Voraussetzungen für die Umkleidezeit als Arbeitszeit

Viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst müssen sich erst einmal umziehen, bevor sie ihre Arbeit aufnehmen, z. B. in Pflege- und Betreuungseinrichtungen oder im Krankenhaus. Deshalb spielt es im öffentlichen Dienst eine wichtige Rolle, ob Umkleidezeiten, Wegezeiten und Waschzeiten als Arbeitszeit anzusehen sind und vom Arbeitgeber bezahlt werden müssen.

Grundsätzlich sind Umkleide-, Wasch- und Wegezeiten keine Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 TVöD bzw. § 6 Abs. 1 TV-L, selbst wenn das Umkleiden am Arbeitsplatz erfolgt.

Voraussetzungen des BAG für das Vorliegen von Arbeitszeit

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist die Umkleidezeit und Wegezeit aber dann als Arbeitszeit anzusehen, wenn der Arbeitgeber
•    das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und diese Arbeitskleidung zwingend im Betrieb angelegt werden muss
•    oder wenn die Kleidung besonders auffällig ist und der Arbeitnehmer sie deshalb im Betrieb anzieht.
Dabei kommt es darauf an, ob das Umkleiden einem fremden Bedürfnis (also dem Bedürfnis des Arbeitgebers) oder (zumindest auch) dem Bedürfnis des Beschäftigten dient (BAG, Urteil v. 18.3.2020, 5 AZR 25/19 und BAG, Beschluss v. 10.11.2009, 1 ABR 54/08). Wenn das Umkleiden zugleich einem Bedürfnis des Beschäftigten dient, gehört die Umkleidezeit nicht zur Arbeitszeit. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Beschäftigte sich entscheidet, die Kleidung zu Hause anzuziehen und sie auf dem Weg zur Arbeit trägt.

Besonders auffällige Arbeitskleidung

Ob eine Kleidung besonders auffällig ist, bestimmt sich nach einem objektiven Maßstab. Entscheidend ist eine Uniformität und ob auf der Kleidung der Name des Arbeitgebers erkennbar ist. Die Offenlegung des Arbeitgebers ist nicht im Interesse des Beschäftigten, sondern allein im Interesse des Arbeitgebers. Als besonders auffällig gilt Arbeitskleidung trotz dezenten oder unauffälligen Farben schon dann, wenn ein Beschäftigter aufgrund eines Logos oder Schriftzugs mit einem Rechtsträger oder einem Unternehmen in Verbindung gebracht wird (BAG, Beschluss v. 17.11.2015, 1 ABR 76/13). Auch weiße Dienstkleidung ohne Beschriftung kann eine „besonders auffällige Dienstkleidung“ darstellen, wenn der Beschäftigte aufgrund der Ausgestaltung der Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung gebracht wird, z. B. weiße Krankenhauskleidung von Krankenpflegern (BAG, Urteil v. 6.9.2017, 5 AZR 382/16).

Gesetzlich vorgeschriebene Schutzkleidung

Wenn Schutzkleidung durch das Arbeitsschutzrecht vorgeschrieben ist, gehört das Anlegen und Ablegen und die damit verbundene Wegezeit zur Arbeitszeit.

Kein Ausschluss im TVöD und TV-L

Durch Tarifvertrag kann die Vergütung für das Umkleiden und Waschen ausgeschlossen sein. In einem solchen Fall handelt es sich nicht um Arbeitszeit. Dies gilt auch für das Anlegen von arbeitsschutzrechtlich vorgeschriebener Arbeitskleidung. Eine solche Regelung gibt es im TVöD bzw. TV-L jedoch nicht.

Feststellung des erforderlichen zeitlichen Umfangs

Der erforderliche zeitliche Umfang für das Umkleiden und für den Weg zwischen Umkleideraum und Arbeitsstelle ist individuell festzustellen. Zur Arbeitszeit zählt die Zeit, die der einzelne Beschäftigte unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit für das Umkleiden benötigt. Der Beschäftigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen und den Umfang von Umkleide- und Wegezeiten. Wenn unstreitig Umkleide- und Wegezeiten vorliegen, der Beschäftigte seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang aber nicht genügt, kann das Arbeitsgericht den Zeitaufwand schätzen (BAG, Urteil v. 26.10.2016, 5 AZR 168/16).