzeitarbeitsverhältnis nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal verlangen kann.

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nach dem 31. März 1995 aufgrund einer einzelvertraglichen Erklärung des Klägers auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 25. Juli 1994 fortgesetzt worden. Die vom Kläger angenommene Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung hätte keine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Vollzeit zur Folge. In diesem Fall scheidet die Betriebsvereinbarung lediglich als Rechtsgrundlage für die Begründung eines befristeten Teilzeitarbeitsverhältnisses aus.

II. Über die Fortführung des Arbeitsverhältnisses in Vollzeit nach dem 31. März 1995 fehlt es an einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Der Kläger hat jedoch einen Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt, der nach seinem Vorbringen und nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht auf die Rechtsfolge eines erst zu begründenden Arbeitsverhältnisses, sondern auf die Fortführung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluß jahresbezogener Arbeitsverträge nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal gerichtet ist.

1. Im Hinblick darauf wird das Landesarbeitsgericht nach § 139 ZPO zunächst auf einen sachdienlichen Klageantrag hinwirken müssen. Dazu muß dem Kläger Gelegenheit gegeben werden, seinen Antrag auf Annahme eines entsprechenden Vertragsangebots durch die Beklagte zu konkretisieren und den zeitlichen Umfang seines Begehrens einzuschränken. In diesem Zusammenhang wird das Landesarbeitsgericht beachten müssen, daß der Kläger im Wege der Leistungsklage eine Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines Vollzeitarbeitsverhältnisses erst ab Rechtskraft einer obsiegenden Entscheidung in diesem Verfahren verlangen kann (§ 894 ZPO). Ein Antrag auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines Vollzeitarbeitsverhältnisses für einen davor liegenden Zeitraum würde zu einem Vertrag führen, dessen wechselseitige Erfüllung im Zeitpunkt des durch § 894 ZPO fingierten Vertragsschlusses unmöglich und damit nach § 306 BGB nichtig wäre (vgl. BAG Urteile vom 14. Oktober 1997 – 7 AZR 298/96 – und – 7 AZR 811/96 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).

2. Bei der Prüfung des entsprechenden Leistungsantrags wird das Landesarbeitsgericht davon auszugehen haben, daß dem Kläger bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 MTV Nr. 4 Cockpitpersonal ein Anspruch auf Abschluß eines Vollzeitarbeitsverhältnisses zusteht, soweit die Beklagte nicht ausnahmsweise besonders gewichtige betriebliche Belange geltend machen kann, die einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses in Vollzeit entgegenstehen (vgl. A II 1 c). Dabei wird es auch zu beachten haben, daß die Beklagte seit dem 1. April 1995 den Kläger als Flugzeugführer jedenfalls in Teilzeit beschäftigt. Auch im Hinblick darauf wird das Landesarbeitsgericht der Beklagten Gelegenheit zum weiteren Sachvortrag geben müssen.

 

Unterschriften

Dörner, Schmidt, Mikosch, Ruppert, Meyer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1126969

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