
Trotz guter Geschäfte will Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia in diesem Jahr kein neues Wohnungsbauprojekt starten – wegen der steigenden Zinsen und der hohen Inflation, heißt es. Das Bundesbauministerium zeigt dafür kein Verständnis.
Der Immobilienkonzern Vonovia hat trotz des herausfordernden Marktumfeldes im vergangenen Jahr die operativen Gewinne und Umsätze gesteigert. Trotzdem will Vonovia in diesem Jahr nicht mit dem Neubau von Wohnungen beginnen – und tritt damit noch stärker auf die Investitionsbremse als im November 2022 bei Vorlage der Neunmonatsbilanz bereits angekündigt. Das Bauministerium hat dafür kein Verständnis. Die Unionsfraktion im Bundestag sieht die Schuld bei der Ampel-Regierung.
Vonovia: Inflation und Zinsanstieg bremsen Investitionen
"Wir werden in diesem Jahr keinen Beginn von Neubauprojekten haben", sagte Vonovia-Vorstand Daniel Riedl der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ). Über die Anzahl der betroffenen Projekte machte er keine Angaben. "Die Inflation und die Zinsen sind enorm gestiegen, und davor können wir nicht die Augen verschließen." Man müsse abwarten, bis wieder Kapital zu akzeptabler Verzinsung zur Verfügung stehe oder eine entsprechende Förderung Bauen ermögliche. Wenn die Rahmenbedingungen auf dem Kapitalmarkt wieder ins Lot kämen, sei man vorbereitet und könne die Projekte umsetzen.
Das Bundesbauministerium kritisierte die Ankündigung. "Auch wenn wir turbulente Zeiten in der Bauwirtschaft auf Grund der Zinswende haben: Vonovia kann sich als größtes Wohnungsunternehmen nicht aus der Verantwortung stehlen", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin Cansel Kiziltepe (SPD) dem "Handelsblatt". Vonovia sollte lieber Dividendenzahlungen einstellen und das Geld zur Absicherung des Neubaus verwenden.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ulrich Lange, bewertete die Vonovia-Ankündigung in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern als "fatales Zeugnis für die Baupolitik der Ampel-Regierung". Er forderte von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) eine Strategie für den Wohnungsneubau mit klaren Förderrichtlinien, die Planungssicherheit für Unternehmen schafften.
Vonovia hatt Anfang November 2022 angekündigt, deutlich weniger in Modernisierung und Neubau investieren zu wollen. 2023 sollten es demnach 850 Millionen Euro sein. Mit welchem Investitionsvolumen Vonovia nach dem Neubau-Stopp plant, wurde zunächst nicht bekannt.
IG Bau: "Platzhirsch tritt profitorientiert auf die Bremse"
Es macht keinen Sinn, bei der derzeitigen Unsicherheit der Zinsen, bei der Unsicherheit der Baukosten, bei der Unsicherheit der Förderprogramme und der eigenen Kapitalkosten große Investition zu machen, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX vor drei Monaten. Nebeneffekt sei, dass Vonovia so mehr Schulden tilgen könne. "An unserem langfristigen Klimapfad halten wir unverändert und ausdrücklich fest", betonte Buch.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) kritisierte die Sparpläne. "Wenn der Platzhirsch unter den Wohnungskonzernen jetzt beim Neubau und bei den Modernisierungen profitorientiert auf die Bremse tritt, dann ist das verantwortungslos", erklärte Vorstand Carsten Burckhardt. Die Menschen bräuchten dringend mehr bezahlbare Wohnungen und vor allem auch Sozialwohnungen. "Es darf beim größten Vermieter Deutschlands nicht länger darum gehen, welchen Profit er macht und welche Gewinne er seinen Aktionären ausschüttet." Burkhardt forderte einen Einstieg des Bundes bei Vonovia. Um Einfluss auf die langfristige Strategie zu bekommen, sei ein Anteil von 25 Prozent plus einer Aktie nötig.
Vonovia-Chef sieht 400.000 neue Wohnungen pro Jahr skeptisch
Buch sagte, die Auswirkungen des russischen Krieges gegen die Ukraine, die steigenden Zinsen, hohe Baukosten und der Fachkräftemangel stellten die Branche vor immense Herausforderungen. Es gebe einen sich zuspitzenden Mangel an bezahlbaren Wohnungen, vor allem in den großen Ballungsräumen. Es bedürfe einer gemeinsamen Kraftanstrengung, um auch in Zukunft in Deutschland investieren zu können. Andernfalls drohe die Wohnungsfrage zum sozialen Zündstoff zu werden.
Zum Ziel der Ampel-Koalition, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, äußerte sich der Konzernchef skeptisch. Dafür müssten im Jahr rund 150 Milliarden Euro investiert werden. "Dieser Wert ist im Moment in keiner Weise mehr finanzierbar, weil sich die Zinsen um den Faktor vier erhöht haben", so Buch.
Um die Investitionssumme zu stemmen, brauche es entweder mehr Förderung oder eine intensive Diskussion über Baustandards. Bau- und Finanzierungskosten sowie höhere Standards führten nicht zu Mieten, die sich Menschen vorstellen könnten.
Kündigungsmoratorium: Keine neuen Pläne bei Vonovia
Vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Energiekosten hält Vonovia nach Angaben vom Jahresende 2022 am befristeten Kündigungsmoratorium für Mieter fest. "Wir kündigen niemandem, weil er seine Nebenkosten nicht bezahlen kann, wenn er sich mit uns in Verbindung setzt", wiederholte Buch ein Versprechen. Es würden dann andere Wege gefunden, um die Probleme zu lösen.
Für die Prognosen sah sich der Bochumer Wohnimmobilienkonzern bereits im November auf Kurs. In den ersten neun Monaten 2022 legte der operative Gewinn (FFO) vor allem durch die Übernahme des Konkurrenten Deutsche Wohnen im Jahresvergleich um 35 Prozent auf knapp 1,6 Milliarden Euro zu. Der Umsatz kletterte um rund 31 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro. Die Miete stieg bis Ende September konzernweit im Schnitt auf 7,47 Euro pro Quadratmeter – das waren 1,8 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Zum Zuwachs trugen vor allem modernisierte Wohnungen bei.
Für das Gesamtjahr 2022 prognostiziert Vonovia einen Zuwachs des operativen Ergebnisses auf zwei Milliarden bis 2,1 Milliarden Euro (2021: 1,67 Milliarden Euro) an. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll von knapp 2,3 auf bis zu 2,85 Milliarden Euro steigen. Auch für 2023 äußerte sich Buch zuversichtlich. Das Ebitda soll stabil bleiben. Vonovia hält derzeit knapp 550.000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich. Dazu kommen 72.400 verwaltete Wohnungen.
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