Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Altersgrenzen für Flugzeugführer. Lufthansa

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die Regelung des § 19 Abs. 1 MTV-Bord i. d. F. des § 18 Tarifvertrag Schutzabkommen Bord, nach der das Arbeitsverhältnis eines Angehörigen des Bordpersonals mit Ablauf des Monats endet, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird, ist für das Cockpit-Personal im Hinblick auf die in Abs. 2 vorgesehene Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis viermal um je ein weiteres Jahr zu verlängern, sowie die im Tarifvertrag Übergangsversorgung enthaltene ausreichende Versorgungsregelung wirksam (im Anschluß an das Senatsurteil vom 20. Dezember 1984 – 2 AZR 3/84 – EzA § 620 BGB Bedingung Nr. 4).
  • Im Hinblick auf die für das Cockpit-Personal eingerichtete Übergangsversorgung ist der bestimmungsberechtigte Arbeitgeber nicht regelmäßig verpflichtet, das Arbeitsverhältnis gemäß § 19 Abs. 2 MTV-Bord nach billigem Ermessen zu verlängern, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind. Er hat jedoch im Rahmen der bei der Ausübung des Bestimmungsrechts gebotenen Interessenabwägung auf besondere, gerade dem betroffenen Arbeitnehmer durch das vorzeitige Ausscheiden entstehende soziale Härten Rücksicht zu nehmen.
 

Normenkette

BGB §§ 620, 315; GG Art. 12; TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa; Manteltarifvertrag Nr. 3 für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa AG (DLH) und der Condor Flugdienst GmbH (CFG) vom 8. April 1980 – MTV-Bord – § 19; Tarifvertrag Schutzabkommen Bord für das Bordpersonal der DLH und der CFG vom 29. Oktober 1980 Präambel §§ 2, 18; Tarifvertrag Schutzabkommen Bord für das Bordpersonal der DLH und der CFG vom 29. Oktober 1980 Präambel Protokollnotiz Ziff. 2; Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpit-Personal der DLH und der CFG vom 1. Juli 1972 §§ 5-6

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 24.10.1984; Aktenzeichen 10 Sa 283/83)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.12.1982; Aktenzeichen 11 Ca 7/82)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Oktober 1984 – 10 Sa 283/83 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der am 8. Januar 1926 geborene, verheiratete und einem minderjährigen Kind unterhaltspflichtige Kläger war nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Flugzeugführer bei der Condor-Luftreederei GmbH seit 15. November 1961 bei der Beklagten als Flugkapitän beschäftigt. Er war auf vier verschiedenen Flugzeugmodellen, zuletzt auf dem Muster Mc. Donald Douglas DC 10 eingesetzt. Die Umschulung auf dieses Muster hatte er im Jahre 1978 absolviert. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildete der am 9. November 1961 abgeschlossene Anstellungsvertrag. Danach sollten auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für das Bordpersonal der Beklagten sowie ihre allgemeinen Dienstvorschriften Anwendung finden, die seit 1960 die Befristung der Arbeitsverträge eines Flugzeugführers bis zu dem Monat vorsahen, in dem er das 55. Lebensjahr vollendet.

Der zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e. V. und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft für das Bordpersonal der Beklagten abgeschlossene und am 1. Januar 1979 inkraft getretene Mantel-Tarifvertrag Nr. 3 Bordpersonal (künftig: MTV-Bord) vom 8. April 1980 enthält, soweit hier von Interesse, in § 19 folgende Regelung:

  • Das Arbeitsverhältnis endet – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird.
  • Das Arbeitsverhältnis des Cockpitangehörigen kann bei körperlicher und beruflicher Eignung über dieses Alter verlängert werden, soweit die einschlägigen Vorschriften eine Verwendung über das 55. Lebensjahr hinaus zulassen. Wird das Arbeitsverhältnis des Angehörigen des Cockpitpersonals ausnahmsweise entsprechend Satz 1 über das 55. Lebensjahr verlängert, so endet es – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Angehörige des Cockpitpersonals 2 weitere Lebensjahre vollendet. Eine wiederholte Verlängerung ist zulässig; Satz 2 gilt entsprechend. In jedem Fall endet das Arbeitsverhältnis – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Angehörige des Cockpitpersonals das 60. Lebensjahr vollendet.
  • Angehörige des Bordpersonals können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und solange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft weiterbeschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Angehöriger des Bordpersonals kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf seiten der DLH/CFG noch auf seiten des Angehörigen des Bordpersonals.

In dem am 29. Oktober 1980 für das Bordpersonal der Beklagten abgeschlossenen Tarifvertrag Rationalisierungsschutzabkommen Bordpersonal (künftig: TV-Schutz), der am 1. Dezember 1980 in Kraft trat, wurde § 19 Abs. 2 MTV-Bord dahin geändert, daß über das 55. Lebensjahr hinaus bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres das Arbeitsverhältnis nur noch jeweils um ein Jahr verlängert werden kann.

Angehörige des Cockpit-Personals der Beklagten, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres ausscheiden, erhalten bis zum Beginn der Altersrente aus der Angestelltenversicherung, längstens bis zum vollendeten 65. Lebensjahr, nach dem am 1. Juni 1968 in Kraft getretenen Tarifvertrag Übergangsversorgung Cockpit-Personal und dem an seine Stelle getretenen Tarifvertrag vom 1. Juli 1972 (künftig: TV-ÜV) eine Übergangsversorgung, die sich aus einer Grundrente und einer Zusatzrente zusammensetzt. Nach der ab 1. Juli 1972 geltenden Regelung werden für die Berechnung der Zusatzrenten für die ersten zehn Dienstjahre als Kapitän je 1,3 % und für die folgenden Dienstjahre je 1,1 % der im Jahre der ersten Zahlung der Zusatzrente maßgeblichen allgemeinen Bemessungsgrundlage der Angestelltenversicherung zugrunde gelegt. Der danach errechnete Betrag wird ab 1. Juli 1976 zu 100 % als monatliche Rente ausgezahlt (§ 5 TV-ÜV). Für Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 1925 oder vorher geboren und am 23. Juli 1982 bei der Beklagten beschäftigt waren, sind nach § 6 Buchst. b) TV-ÜV bei Eintritt des Rentenfalles zur Berechnung der Zusatzrente 15 Jahre nach Maßgabe der letzten Beschäftigungsgruppe zusätzlich anzurechnen; die danach zu berücksichtigende Beschäftigungsdauer beträgt jedoch höchstens 30 Beschäftigungsjahre.

Gemäß Bestätigungsschreiben der Beklagten vom 1. Dezember 1980 vereinbarten die Parteien die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses des Klägers bis 31. Januar 1982, dem Ende des Monats, in dem er das 56. Lebensjahr vollendete.

Mit Schreiben vom 1. September 1981 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach einem Vorstandsbeschluß seien ab sofort mit Bordpersonal über das 55. Lebensjahre hinaus keine Vertragsverlängerungen mehr möglich. Zur Begründung wurde angeführt, die wirtschaftliche Lage des Konzerns habe sich erheblich verschlechtert. Auch für die kommenden Jahre müsse mit einer sehr verhaltenen Nachfrage gerechnet werden. Dies mache eine Verringerung der Konzernflotte erforderlich, die in einzelnen Unternehmensbereichen zu Personalüberhängen geführt habe. Nach einer Intervention des früheren Prozeßbevollmächtigten des Klägers bei dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 4. Dezember 1981 eine Vertragsverlängerung endgültig ab.

Mit der am 7. Januar 1982 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst die Verurteilung der Beklagten erstrebt, mit ihm ab 1. Februar 1982 bis zur Vollendung seines 60. Lebensjahres jeweils auf ein weiteres Jahr befristete Arbeitsverträge abzuschließen.

Der Kläger hat vorgetragen, sein Arbeitsverhältnis sei am 31. Januar 1982 nicht beendet worden, weil § 19 Abs. 1 TV-Bord unwirksam sei. Eine generelle Befristung von Arbeitsverhältnissen auf das 55. Lebensjahr sei unzulässig, weil hierfür kein sachlicher Grund vorliege. Die früher vertretene Ansicht, die Flugtauglichkeit lasse vom 55. Lebensjahr an nach, sei durch neuere medizinische Erkenntnisse längst überholt. In jedem Falle sei die Beklagte jedoch verpflichtet gewesen, ihn in Anwendung der Verlängerungsklausel des § 19 Abs. 2 TV-Bord bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. bis zu einem früheren Eintritt der Fluguntauglichkeit weiterzubeschäftigen. Die Beklagte habe in der Vergangenheit regelmäßig Verlängerungsverträge mit Flugzeugführern abgeschlossen, sofern die Flugtauglichkeit fortbestanden habe. Hierdurch sei eine betriebliche Übung entstanden, die zumindest nicht kurzfristig habe beseitigt werden können. Er bestreite, daß in der DC 10-Flotte ein Personalüberhang bestehe.

Eine Vertragsverlängerung könne er ferner deshalb beanspruchen, weil er sich aufgrund mehrerer Unterredungen mit seinem Flottenchef, dem Flugkapitän R…, darauf habe verlassen können, daß eine erneute Vertragsverlängerung von der Beklagten zugesagt sei. Dies gelte um so mehr, als er nur eine verhältnismäßig niedrige Übergangsversorgung erhalte. Obwohl er noch Kriegsteilnehmer gewesen sei, würden für die Berechnung der Zusatzrente nach dem TV-ÜV nur seine bei der Beklagten verbrachten 20 Dienstjahre zugrunde gelegt, weil er acht Tage nach dem 31. Dezember 1925 geboren sei, der nach § 6 TV-ÜV als Stichtag für eine Hinzurechnung weiterer fiktiver 15 Beschäftigungsjahre bis zur Höchstgrenze von 30 Beschäftigungsjahren festgelegt sei. Er erhalte somit im Hinblick auf eine in einem sog. Side-Letter der Beklagten vom 30. September 1968 gegebene Mindestgarantie nur 25 % statt rund 35 % der Bemessungsgrundlage und deshalb an Übergangsversorgung nur 6.025,-- DM brutto statt 8.435,-- DM brutto.

Schließlich sei die Beklagte auch nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz zur Vertragsverlängerung verpflichtet, da sie trotz des Vorstandsbeschlusses mit mindestens sechs Flugkapitänen (Dr. M…, Ma…, S…, D…, Sch…, Mar…) Vertragsverlängerungen vereinbart habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, mit ihm gemäß dem TV-Schutz für die Zeit nach dem 1. Februar 1982 befristete Arbeitsverträge für jeweils ein weiteres Jahr bis zu seinem 60. Lebensjahr abzuschließen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ferner Widerklage erhoben mit dem Antrag

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien am 31. Januar 1982 geendet hat, hilfsweise festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht über den 31. Januar 1983 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat vorgetragen, die in § 19 TV-Bord festgelegte Befristung des Arbeitsverhältnisses könnten die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie vereinbaren. Die Regelung sei deshalb von den Gerichten nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung, sondern nur darauf zu überprüfen, ob ein Verstoß gegen zwingendes Recht oder gegen allgemeine Grundsätze des Arbeitsrechts vorliege. Hiervon könne im Hinblick auf die bis zum Eintritt des Rentenalters gewährleistete Übergangsversorgung keine Rede sein.

Aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung könne der Kläger keine Vertragsverlängerung beanspruchen, da diese nach der ausdrücklich in § 19 Abs. 2 TV-Bord getroffenen Regelung in ihrem Ermessen liege. Der Flottenchef R… habe dem Kläger keine verbindliche Verlängerungszusage gemacht. Sie habe mit der Ablehnung einer weiteren Vertragsverlängerung auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Für die vom Kläger angeführten Vertragsverlängerungen habe jeweils ein besonderer Anlaß bestanden. Die Flugkapitäne Dr. M… und Ma… gehörten dem Führungspersonal an. Auf sie habe im Hinblick auf ihre besonderen Erfahrungen und ihre fachliche Eignung nicht verzichtet werden können. Zudem überwögen ihre Managmentaufgaben ihrem fliegerischen Einsatz. Flugkapitän S… sei Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, für den kein Ersatzmitglied vorhanden gewesen sei. Die übrigen drei Flugkapitäne, die der B 747- bzw. B 727-Flotte angehörten, hätten bereits vor dem Vorstandsbeschluß von ihren zuständigen Flottenchefs bindende Zusagen über eine Vertragsverlängerung erhalten (D… im November 1980, Sch… und Mar… im Mai 1981).

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Flottenchefs R… die Klage als unbegründet und die Widerklage als unzulässig abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat nur der Kläger Berufung eingelegt. Er hat ergänzend vorgetragen, auch für die Einführung einer Altersgrenze durch Tarifvertrag müsse ein sachlicher Grund vorliegen. Für die Begrenzung des Arbeitsverhältnisses auf das 55. Lebensjahr, die regelmäßig zur Arbeitslosigkeit bis zum Erreichen des Rentenalters führe, sei an die sachliche Rechtfertigung ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Voraussetzung hierfür sei in jedem Fall das Bestehen einer ausreichenden Altersversorgung, die in einem angemessenen Verhältnis zu dem bisherigen Arbeitsverdienst stehen und der Altersversorgung vergleichbarer Arbeitnehmer entsprechen müsse. Eine solche Altersversorgung habe er jedoch im Hinblick auf die in § 6 TV-ÜV getroffene Stichtagsregelung nicht erwerben können. Zumindest hätten diese Umstände nach § 19 Abs. 2 MTV-Bord zu einer Vertragsverlängerung bis zum 60. Lebensjahr führen müssen, da die Entscheidung hierüber nach billigem Ermessen zu treffen sei und er nur auf diese Weise die einer ausreichenden Übergangsversorgung entsprechende wirtschaftliche Sicherung erlangen könnte.

Die betriebliche Übung, die Arbeitsverträge mit Flugzeugführern grundsätzlich zu verlängern, sei weder durch den Vorstandsbeschluß der Beklagten noch durch die Verkürzung des Verlängerungszeitraums auf ein Jahr durch den TV-Schutz beseitigt worden. Zweck dieser tariflichen Neuregelung sei gewesen, bei Personalüberhang Kündigungen von jüngeren Piloten zu vermeiden, wie sich aus der Protokollnotiz Nr. 2 zum TV-Schutz ergebe.

Zur Begründung dafür, daß die Beklagte mit der Nichtverlängerung seines Arbeitsvertrages gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen habe, hat sich der Kläger noch auf weitere Vertragsverlängerungen (unter anderem mit den Flugkapitänen B…, W… und Gl… sowie mit zwei Mitgliedern des Kabinenpersonals) berufen.

Der Kläger hat folgende Anträge gestellt,

  • unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 15. Dezember 1982 festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien über den 31. Januar 1982 fortdauert,
  • die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger seit dem 1. Februar 1982 sein bisheriges Monatsgehalt als Kapitän DC-10 – abzüglich gezahlter Übergangsversorgung – in Höhe von DM 6.517,-- monatlich, nebst 12 % Zinsen ab dem jeweils folgenden Monatsersten weiter zu zahlen,
  • den Kläger als verantwortlichen Flugzeugführer auf einem Flugzeugmuster DC-10 zu beschäftigen,
  • hilfsweise,

    die Beklagte zu verurteilen, mit dem Kläger jeweils einjährige Verlängerungs-Arbeitsverträge abzuschließen, bis der Kläger das 60. Lebensjahr unter Fortbestand der fliegerischen Voraussetzungen als Flugkapitän DC-10 erreicht hat, und den Kläger als verantwortlichen Flugzeugführer auf dem Flugzeugmuster DC-10 entsprechend fortzubeschäftigen,

    hilfsweise,

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadenersatz zu zahlen in Höhe von DM 6.517,-- pro Monat (nämlich der Differenz zwischen seinem bisherigen Gehalt als verantwortlichem Flugzeugführer DC-10 und seiner derzeit bezogenen verminderten Übergangsversorgung) seit dem 1. Februar 1982,

    hilfsweise,

    festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger so zu stellen, daß er in seiner Vorabversorgung vor Erreichen des eigentlichen Rentenalters denjenigen Flugkapitänen der Beklagten gleichgestellt wird, deren Geburtsdatum vor dem Stichtag 31. Dezember 1925 liegt, so daß der Kläger als Übergangsversorgungsrente gleichfalls 35 % der von der Beklagten angewandten Bemessungsgrundlage erhält.

Die Beklagte hat der Änderung der Klageanträge widersprochen und weiter vorgetragen, die tarifliche Altersgrenze könne auch wegen des Bestehens einer ausreichenden Altersversorgung nicht beanstandet werden. Hierfür komme es nicht darauf an, wie sich das bestehende Versorgungswerk gerade auch gegenüber den einzelnen betroffenen Arbeitnehmern auswirke. Im übrigen erhalte der Kläger trotz der für ihn sicher ungünstigen Stichtagsregelung in § 6 TV-ÜV eine angemessene Übergangsversorgung.

Auf gerichtliche Auflage hat die Beklagte zu den nach dem Vorstandsbeschluß vorgenommenen Vertragsverlängerungen noch näher Stellung genommen und zu den vom Kläger zusätzlich ausgeführten Vertragsverlängerungen vorgetragen, das Arbeitsverhältnis des bei ihrer Tochtergesellschaft Condor-Flug beschäftigten Flugkapitäns B… sei um insgesamt zwei Jahre bis 30. November 1984 (Vollendung des 57. Lebensjahres) – wie im Fall des Flugkapitäns S… – wegen seiner Funktion als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat verlängert worden.

Die Verträge mit den Flugkapitänen Gl… und W… seien bereits vor dem Vorstandsbeschluß und der Änderung des § 19 Abs. 2 TV-Bord durch den TV-Schutz vom 29. Oktober 1980 für zwei Jahre verlängert worden.

Flugkapitän D… habe der B 727-Flotte, die übrigen bei ihr beschäftigten Flugkapitäne hätten der B 747-Flotte angehört, in denen, im Gegensatz zur DC 10-Flotte, Personalbedarf bestanden habe. Nach der Entscheidung des Vorstands sei es jedoch für die Frage der Vertragsverlängerung auf die Bedarfslage in den einzelnen Flotten nicht mehr angekommen. Die Verträge mit den Flugkapitänen Sch…, Mar… und D… seien somit allein wegen der ihnen vor dem Vorstandsbeschluß gegebenen bindenden Zusagen verlängert worden.

Die beiden vom Kläger genannten Mitglieder des Kabinenpersonals seien mit Flugkapitänen nicht vergleichbar.

Die Beklagte hat weiter im einzelnen dargelegt, daß im Jahre 1981 in den Flotten B 747 und B 727 ein Engpaß an Flugkapitänen von 14,2 % bzw. 7,9 %, in der DC 10-Flotte dagegen ein Personalüberhang von ca. 10 % bestanden habe.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage, soweit sie in der Berufungsinstanz erweitert worden war, abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger folgende, zum Teil geänderte Anträge:

  • Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt vom 24. 10. 1984, 10 Sa 283/83 abgeändert.
  • Es wird unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 15.12.1982 – 11 Ca 7/82 – festgestellt, daß das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.1.1982 hinaus bis zum 31.1.1986 fortgedauert hat.
  • Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 1. Februar 1982 an sein bisheriges Monatsgehalt als Kapitän auf DC 10 abzüglich gezahlter Übergangsversorgung in Höhe von DM 6.517,-- monatlich – nebst 12 % Zinsen aus dem jeweiligen Unterschiedsbetrag ab dem jeweils folgenden Monatsersten weiterzuzahlen bis zum 31.1.1986 einschließlich.
  • Hilfsweise:
  • Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet war, mit dem Kläger für die Zeit vom 31.1.1982 an jeweils einjährige Arbeitsverträge abzuschließen, der letzte auslaufend mit dem 31.1.1986 und den Kläger als verantwortlichen Flugzeugführer auf dem Flugzeugmuster DC 10 weiterzubeschäftigen.
  • Hilfsweise zu Ziff. 4):
  • Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadenersatz für die Zeit vom 1.2.1982 bis zum 31.1.1986 zu zahlen, der sich aus der Summe der Differenzen zwischen der von der Beklagten dem Kläger seitdem bezahlten Übergangsversorgung und der regelmäßigen Tätigkeit als Flugkapitän auf dem Flugzeugmuster DC 10 in der Zeit bis zum 31.1.1986 ergibt.
  • Hilfsweise zu Ziff. 5):
  • Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Zusatzrente nach dem Übergangsversorgungstarifvertrag für die Zeit vom 1.2.1982 unter Zugrundelegung der Bemessungsgrundlage von 35 % zu zahlen.

Den in der Berufungsinstanz (unter Ziff. 3) gestellten und in der Revisionsinstanz in abgeänderter Fassung zunächst weiterverfolgten Antrag, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als verantwortlichen Flugzeugführer für das Flugzeugmuster DC 10 bis zum 31. Januar 1986 weiterzubeschäftigen, haben die Parteien in der Revisionsverhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt, die Revision im Umfang der aufrechterhaltenen Anträge zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

A. Die noch weiterverfolgten Hauptanträge des Klägers (Berufungsinstanz: Ziff. 1 und 2; Revisionsinstanz: Ziff. 2 und 3) bleiben erfolglos.

I. Der Kläger hat diese Anträge in der Revisionsinstanz gegenüber der Berufungsinstanz dahingehend geändert, daß er die Feststellung des Fortbestehens seines Arbeitsverhältnisses zeitlich begrenzt auf den 31. Januar 1986 (Vollendung des 60. Lebensjahres) beantragt und auch die Verurteilung der Beklagten zur Gehaltsfortzahlung auf diesen Termin beschränkt hat. Da der Klageanspruch derselbe geblieben ist, liegt ein Fall der Klageeinschränkung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO vor, der auch noch in der Revisionsinstanz vorgenommen werden kann (vgl. BAG 17, 331, 334 = AP Nr. 104 zu § 242 BGB Ruhegeld, zu I 1 der Gründe).

II. Das Berufungsgericht hat die in § 19 Abs. 1 MTV-Bord festgelegte Begrenzung des Arbeitsverhältnisses auf die Vollendung des 55. Lebensjahres für wirksam angesehen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, die Parteien dieses Tarifvertrages hätten über eine entsprechende Regelungsmacht verfügt. Tarifliche Regelungen unterlägen zwar nicht einer allgemeinen Billigkeitskontrolle. Jedoch müßten Tarifverträge jeweils die Grenzen einhalten, welche durch Verfassung, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten und die tragenden Grundsätze des Arbeitsrechts gezogen seien. Diesen Anforderungen entspreche das für die Beklagte maßgebende Tarifwerk im Hinblick auf die gemäß § 24 Abs. 3 MTV-Bord und dem TV-ÜV dem Cockpit-Personal gewährte Übergangsversorgung. Danach bestehe eine eigens auf das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis abstellende und auch der Höhe nach generell ausreichende Altersversorgung. Selbst wenn man für die Frage, wann eine Altersversorgung als ausreichend anzusehen sei, nicht nur auf den Mindestlebensstandard abstelle, könne für eine tarifliche und somit für eine Vielzahl von Arbeitnehmern ausgehende Regelung nur ein allgemeiner Beurteilungsmaßstab in Betracht kommen. Danach stelle das Versorgungsrecht der Beklagten eine generell ausreichende Versorgungsregelung dar. Dies gelte auch für die in § 6 TV-ÜV getroffene Ausgleichsregelung für Kriegsteilnehmer, die ohne erkennbare Willkür der Tarifvertragsparteien lediglich bis zum 31. Dezember 1925 geborene Angehörige des Cockpit-Personals erfasse. Sie führe auch nicht allein im Verhältnis zu nur wenig lebensälteren Kollegen zu einer niedrigeren Übergangsversorgung des Klägers, da der Kläger zunächst etwa fünf Jahre bei einer anderen Fluggesellschaft beschäftigt gewesen sei und insoweit bei der Beklagten entsprechend weniger Dienstjahre habe verbringen können.

Die tarifliche Altersbegrenzung verstoße auch nicht gegen die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer oder gegen zwingende Vorschriften des Kündigungsschutzrechts. Sie beruhe auf langjährigen Erfahrungswerten und schließe weitere Ordnungsgesichtspunkte, wie die Herbeiführung eines vernünftigen Altersaufbaus mit entsprechenden Aufstiegsfunktionen für Nachwuchskräfte ein. Auch erscheine es aus Sicherheitsgründen naheliegend, im Hinblick auf die an das Cockpit-Personal zu stellenden hohen Anforderungen die generelle Dienstzeit nicht bis zur behördlich zugelassenen Höchstgrenze von sechzig Jahren auszudehnen. Die Regelung sei von den Betroffenen bisher akzeptiert und wohl eher als Begünstigung empfunden worden, zumal sie mit einer ausreichenden Übergangsversorgung verbunden und durch die im Tarifvertrag eingeräumten Verlängerungsmöglichkeiten generell flexibel gestaltet sei.

Dieser Würdigung ist im Ergebnis zuzustimmen.

III. Der Senat hatte bereits in dem Urteil vom 20. Dezember 1984 (– 2 AZR 3/84 – EzA § 620 BGB Bedingung Nr. 4) über die Wirksamkeit einer im wesentlichen inhaltsgleichen tariflichen Regelung über Altersgrenzen für Mitglieder des Bordpersonal in einem deutschen Luftfahrtunternehmen zu entscheiden, die – anders als vorliegend – keine Übergangsversorgung bis zum Einsetzen der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht. Es handelt sich um den Mantel-Tarifvertrag für das Bordpersonal der LTU Lufttransport-Unternehmen KG vom 1. Januar 1980, dessen § 47 wie folgt lautet:

  • Ausscheiden wegen Erreichens der Altersgrenze
  • Das Arbeitsverhältnis eines Angehörigen des Bordpersonals endet – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird.
  • Das Arbeitsverhältnis kann bei körperlicher und beruflicher Eignung über dieses Alter verlängert werden, soweit die einschlägigen Vorschriften eine Verwendung über das 55. Lebensjahr hinaus zulassen. Wird das Arbeitsverhältnis des Angehörigen des Bordpersonals ausnahmsweise entsprechend Satz 1 über das 55. Lebensjahr hinaus verlängert, so endet es – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Angehörige des Bordpersonals 2 zweitere Lebensjahre vollendet hat. Eine wiederholte Verlängerung ist zulässig; Satz 2 gilt entsprechend.

    In jedem Fall endet das Arbeitsverhältnis – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Angehörige des Bordpersonals das 59. Lebensjahr vollendet.

  • Angehörige des Bordpersonals können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und solange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der LTU weiterbeschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Angehöriger des Bordpersonals kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf Seiten der LTU noch auf Seiten des Angehörigen des Bordpersonals.

Die Regelung weicht in den hier interessierenden Absätzen 1 und 2 von § 19 MTV-Bord in der seit 1. Dezember 1980 geltenden Fassung nur insoweit ab, als nach Abs. 2 eine Verlängerung von jeweils zwei Jahren – entsprechend § 19 Abs. 2 MTV-Bord a. F. –, jedoch nur bis zur Vollendung des 59. Lebensjahres zulässig ist.

IV. Bei Anwendung der in diesem Urteil entwickelten Grundsätze und im Hinblick auf die im Tarifwerk der Beklagten vorgesehene Übergangsversorgung ist die in § 19 Abs. 1 MTV-Bord getroffene Regelung rechtswirksam.

1. Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, können die Tarifvertragsparteien im Rahmen der Tarifautonomie im Tarifvertrag auch Regeln über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters vereinbaren. Dies ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt (Senatsurteil vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B I 1 der Gründe, m. w. N.).

2. Auch eine solche tarifliche Regelung darf allerdings nicht zu einer Umgehung zwingender kündigungsschutzrechtlicher Normen führen.

a) Regelungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze haben eine auflösende Bedingung zum Inhalt, deren Zulässigkeit nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend Beschluß des Großen Senats BAG 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) zu beurteilen ist (Senatsurteil vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B I 3 und 4 der Gründe).

b) Nicht abschließend geklärt sind allerdings bislang Inhalt und Grenzen der richterlichen Inhaltskontrolle tariflicher Regelungen und der Gründe für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, insbesondere von Befristungen. Es ist im Schrifttum und in der Rechtsprechung auch des Bundesarbeitsgerichts umstritten, ob einer solchen tariflichen Regelung eine materielle Richtigkeitsgewähr zukommt, die eine richterliche Inhaltskontrolle ausschließt oder einschränkt, und ob es sich bei den Grundsätzen der Befristungskontrolle letztlich um tarifdispositives Richterrecht handelt. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. Mai 1981 (– 2 AZR 1117/78 – BAG 35, 309, 315, 316 = AP Nr. 15 zu § 611 BGB Bühnenengagementvertrag, zu II 2d der Gründe) näher dargelegt. Auf diese Ausführungen wird verwiesen, weil der Senat auch vorliegend nicht abschließend zu entscheiden braucht, in welchem Umfang die tarifliche Regelung der Beendigung von Arbeitsverhältnissen der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegt.

Diese Klärung ist, ebenso wie in dem der Senatsentscheidung vom 20. Dezember 1984 (aaO) zugrundeliegenden Fall, deswegen entbehrlich, weil § 19 Abs. 1 MTV-Bord zumindest bei der Berücksichtigung der tariflichen Übergangsversorgung und der in § 19 dieses Tarifvertrages insgesamt getroffenen Regelung auch bei einer uneingeschränkten Kontrolle nach den Rechtsprechungsgrundsätzen zur Befristung nicht wegen einer Umgehung des Bestandsschutzes zu beanstanden ist.

3. Die auflösende Bedingung läuft unmittelbar darauf hinaus, daß Sachverhalte das Arbeitsverhältnis beenden sollen, die nach § 1 KSchG oder § 626 BGB möglicherweise nicht als Beendigungsgründe ausreichen würden. Sie unterscheidet sich dadurch von der Befristung und ist deshalb mehr mit der Kündigung vergleichbar. Das gilt grundsätzlich auch für die Einführung einer Altersgrenze für Arbeitsverhältnisse (Senatsurteil vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B II 2a der Gründe). Nach der Rechtsprechung des Senats (BAG 11, 278 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung) gewährt das Kündigungsschutzgesetz einen individuellen, auf die Person des einzelnen Arbeitnehmers zugeschnittenen Kündigungsschutz. Deshalb kann die Erreichung des 65. Lebensjahres nicht schematisierend stets als personenbedingter Kündigungsgrund anerkannt werden (vgl. die weiteren Schrifttumsnachweise im Senatsurteil vom 20. Dezember 1984, aaO).

4. Nach der bisherigen Rechtsprechung setzt die Feststellung einer Üblichkeit im Arbeitsleben die Berücksichtigung möglichst aller einschlägigen Betriebe und Verwaltungen voraus, jedenfalls aber auch anderer als derjenigen des in den Rechtsstreit verwickelten Arbeitgebers. Besteht eine tarifliche Befristungsregelung, so ist für ihre Indizwirkung als die üblich und angemessene Regelung der Umfang ihres Geltungsbereichs sowie der Umstand von Bedeutung, ob eine im wesentlichen inhaltsgleiche Regelung auch in anderen Tarifverträgen desselben Bereichs gilt. Für Arbeitsverhältnisse der Mitglieder des Bord-Personals in deutschen Luftfahrtunternehmen gilt und galt jedoch teilweise auch die Altersgrenze von sechzig Jahren. Eine Übergangsversorgung nach Erreichen der tariflichen Altersgrenze besteht dagegen nur bei der Beklagten und einer weiteren Fluggesellschaft im Geltungsbereich eines mit der DAG abgeschlossenen Tarifvertrages (vgl. im einzelnen Senatsurteil vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B II 2b der Gründe).

5. Eine Vermutung, daß das Cockpit-Personal nach Vollendung des 55. Lebensjahres erfahrungsgemäß den physischen und psychischen Anforderungen des Flugbetriebes nicht mehr gewachsen ist, läßt sich auch nicht ohne weiteres mit § 41 Abs. 1 Satz 2 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO) vom 4. März 1970 (BGBl. I S. 262) vereinbaren, die bestimmt, daß Mitglieder der “Flugbesatzung” mit einem Alter von über sechzig Jahren nicht eingesetzt werden sollen. Auch die Notwendigkeit, die fachliche und persönliche Diensttauglichkeit von Flugzeugführern im Interesse der Flugpassagiere und der Öffentlichkeit einer strengen Kontrolle zu unterziehen, erfordert es nicht zwingend, sie nur bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres im Flugbetrieb einzusetzen. Denn diese Kontrolle ist auch bei älteren Flugkapitänen nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften über die Erteilung, Verlängerung und Erneuerung der Erlaubnisse für die Tätigkeit des Verkehrsflugzeugführers und die Musterberechtigung gewährleistet (vgl. dazu im einzelnen Senatsurteil vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B II 2d der Gründe).

6. Aus den vorstehend dargelegten Gründen könnten möglicherweise Bedenken gegen die Zulässigkeit einer starren Altersgrenze von 55 Jahren für Mitglieder des Cockpit-Personals hergeleitet werden. Im Zusammenhang mit der Übergangsversorgung nach dem TV-ÜV und der Verlängerungsmöglichkeit nach § 19 Abs. 2 MTV-Bord ist sie jedoch unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Verkehrsluftfahrt sachlich gerechtfertigt.

a) Der Senat hat in dem Urteil BAG 23, 257, 270 – 273 eine in einer Betriebsvereinbarung (Gesamtbetriebsvereinbarung) festgelegte Altersgrenze von 65 Jahren auch mit Erfordernissen der Personalplanung und des Altersaufbaus im Betrieb gerechtfertigt und weiter als “ganz entscheidend” angesehen, daß eine auf diese Altersgrenze abgestellte betriebliche Versorgungsregelung bestand. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich dieser Vorbehalt allgemein auf die Zulässigkeit einer solchen Regelung oder nur auf ihre Wirksamkeit auch für im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits bestehende Arbeitsverhältnisse (so KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 620 BGB Rz 188a) bezieht. Denn jedenfalls enthalten spätere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur tariflichen Altersgrenze von 65 Jahren (im öffentlichen Dienst: vgl. § 60 Abs. 1 BAT) den Vorbehalt, gegen eine solche Regelung bestünden “jedenfalls dann” keine Bedenken, wenn eine “ausreichende” Altersversorgung bestehe (vgl. BAG 31, 20, 22 = AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG 1972, zu II 2a der Gründe). Während der Senat in BAG 23, 257 nur auf das Bestehen einer auf die Erreichung des 65. Lebensjahres abgestellten betrieblichen Altersversorgung abgestellt hatte, wird in dem Urteil BAG 31, 20 von einer ausreichenden Altersversorgung gesprochen.

b) An der Ansicht, daß jedenfalls bei Bestehen einer ausreichenden betrieblichen Versorgung eine generelle Altersgrenze grundsätzlich zulässig ist, ist festzuhalten. Das Kündigungsschutzgesetz will durch den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer die wirtschaftliche Grundlage für die Bestreitung seines Lebensunterhalts sichern. Gewährleistet eine betriebliche Versorgungsregelung nach einem auf generellen Erwägungen beruhenden vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze eine an der Dauer der Betriebszugehörigkeit ausgerichtete ausreichende Versorgung, so ist diese Begrenzung des Arbeitsverhältnisses zulässig (so auch Hanau, RdA 1976, 24, 30, 31, für die Altersgrenze von 65 Jahren). Es liegt dann keine objektiv funktionswidrige Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes vor.

c) Vorliegend hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, im Unternehmen der Beklagten sei durch die im TV-ÜV geregelte Übergangsversorgung für die nach Erreichen der tariflichen Altersgrenze ausscheidenden Mitglieder des Cockpit-Personals bis zum Einsetzen der gesetzlichen Angestelltenversicherung eine ausreichende Versorgung gewährleistet.

Hierbei hat es zu Recht auf die Gesamtregelung und nicht darauf abgestellt, wie sich diese auf den einzelnen Arbeitnehmer auswirkt. Die Zusatzrente, die den wesentlichen Teil der Übergangsversorgung bildet, steigt gemäß § 5 TV-ÜV mit der Zahl der Dienstjahre und der Beförderung in höhere Stellungen bis zum Flugkapitän. Wie sich aus § 6 Buchst. b) TV-ÜV ergibt, wird bis zum Erreichen der tariflichen Altersgrenze von 55 Jahren von einer maximalen Gesamtdienstzeit von 30 Jahren ausgegangen. Bei einer Beförderung zum Flugkapitän mit 35 Jahren, dem Alter des Klägers bei Beginn seiner Tätigkeit für die Beklagte, kann man in dieser Stellung bis zum 55. Lebensjahr (10 × 1,3 % =) 13 % + (10 × 1, 1 % =) 11 %, zusammen 24 %, in niedrigerer Rangstellung in den ersten zehn Dienstjahren weitere (10 × 0,8 % =) 8 %, insgesamt somit 32 % der Allgemeinen Bemessungsgrundlage erreichen (§ 5 Abs. 3 TV-ÜV 1972). Dagegen kann für das Vorliegen einer ausreichenden Übergangsversorgung nicht gefordert werden, daß jeder nach Erreichen der Altersgrenze ausscheidende Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit die Höchstgrenze erreicht (vgl. dazu auch Hanau, aaO, 30 unter IV für die Anforderungen an eine ausreichende betriebliche Altersversorgung bei einer Altersgrenze von 65 Jahren).

Wie das Berufungsgericht weiter zutreffend hervorgehoben hat, haben die Tarifvertragsparteien bei der Regelung der Übergangsversorgung auch berücksichtigt, daß die Angehörigen der Kriegsjahrgänge allein aufgrund ihrer aktiven Dienstzeit bei der Beklagten die bei einer regelmäßig zu erwartenden Dienstzeit von 30 Jahren bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres sich errechnende Übergangsversorgung nicht erreichen konnten. Sie haben diesen Nachteil durch die in § 6 TV-ÜV vorgesehene Anrechnung von längstens 15 fiktiven Dienstjahren ausgeglichen. Wenn sie hierbei nur die Jahrgänge bis einschließlich 1925 berücksichtigt haben, so liegt darin keine willkürliche Begrenzung, die das Versorgungswerk insgesamt, jedenfalls aber für die Angehörigen der folgenden, noch für eine Kriegsteilnahme in Betracht zu ziehenden Jahrgänge (im wesentlichen 1926 und 1927) als nicht ausreichend erscheinen lassen könnte. Da gerade bei der Beklagten im Zeitpunkt der Einrichtung des Versorgungswerks an Kriegsteilnehmern wohl überwiegend Angehörige der früheren Luftwaffe beschäftigt waren, konnte davon ausgegangen werden, daß diese sich im Hinblick auf die im Gegensatz zu anderen Waffengattungen längere Ausbildung aus Angehörigen der Jahrgänge bis 1925 zusammensetzten.

d) Die in § 19 MTV-Bord für das Cockpit-Personal getroffene Regelung stellt weiter deshalb keine funktionswidrige Umgehung des gesetzlichen Kündigungschutzes dar, weil sie aufgrund der in Abs. 2 vorgesehenen Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis fünfmal um je ein Jahr zu verlängern, keine starre Altersgrenze mit 55 Jahren enthält und die Entscheidung, ob der Arbeitsvertrag verlängert werden soll, nach billigem Ermessen zu treffen ist.

aa) Bei § 19 Abs. 2 MTV-Bord handelt es sich allerdings nach ihrer formellen Ausgestaltung um eine Kann-Bestimmung, die es der Beklagten ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich bei Vorliegen körperlicher und beruflicher Eignung, die Arbeitsvertrage mit den Angehörigen des Cockpit-Personals um jeweils ein weiteres Jahr über die tarifliche Altersgrenze hinaus, längstens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, zu verlängern. Sind die tatbestandsmäßigen Vorausetzungen erfüllt, dann entscheidet die Beklagte, ob sie bereit ist, das Arbeitsverhältnis für einen begrenzten Zeitraum fortzusetzen. Die Stellung des Arbeitnehmers, der an der Verlängerung interessiert ist, entspricht derjenigen eines Arbeitnehmers, der im Rahmen eines Arbeitsvertrages dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist. Auf die Entscheidungsbefugnis der Beklagten, den Arbeitsvertrag bei Vorliegen der in § 19 Abs. 2 MTV-Bord genannten Voraussetzungen zu verlängern, ist deshalb § 315 Abs. 1 und 3 BGB entsprechend anzuwenden. Danach ist die Bestimmung im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen, wenn die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden soll. Ob die Bestimmung billigem Ermessen entspricht, unterliegt der gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Für tarifliche Verlängerungsklauseln der vorliegenden Art ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Entscheidung über die Vertragsverlängerung entgegen der gesetzlichen Auslegungsregel im freien Belieben des Arbeitgebers stehen sollte (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B II 2e der Gründe).

Wie die Revision insoweit zutreffend geltend macht, steht einer solchen Auslegung weder die Protokollnotiz Nr. 2 zum TV-Schutz noch die in § 18 dieses Tarifvertrages vereinbarte Verkürzung der Verlängerungszeiträume von zwei Jahren auf ein Jahr entgegen. Nach dem in der Präambel sowie in § 2 des TV-Schutz zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien sollte dieses Tarifwerk in erster Linie der Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse von Arbeitnehmern, insbesondere im fliegerischen Bereich, dienen, die von einer durch Einsatz neuer Technologien, verbesserter Arbeitsverfahren und Änderungen in der Organisation und Aufgabenverteilung bedingten Betriebsänderung betroffen werden. In diesem Zusammenhang wurden die Verlängerungszeiträume auf ein Jahr verkürzt und sogleich in Nr. 2 der Protokollnotiz zu diesem Tarifvertrag folgendes bestimmt:

“Der Abschluß bzw. die Verlängerung von Zeitverträgen nach § 19 MTV-Bord ist nicht zulässig, wenn durch den Nichtabschluß/die Nichtverlängerung bestehende Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern des Cockpit-Personals, die die Voraussetzungen für die Gewährleistung der Übergangsversorgung noch nicht erfüllt haben, aufrecht erhalten werden können.”

Diese Norm enthält nach ihrem eindeutigen Wortlaut somit lediglich das Verbot einer Vertragsverlängerung und insoweit eine Einschränkung des der Beklagten bei der Verlängerungsentscheidung eingeräumten Ermessens, jedoch nur bei Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen. Die Verkürzung der Verlängerungszeiträume diente offenkundig dazu, flexibler auf die Auswirkungen einer Betriebsänderung auf die Arbeitsverhältnisse des durch die Protokollnotiz geschützten Personenkreises reagieren zu können. Eine Erweiterung des der Beklagten bei der Verlängerungsentscheidung bisher zustehenden Ermessens im übrigen ist dieser Regelung deshalb nicht zu entnehmen.

bb) Der Senat hat in dem Urteil vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B II 2g der Gründe, angenommen, das billige Ermessen für die nach § 47 Abs. 2 MTV-LTU zu treffende Entscheidung werde dahin konkretisiert, daß grundsätzlich Angehörigen des Bordpersonals der dortigen Beklagten, die für eine Tätigkeit auch nach Vollendung des 55. Lebensjahres körperlich und beruflich geeignet sind, eine Vertragsverlängerung angeboten werden müsse, wenn die betrieblichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einen weiteren Einsatz in der bisherigen Stellung zuließen. Der Senat hat dies maßgebend mit dem Fehlen einer Übergangsversorgung und den näher geschilderten Folgen einer Vertragsbeendigung in diesem Lebensalter für Flugzeugführer (geringe Chancen auf eine anderweitige gleichwertige oder auch geringerwertige Tätigkeit) begründet.

Eine solche weitgehende Bindung des Entscheidungsermessens kann jedoch für § 19 Abs. 2 MTV-Bord im Hinblick auf die von der Beklagten eingerichtete Übergangsversorgung nicht angenommen werden, weil hierdurch jedenfalls grundsätzlich die wirtschaftlichen Folgen eines Ausscheidens aus den Diensten der Beklagten nach Erreichen der tariflichen Altersgrenze fühlbar vermindert werden.

Das bei einer Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen bestehende Gebot des Bestimmungsberechtigten, die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen, schränkt jedoch die Entscheidungsfreiheit der Beklagten dahin ein, daß sie auch auf besondere, gerade dem Betroffenen durch das vorzeitige Ausscheiden entstehende soziale Härten Rücksicht zu nehmen hat. In diesem Rahmen sind auch Nachteile zu berücksichtigen, die dem Betroffenen, wie hier dem Kläger, durch die Stichtagsregelung des § 6 TV-ÜV oder wegen seiner besonderen persönlichen Verhältnisse entstehen können. Diese Umstände sind gegenüber den betrieblichen Belangen abzuwägen.

cc) Bei diesem Verständnis der Verlängerungsklausel ist die tarifliche Gesamtregelung über die Altersgrenzen für Angehörige des Cockpit-Personals der Beklagten mit den Rechtsprechungsgrundsätzen über die Befristung vereinbar. Wie der luftfahrtrechtlichen Bestimmung des § 41 Abs. 1 LuftBO zu entnehmen ist, sieht der für die Sicherheit des Luftverkehrs zuständige Gesetzgeber Personen im Alter von mehr als 60 Jahren in der Regel nicht mehr für geeignet an, als Flugzeugführer eingesetzt zu werden. Eine an dieser Altersgrenze ausgerichtete Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist für diesen Personenkreis im Hinblick auf das besondere Interesse an der Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B II 3 der Gründe). Den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das 60. Lebensjahr hinaus macht der Kläger auch nicht geltend.

V. Die tarifliche Gesamtregelung mit dem vorstehend bestimmten Inhalt verletzt auch nicht Art. 12 Abs. 1 GG.

1. Eine gesetzliche Höchstaltersgrenze für einzelne Berufe bedeutet keine bloße Beschränkung der Berufsausübung, die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden kann, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. Sie greift vielmehr auf der “Stufe” der subjektiven Zulassungsvoraussetzungen in die Freiheit der Berufswahl ein. Für sie gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, daß sie zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen und keine in sich schon verfassungswidrige, weil übermäßige, nicht mehr zumutbare Belastung enthalten darf (BVerfGE 9, 338 = AP Nr. 17 zu Art. 12 GG; vgl. ferner allgemein zu den subjektiven Zulassungsvoraussetzungen BVerfGE 7, 377, 405 ff. = AP Nr. 13 zu Art. 12 GG, zu IV 3d der Gründe).

2. Tarifliche Altersgrenzen enthalten jedoch keine subjektiven Zulassungsvoraussetzungen für ganze Berufe, sondern machen nur die Erhaltung eines einzelnen Arbeitsplatzes von einem bestimmten Lebensalter abhängig. Der Revision ist zuzugeben, daß allgemein im Hinblick auf die herrschende Einstellung gegenüber älteren Arbeitnehmern und im besonderen wegen der auch für andere deutsche Luftfahrtunternehmen geltenden tariflichen Altersgrenzen ein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach Erreichung des 55. Lebensjahres für einen Flugzeugführer eine erhebliche Beschränkung, unter Umständen auch das Ende seiner Tätigkeit in diesem Beruf bedeutet. Ein solcher Eingriff kann deshalb nur aus sachlichen Gründen zulässig sein. Ein solcher Grund ist jedoch in dem für die Beklagte geltenden Tarifwerk zu sehen, das bei einem Ausscheiden aus dem Unternehmen ab Vollendung des 55. Lebensjahres eine ausreichende Übergangsversorgung bis zum Einsetzen der gesetzlichen Altersversorgung gewährleistet und durch die Verlängerungsklausel des § 19 Abs. 2 MTV-Bord in sozialen Härtefällen auch eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht (vgl. zur Bedeutung einer ausreichenden betrieblichen Altersversorgung für die Vereinbarkeit einer generellen tariflichen Altersgrenze von 65 Jahren mit Art. 12 GG auch Hanau, aaO, 29 ff., unter III 6 und IV; einschränkend Scholz in Maunz/Dürig, GG, Stand September 1981, Art. 12 Rz 275, der dem Aspekt der sozialen Absicherung nach Berufsbeendigung geringeres Gewicht beimißt).

VI. Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß der auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres gerichtete Hauptantrag des Klägers unbegründet ist. Gleiches gilt für den hauptsächlich verfolgten Zahlungsantrag, weil die damit geltend gemachten Ansprüche von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Januar 1986 abhängen.

B. Der in der Revisionsinstanz (unter Ziff. 4) verfolgte Hilfsantrag des Klägers, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet war, jeweils einjährige Verlängerungsverträge bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres abzuschließen und ihn als Flugzeugführer weiterzubeschäftigen, ist ebenfalls unbegründet.

I. Die Einschränkung des schon in der Berufungsinstanz zeitlich auf den 31. Januar 1986 begrenzten Leistungsantrags in der Revisionsinstanz durch Übergang zum Feststellungsantrag ist nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

II. Sachlich hat des Berufungsgericht zu Recht auch einen Anspruch des Klägers auf Abschluß von Verlängerungsverträgen verneint.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, der Kläger könne einen solchen Anspruch nicht aus § 19 Abs. 2 MTV-Bord herleiten. Es ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Beklagte die Verlängerungsentscheidung nicht nach billigem Ermessen zu treffen habe. Es hat aber in einer Hilfsbegründung das Klagebegehren auch unter diesem Gesichtspunkt geprüft und zutreffend für unbegründet erachtet.

a) Wie ausgeführt, hat die Beklagte im Rahmen des ihr eingeräumten billigen Ermessens die wirtschaftlichen Nachteile zu berücksichtigen, die sich gerade für den Kläger durch ein Ausscheiden nach Ablauf der einjährigen Verlängerungsperiode ergaben, und diese gegenüber den betrieblichen Belangen abzuwägen, die sie zur Ablehnung einer weiteren Vertragsverlängerung bewogen haben. Bei Berücksichtigung aller Umstände, deren tatsächliche Voraussetzungen für das Revisionsgericht bindend festgestellt sind, liegt jedoch keine fehlerhafte Ermessensentscheidung der Beklagten vor.

b) Wie die Beklagte berücksichtigt hat, erreicht der Kläger durch die Nichtverlängerung seines Arbeitsverhältnisses eine vergleichsweise geringere Übergangsversorgung als gleichaltrige Kollegen.

aa) Nach dem zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses geltenden TV-ÜV 1968 konnte der Kläger für die ersten zehn Jahre seines Dienstverhältnisses jeweils 1 % der allgemeinen Bemessungsgrundlage erreichen, in den folgenden zehn Jahren nach dem TV-ÜV 1972 je 1,1 %, zusammen 21 %. Die Beklagte hatte ihm und einem weiteren Kollegen seines Jahrgangs jedoch in dem Side-Letter vom 30. September 1968 eine Mindestgarantie von 25 % gegeben und insoweit jedenfalls teilweise dem Umstand Rechnung getragen, daß er den Stichtag des 31. Dezember 1925 nach § 6 TV-ÜV verfehlt hatte, obwohl er Kriegsteilnehmer war. Wenn die Beklagte diese Garantie nach der Anhebung der Prozentsätze im TV-ÜV 1972 nicht erhöhte – dies hätte im Ergebnis eine Ausdehnung der Stichtagsregelung auf die Angehörigen des Jahrgangs 1926 bedeutet – so erscheint dies nicht unbillig, sondern als ein vertretbarer Kompromiß zwischen der Berücksichtigung der Belange des Klägers und den betrieblichen Interessen an der Anwendung der von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Stichtagsregelung.

bb) Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß die Nichtanwendung des § 6 TV-ÜV geringere Auswirkungen auf die Übergangsversorgung hat, als der Kläger annimmt. Er geht nämlich bei der Berechnung seiner Zusatzrente davon aus, daß er bei Anwendung dieser Stichtagsregelung 35 % der Bemessungsgrundlage erreichen würde. Die Prozente, die sich bei der Berücksichtigung weiterer vier effektiver sowie fiktiver Beschäftigungsjahre nach § 6 TV-ÜV ergäben, wären jedoch nicht der Garantie von 25 % hinzuzurechnen. Wäre § 6 TV-ÜV anzuwenden, entfiele die Grundlage für die Garantie, die gerade die Nachteile ausgleichen sollte, die durch die Nichtanwendung dieser Vorschrift entstanden. Bei 20 vollen effektiven Dienstjahren errechnen sich 21 % der Bemessungsgrundlage (1 % × 10 = 10 % nach dem TV-ÜV 1968 zuzüglich 1,1 % × 10 = 11 % nach dem TV-ÜV 1972). Wären dem Kläger nach der tariflichen Stichtagsregelung – bei der vorgesehenen Höchstgrenze von 30 Dienstjahren – noch zehn fiktive Dienstjahre gutzubringen, ergäben sich weitere (1,1 % × 10 =) 11 %; der Kläger käme somit insgesamt auf 32 % der Bemessungsgrundlage. Eine Vertragsverlängerung um weitere vier Jahre hätte ihm keine weiteren Prozente gebracht. Auf einer Basis von dann 24 effektiven Dienstjahren errechneten sich zwar weitere (1,1 % × 4 =) 4,4 % und somit insgesamt 25,4 % der Bemessungsgrundlage. Die Zahl der gutzubringenden fiktiven Dienstjahre verringerte sich jedoch auf sechs, so daß der Kläger noch auf (1,1 % × 6 =) 6,6 % und somit insgesamt ebenfalls nur auf 32 % der Bemessungsgrundlage käme.

Eine vierjährige Vertragsverlängerung hätte auch bei Anwendung des Side-Letter der Beklagten keine nennenswert höhere Zusatzrente ergeben. Denn der Kläger hätte dann aufgrund der effektiven Dienstjahre zu den 21 % weitere 4,4 %, somit insgesamt 25,4 % der Bemessungsgrundlage erreicht und die Garantie von 25 % nur geringfügig überschritten.

c) Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend berücksichtigt, daß der Kläger zunächst fünf Jahre bei einer anderen Fluggesellschaft tätig gewesen ist und die Nichtanrechnung dieser Dienstzeit für die Zusatzrente somit nicht auf Umstände im betrieblichen Bereich zurückzuführen ist.

d) Das Berufungsgericht hat als unstreitig und damit für das Revisionsgericht nach § 561 Abs. 1 ZPO bindend festgestellt, daß sich die Beklagte im Sommer 1981, als der Vorstandsbeschluß über die grundsätzliche Nichtverlängerung von Arbeitsverträgen vorbereitet wurde, in einer schlechten wirtschaftlichen Lage befand, der sie durch betriebliche Maßnahmen, darunter die Verringerung der Konzernflotte um 30 Flugzeuge, entgegnete, und daß im Juni 1981 ein Personalüberhang von 24 Kapitänen bestand. Es hat ferner in anderem Zusammenhang gemäß § 138 Abs. 3 ZPO u. a. als zugestanden angesehen, daß gerade in der Flotte des Klägers (DC-10) ein überhang an Flugzeugführern bestand. Auch diese Feststellung ist für das Revisionsgericht bindend, da die Revision hiergegen keine Verfahrensrüge erhoben hat (§ 561 Abs. 2 ZPO).

e) Die Würdigung des Berufungsgerichts, daß bei Berücksichtigung dieser Umstände und im Hinblick auf die doch erhebliche Übergangsrente des Klägers von 6.015,-- DM brutto die Ablehnung einer weiteren Verlängerung des Arbeitsvertrages auch billigem Ermessen entsprach, ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht mit dieser Würdigung auch nicht Nr. 2 der Protokollnotiz zum TV-Schutz verletzt. Diese Vorschrift stellt, wie ausgeführt, nur eine Einschränkung des Ermessens der Beklagten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dar. Sie verbietet für diese Fälle eine Vertragsverlängerung nach § 19 Abs. 2 MTV-Bord. Sie gebietet aber nicht eine Verlängerung bei Fehlen dieser Voraussetzungen. Auf diese, dem erkennbaren Normzweck entgegengesetzte Auslegung laufen jedoch die Ausführungen der Revision hinaus.

2. Das Berufungsgericht hat weiter ohne Rechtsfehler angenommen, daß der Kläger einen Anspruch auf weitere Vertragsverlängerung nicht aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung geltend machen kann.

Die rechtliche Bedeutung der betrieblichen Übung beruht auf der Möglichkeit, ihren Inhalt zur Grundlage einer ausdrücklichen oder stillschweigenden vertraglichen Vereinbarung zu machen oder sie als Konkretisierung der Treue- und Fürsorgepflicht zur Vertragsauslegung und Vertragsergänzung heranzuziehen. Deshalb ist die Feststellung eines Verpflichtungswillens unabdingbare Voraussetzung für das Zustandekommen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertragsvereinbarung mit dem Inhalt dieser Betriebsübung (vgl. BAG Urteil vom 18. Juli 1968 – 5 AZR 460/67 – AP Nr. 8 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu 1 der Gründe). Hierfür genügt es zwar, daß der Arbeitgeber den objektiven Tatbestand einer betrieblichen Handhabung wissentlich gesetzt hat. Wesentlich ist jedoch weiter, wie der Erklärungsgegner dieses Verhalten nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Umstände auffassen muß (BAG 28, 213, 219 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 2b der Gründe).

Der Kläger will aus dem Umstand, daß die Beklagte vor dem Vorstandsbeschluß vom 15. September 1981 ständig die Verträge mit hierzu bereiten und flugtauglichen Flugkapitänen verlängert hat, die vertragliche Verpflichtung der Beklagten herleiten, auch stets in dieser Weise zukünftig zu verfahren. Im Hinblick auf die tarifliche Regelung des § 19 Abs. 2 MTV-Bord ist jedoch die Tatsache der Vertragsverlängerung allein nicht geeignet, bei den übrigen Flugkapitänen die berechtigte Erwartung hervorzurufen, die Beklagte wolle ohne Rücksicht auf das ihr in der Tarifnorm eingeräumte Ermessen die Arbeitsverträge verlängern und somit auf ihr tariflich eingeräumtes Entscheidungsermessen verzichten. Eine derart weitgehende Beschränkung eines für die Unternehmensführung wesentlichen Entscheidungsrechts kann der Tatsache der Vertragsverlängerung allein nicht entnommen werden.

3. Auch nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung kann der Kläger keine Vertragsverlängerung beanspruchen, wie das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei angenommen hat.

a) Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt das Bestehen einer bestimmten Ordnung voraus, die über individuelle, auf der Grundlage der Vertragsfreiheit ausgehandelte Arbeitsverhältnisse hinaus für alle oder eine Gruppe von Arbeitnehmern gilt. Besteht eine solche Ordnung, so verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1982 – 7 AZR 1139/79 – AP Nr. 3 zu § 2 KSchG 1969, zu I 2b der Gründe).

b) Eine Verpflichtung, den Vertrag mit dem Kläger um weitere vier Jahre zu verlängern, konnte für die Beklagte somit nach diesem Grundsatz nur entstanden sein, wenn sie nach dem Vorstandsbeschluß vom 15. September 1981 von ihrer Entscheidung, grundsätzlich keine Verträge mehr zu verlängern, in mit dem Kläger vergleichbaren Fällen abgewichen wäre. Dies ist jedoch nicht geschehen.

c) Der substantiierte Vortrag der Beklagten zu den vom Kläger angeführten Vertragsverlängerungen ist vom Kläger nicht bestritten worden; auch die Revision geht hiervon aus. Die Würdigung des Berufungsgerichts, diese Fälle seien im Hinblick auf die besonderen Umstände (Funktion in der Flottenleitung, Aufsichtsratsmandat, bindende Zusage durch hierzu befugte Flottenchefs vor dem Vorstandsbeschluß) mit dem des Klägers nicht vergleichbar, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es genügt, im wesentlichen auf die durchweg zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu diesem Punkt zu verweisen.

Zur Begründung für die Vertragsverlängerungen der beiden Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (S… und B…) ist darauf hinzuweisen, daß der Senat seine früher vertretene Ansicht, mit Betriebsratsmitgliedern müsse von einer bestehenden Verlängerungsmöglichkeit grundsätzlich Gebrauch gemacht werden (Urteil vom 12. Dezember 1968 – 2 AZR 120/68 – AP Nr. 6 zu § 24 BetrVG), in dem Urteil vom 20. Dezember 1984, aaO, zu B II 2 f der Gründe, aufgegeben hat. Im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über diese beiden Vertragsverlängerungen konnte die Beklagte jedoch von der früheren Rechtsprechung ausgehen. Wenn auch Aufsichtsratsmitglieder keinen dem § 15 KSchG entsprechenden besonderen Kündigungsschutz genießen (BAG 20, 116 = AP Nr. 1 zu § 626 BGB Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat), so stellte es doch einen sachlichen Grund dar, Verträge auch mit solchen Funktionsträgern für die Dauer ihres Mandats zu verlängern und insofern von einer grundsätzlichen Verlängerungssperre keinen Gebrauch zu machen.

4. Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen auf eine individuelle Verlängerungszusage seines Flottenchefs, des Zeugen R…, berufen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Zeuge eine solche Zusage nicht gegeben hat. Hieran ist der Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, da die Revision hiergegen keine Verfahrensrüge erhoben hat. Sie beanstandet im übrigen das angefochtene Urteil in diesem Punkt auch nicht.

C. Konnte der Kläger keine Vertragsverlängerung fordern, so erweist sich auch sein Hilfsantrag unter Ziff. 5 der Revisionsanträge als unbegründet, nach dem die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihm Schadenersatz in Höhe des bis 31. Januar 1986 entgangenen Entgelts aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflichtverletzung zu leisten. Insoweit erhebt die Revision auch keine Rügen.

D. Zu dem Hilfsantrag zu Ziff. 6 der Revisionsanträge, die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, die Übergangsversorgung des Klägers in Anwendung des § 6 TV-ÜV zu berechnen, ist die Revision unzulässig, weil sie keine eigenständige Begründung enthält.

E. Dem Kläger waren gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisonsverfahrens aufzuerlegen. Auch soweit die Hauptsache zum Beschäftigungsantrag erledigt worden ist, hat er nach § 91a Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Denn er konnte in dem umstrittenen Zeitraum vom 1. Februar 1982 bis 31. Januar 1986 keine Weiterbeschäftigung verlangen, nachdem das Arbeitsverhältnis am 31. Januar 1982 geendet hatte.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Ascheid, Schulze, Dr. Bensinger

 

Fundstellen

Haufe-Index 872409

RdA 1986, 402

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