DigiWoh: Die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft

Die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft ist in vollem Gange, sollte aber an Tempo zulegen, finden nicht wenige Branchenakteure. Treibende Kraft will das 2020 gegründete Kompetenzzentrum DigiWoh sein. Seine Mitglieder treffen sich regelmäßig und eruieren Handlungsfelder.

Der Weg sei herausfordernd, jedoch alternativlos: "Deutschland muss dringend damit anfangen, seinen Rückstand bei digitalen Zukunftstechnologien wahrzunehmen und aufzuholen", betont der Digitalisierungsexperte Prof. Dr. Meissner. Der dringende Appell stammt aus dem "Digital Report 2022" des Center for Digital Competitiveness an der ESCP Business School, das von Meissner gegründet wurde.

Dass es hierzulande tatsächlich noch viel Luft nach oben gibt, wenn es um die digitale Transformation geht, zeigen auch internationale Rankings: Im jährlich erscheinenden "Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft" (DESI) der Europäischen Kommission belegte Deutschland 2022 den 13. Platz. Demnach dürften sich viele Wirtschaftssektoren von Prof. Meissners Appell angesprochen fühlen – das gilt auch für die Wohnungswirtschaft. Hier scheinen an manchen Stellen die Digitalisierungsmühlen noch auffällig langsam zu mahlen. Doch dabei soll es nicht bleiben.

DigiWoh: Kompetenzzentrum für eine digitale Wohnungswirtschaft

Aus diesem Grund hat der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. vor mehr als zwei Jahren das DigiWoh Kompetenzzentrum Digitalisierung in der Wohnungswirtschaft ins Leben gerufen. Das DigiWoh soll dem digitalen Transformationsprozess der Branche und unter anderem dem Erfahrungsaustausch zwischen den Wohnungsunternehmen dienen und das Knowhow von Technologiepartnern integrieren. Neben dem Wissenstransfer steht auch die konkrete Arbeitsentlastung durch eine Bündelung von Projekten auf der Agenda.

Stefan Klotz, Business Development Manager beim Mitgliedsunternehmen und Lösungsanbieter Haufe-Lexware Real Estate, versteht das Kompetenzzentrum daher primär als ein "partizipatives Format". Matthias Herter, CEO der Meravis Gruppe, ist ebenfalls von dem verfolgten Ansatz überzeugt und fühlt sich als eines von 16 Gründungsmitgliedern bestätigt: In den mehr als zwei Jahren habe sich bereits etwas Wichtiges aufgebaut, so Herter. "Es ist ein Netzwerk von Interessierten und Versierten entstanden, denen es um eines geht: die Digitalisierung der Branche voranzutreiben. Vordenker eben!"

Tatsächlich scheint die Resonanz groß zu sein. Denn: Mittlerweile weist das Kompetenzzentrum 120 Mitgliedsunternehmen auf, wie DigiWoh-Leiter Arne Rajchowski wissen lässt. Das Gros bestehe aus 92 Wohnungsunternehmen und Verbänden. "Die restlichen Mitglieder sind Technologieunternehmen und Proptechs, so Rajchowski weiter. Die steigende Zahl neuer Mitglieder spreche eine deutliche Sprache, sagt Klotz zur bisherigen Entwicklung: "Die Dringlichkeit der Digitalisierung ist eindeutig – gerade auch im Kontext datengetriebener Nachhaltigkeitsanforderungen."

Digi-Camp 2

Digi-Camp: PropTechs und Wohnungsunternehmen treffen sich

Das DigiWoh möchte daher verschiedene Formate bieten, um bestehende Digitalprojekte in der Wohnungswirtschaft vorzustellen, neue zu konzipieren, Erfahrungen weiterzugeben und den Know-how-Transfer zu forcieren. Um die gesteckten DigiWoh-Ziele zu erreichen, sind turnusmäßige Treffen geplant. Ein solches fand zum Beispiel im Herbst 2022 in Coburg unter dem Titel "Digi-Camp" statt. Die Zusammenkunft stand laut Rajchowski auch unter dem Zeichen "Vernetzung und Kennenlernen der DigiWoh-Mitglieder". Denn das "Digi-Camp" zeichnete etwas Besonders aus: Statt wie sonst bei Branchentreffen üblich, setzte sich seine Zielgruppe nicht nur aus Personen der Geschäftsleitungen zusammen, sondern vor allem aus – überwiegend auch jüngeren – Beschäftigten der Arbeitsebenen.

Für Vorstands- und Geschäftsführungsebene gebe es bereits zahlreiche Formate und Vernetzungsmöglichkeiten, so Rajchwoski. "Wir wollten hingegen ein neues regelmäßiges Format für die Arbeitsebene initiieren", stellt er klar. Unter dieser Prämisse haben etwa 50 Teilnehmer aus ganz Deutschland im Rahmen der zweitägigen "Digi-Camp"-Premiere zusammengefunden. Es wurde als sogenanntes Barcamp abgehalten. Das bedeutete: keine schon im Vorfeld feststehende Agenda, kein Konferenzprogramm und keine Keynotes – stattdessen ein offener Workshop, bei dem das Programm erst nach Ankunft der Teilnehmenden konkretisiert wird. Die Organisatoren wirkten dabei lediglich moderierend respektive unterstützend.

Arne Rajchowski betonte dabei den paritätischen Ansatz: "Alle Themen sind gleichberechtigt und gleich wichtig." Die Idee, ein sehr freies und kreatives Format zu gestalten, sei auf dem GdW-Wohnzukunftstag 2022 in Berlin geboren worden, so der Leiter des Kompetenzzentrums weiter. Auch der Austragungsort fand sich spontan. Gastgeber war die Wohnbau Stadt Coburg GmbH, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich sehr engagiert organisatorisch und inhaltlich einbrachten. Eingeladen waren hauptsächlich die Beschäftigten der wohnungswirtschaftlichen DigiWoh-Mitglieder, die den Großteil der Anwesenden ausmachten.

FinTechs? PropTechs? WoWi-Techs!

Der Rest der "Digi-Camp"-Teilnehmer setzte sich aus Vertretern von Technologieunternehmen und Start-ups zusammen. Einer davon war Dr. Lucas Freund, seines Zeichens Leiter Team Kommunalkunden beim Fintech Loanboox, das seinen Kunden technische Lösungen für die Optimierung ihrer Finanzierung anbietet. Gemeinsam mit seinem Kollegen Lucas Grimm, Head of Real Estate Finance, hat er sich von Frankfurt/Main nach Coburg aufgemacht, um "diese exzellente Möglichkeit zum Austausch über innovative Zukunftsthemen" zu nutzen. Die Möglichkeit zum konkreten Dialog mit den Mitarbeitenden der Wohnungswirtschaft sei für sein Unternehmen sehr wertvoll, so Freund.

Teilgenommen hat mit Adrian Piontkowski auch ein Vertreter des PropTechs Kiwi, das nicht nur digitale Lösungen für Schließanlagen anbietet, sondern früh zu den Partnern gehörte. Diese beiden Unternehmen stehen repräsentativ für eine junge Branche, die mit der Wohnungswirtschaft künftig enger zusammenrücken will.

Weil Begriffe wie FinTech und PropTech jedoch für viele Akteure in den Wohnungsunternehmen zu abstrakt seien, plädiert Meravis-CEO Matthias Herter für eine neue Bezeichnung für die Unternehmen der wohnungswirtschaftlich-orientierten Digitalisierungs- und Technologiebranche: WoWi-Tech! Damit solle auch die bislang entstandene Nähe zwischen Wohnungs- und Technologieunternehmen vertieft werden. Herter – der gleichzeitig auch CEO des WoWi-Tech-Unternehmens Spiribo GmbH ist, das das gleichnamige Mieterservice-Portal anbietet – erklärte, dass es ein großer Schwachpunkt bisheriger PropTech-Initiativen sei, dass sie eine zu geringe Ausrichtung auf die Wohnungswirtschaft und noch einen starken internen Fokus hätten. Der hohen Bedeutung der Tech-Unternehmen für die Wohnungswirtschaft werde dies nicht gerecht.

Denn die Wohnungswirtschaft sei für ihre Digitalisierung auf Anwendungen und Ideen von Technologieunternehmen angewiesen, weil sie schon aufgrund ihrer Größe keine eigene Software programmieren könne. Sie benötige vielmehr Lösungen von außen, die ihren Herausforderungen gerecht würden. Für Herter sind WoWi-Techs innovative Unternehmen, die ausschließlich für die Wohnungswirtschaft technologiebasierte Lösungsansätze für bestehende und künftige Aufgaben entwickeln würden.

DigiCamp 1

Digitalisierung: Das sind die Baustellen der Wohnungswirtschaft

FinTechs und PropTechs sehen sich gemeinhin als Lösungsanbieter. Doch wird dies reichen? Damit Lösungen angeboten werden können, müssen zunächst einmal Aufgaben, Anforderungen und Problemstellen identifiziert sowie kommuniziert werden. Mit dem "Digi-Camp" (und dem Kompetenzzentrum DigiWoh allgemein) ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan worden, denn Veranstaltung und Institution dienen dem Austausch und dem gemeinschaftlichen Entwickeln von Wegen zur Digitalisierung.

Am Ende der zwei Tage hatten sich einige der Stellschrauben herauskristallisiert, an denen Wohnungsunternehmen im Sinne der digitalen Transformation ansetzen müssen: Es fängt an bei ihrer Belegschaft. Ein offenbar weit verbreitetes Phänomen in Wohnungsunternehmen scheint die Abneigung großer Teile der Mitarbeiterschaft gegenüber dem Digitalisierungstrend. Im Zuge der Erfahrungsberichte der teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Wohnungsunternehmen fielen häufig Begriffe wie Aversion, Angst und (fehlende) Akzeptanz. Vor allem bei Kolleginnen und Kollegen, die keine "Digital Natives" sind, bestehe zuweilen eine Hürde im Kopf. Die Teilnehmenden der Gesprächsrunde waren sich hierbei einig: Solche Mitarbeitenden gelte es, sensibel an die Vorzüge der Digitalisierung heranzuführen und möglicherweise durch teaminterne Patenschaften Verständnis auf- und Ängste abzubauen. Eine Frage der Kommunikation also.

ERP: Die Sehnsucht nach einem einheitlichen digitalen Tool ist groß

Ein weiteres Kommunikationsproblem, das viele Wohnungsunternehmen offenbar plagt, betrifft deren Mieter. Großen Anklang auf dem "Digi-Camp" fand der Spontan-Workshop mit dem Titel "Wie erreiche ich meine Mieter digital?". Bisher sind die Vermieter weitgehend auf den Postweg angewiesen, was sowohl kostspielig als auch uneffektiv ist. Die Beschäftigten wünschen sich daher digitale Lösungen. Gerade größere Wohnungsunternehmen mit den derzeitigen Möglichkeiten – etwa SMS, E-Mail, Mieter-Apps – insbesondere im Hinblick auf die Reichweite nicht zufrieden.

Auch hier spielt die Altersstruktur der Mieterschaft eine große Rolle. In Gebäuden mit Studentenwohnungen, so berichteten die Anwesenden, sei die digitale Erreichbarkeit bereits nahezu bei 100 Prozent. Neben der Mieterkommunikation tauschten sich die Teilnehmenden in den Sessions auch über die Qualität von Stammdaten, über Archivierungsprojekte, New Work oder das Mindset der Mitarbeitenden respektive Kolleginnen und Kollegen aus.

Digi-Camp: Eine Auswahl der Themen

Daten gewinnen an Relevanz

Angesichts der aktuellen Herausforderungen bezüglich Klimaschutz und Energieeffizienz im Gebäudebereich war auch das Interesse der "Digi-Camp"-Teilnehmenden bei Fragen zu den Gebäudedaten groß. Doch auch hier scheinen die Wohnungsunternehmen erstmal grundsätzliche Fragen klären zu müssen. "Welche Daten wollen wir?" oder "Wie kann man das Thema Verbrauch skalieren?", sind nur Beispiele. Es gelte, die Tiefe der Daten zu definieren und möglichst erschwingliche Systeme, die automatisch funktionieren, dafür zu integrieren, so der Grundtenor der Teilnehmenden. Bislang würden Gebäude-bezogene Daten allzu häufig händisch in Systeme wie Excel eingespeist.

Der Wunsch nach automatisierten Prozessen und nach einer Einbindung in die ERP-Systeme ist dementsprechend groß. Hier könnten nicht nur viel Zeit und Geld gespart, sondern auch zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden. Während in höherpreisigen Wohnungsmarktsegmenten oder in Smart Homes Software-Lösungen für das Energiemonitoring öfter eingesetzt würden, gebe es im preiswerten Geschossmietwohnungsbau diesbezüglich noch Luft nach oben, meinten mehrere Teilnehmer. Bei Neubauten lassen sich zeitgemäße Standards leichter umsetzen, schwieriger und kostspieliger werde es im Bestand. Hier erwarten viele Wohnungsunternehmen innovative und leicht umsetzbare Lösungen von Seiten der PropTech- beziehungsweise WoWi-Tech-Unternehmen.

Positives Fazit, optimistischer Ausblick

Am Ende des zweitägigen Workshops fiel das Fazit der Anwesenden rundum positiv aus. Für einen offenen, intensiven Austausch sei dieses erste breite Live-Treffen der Initiative eine sehr gute Gelegenheit gewesen, sagte Kerstin Hausmann, Managerin des Solution Team Digital Solutions bei Aareon, im Anschluss. Sie wünscht sich von künftigen DigiWoh-Veranstaltungen unter anderem, dass das Kompetenzzentrum dazu beiträgt, "Transparenz in der Branche zu schaffen" und eine Digitalisierungsroadmap zu erarbeiten. Auch Stefan Klotz freut sich, dass er "bei dem zweitägigen Workshop in Coburg mit dabei sein und live erleben konnte, dass Partizipation und Interaktion sehr gut funktionieren". Gerade das Format Barcamp habe vollständig überzeugt. "Denn hier konnten die von den beteiligten Wohnungsunternehmen mitgebrachten, drängenden Themen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und/oder der Nachhaltigkeit direkt besprochen und gemeinsam bearbeitet werden", so Klotz weiter. In die gleiche Kerbe schlägt auch Matthias Herter und lobt das "hierarchielose Zusammentreffen". Für ihn war das – unter anderem von der Fachzeitschrift DW unterstützte – Barcamp ein voller Erfolg. Positiv sei, zu erleben, "mit wie viel Freude, Engagement und Kreativität Wohnungsunternehmen und Technologiepartner an Lösungen arbeiten". Eine Wiederholung sei daher ein Muss.

Die nächste DigiWoh-Veranstaltung findet am 16. März 2023 als Webinar statt: "1. Explorations-Workshop: Digitales Energiemanagement – digitale Mieterkommunikation". Weitere Informationen finden Sie auf der DigiWoh-Webseite


Dieser Beitrag erscheint in der Fachzeitschrift "Die Wohnungswirtschaft", Ausgabe 03/2023


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