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Seriell Sanieren

Serielles Sanieren – Turbo für den Gebäudestandard?


Serielles Sanieren Gebäudestandard

Die Energiewende im Gebäudesektor stockt. Das serielle Sanieren verspricht mit vorgefertigten Modulen eine Lösung, die Tempo, Qualität und Klimaschutz vereint. Projekte zeigen: Das Verfahren hat das Potenzial, Standards grundlegend zu verändern.

Die Klimaziele der Bundesregierung sind ambitioniert, doch die Realität im Gebäudesektor bleibt hinter den Erwartungen zurück. Der Betrieb von Gebäuden verursacht in Deutschland etwa 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und rund 30 Prozent der CO2-Emissionen. Gleichzeitig liegt die Sanierungsquote bei lediglich einem Prozent pro Jahr – ein Tempo, das bei weitem nicht ausreicht, um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen.

Serielles Sanieren: Ein Lösungsansatz

Serielles Sanieren wird zunehmend als ein vielversprechender Ansatz betrachtet, um den Sanierungsstau zu überwinden. Dabei werden Bauteile in Werkshallen vorgefertigt und auf der Baustelle in kurzer Zeit montiert, anstatt alle Arbeiten vor Ort einzeln auszuführen. "Das Material wird immer teurer, daneben muss bei der konventionellen Sanierung auch mit steigenden Arbeitskosten gerechnet werden“, sagt Emanuel Heisenberg, Chef und Gründer des 2019 gegründeten Berliner Unternehmens Ecoworks, das sich auf serielles Sanieren spezialisiert hat.

"Durch Vorfertigung und Robotik lassen sich Zeit und Ressourcen sparen.“ Vor allem das Thema Fachkräftemangel ist ein valides Argument für die serielle Sanierung, findet auch Nils Bormann von der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Die Teilautomatisierung sei eine zentrale Antwort darauf: "Serielles Sanieren nimmt keine Arbeitsplätze, sondern reagiert auf die Tatsache, dass es künftig zu wenige Fachleute geben wird.“

Was ist serielles Sanieren? Definition und Merkmale

Die Grundidee des seriellen Sanierens ist es, Sanierungsmaßnahmen wie industrielle Produkte zu behandeln. Fassaden, Dächer, Fenster und Technikmodule werden passgenau in der Fabrik vorgefertigt und anschließend in wenigen Tagen auf der Baustelle montiert. "Bei dieser Methode holt man möglichst viele Arbeitsschritte von der Baustelle ins Werk – das beschleunigt und vereinfacht das Vorgehen und verbessert die Qualität“, erklärt Bormann.

Das Konzept hat den Ursprung in den Niederlanden, wo es unter dem Namen Energiesprong entwickelt wurde. Dort wurden tausende Häuser auf den Net-Zero-Standard gebracht. In Deutschland wächst die Bewegung ebenfalls: Mehr als 100 Projekte wurden bereits umgesetzt, mehr als 17.000 Wohneinheiten befinden sich laut Dena in Planung. "Wir sind an dem Punkt angekommen, wo ganze Quartiere seriell geplant und saniert werden – das ist ein enormer Fortschritt“, sagt Bormann. Auch im Einfamilienhaussegment sowie bei Nichtwohngebäuden gibt es immer mehr umgesetzte und geplante Projekte.

Voraussetzungen für erfolgreiches serielles Sanieren

Nicht jedes Gebäude eignet sich gleich gut für serielle Sanierungen. Am einfachsten lassen sich Objekte mit einheitlicher Fassadengeometrie, ausreichend Platz für die Baustellenlogistik und umfangreichen Sanierungsbedarf bearbeiten. Wirtschaftlich interessant wird es laut Heisenberg zurzeit erst ab etwa 1.500 Quadratmetern Wohnfläche – kleinere Einheiten lohnen sich meist nicht. Prinzipiell ist die Methode bei den Gebäudetypen aber flexibel: Ein Altbau aus der Zeit um 1900? Ein DDR-Plattenbau? "Kommt grundsätzlich alles infrage”, sagt der Ecoworks-Chef.

Heisenbergs Kunden kommen überwiegend aus der Wohnungswirtschaft: börsennotierte Großkonzerne ebenso wie kleine Genossenschaften mit zwei- bis dreitausend Einheiten. Zunehmend interessieren sich auch institutionelle und renditegetriebene Investoren sowie erste öffentliche Auftraggeber für serielle Sanierungen.

Ein häufiges Problem bei Vermietern: Der Sanierungsstau wird ausgesessen, Maßnahmen werden nur punktuell umgesetzt. Dadurch lassen sich manche Gebäude nicht als Ganzes erneuern, und die Effizienz der seriellen Sanierung geht verloren. "Wenn zum Beispiel die Fenster erst vor zehn Jahren erneuert wurden und nun die Fassadendämmung ansteht, funktioniert das für uns nicht“, sagt Heisenberg. Mit einer KI-gestützten Software prüft Ecoworks ganze Portfolios. "Allein anhand einer Adresse lässt sich oft erkennen, ob ein Gebäude geeignet ist." Meist finden sich rund 40 bis 60 Prozent der Objekte in einem Portfolio, die passen. Auch Bormann betont: "Am besten ist es, wenn wirklich alles gleichzeitig an der Immobilie saniert wird. Dann kann die serielle Fertigung ihr volles Potential entfalten."

Vorteile des seriellen Sanierens

Die Vorteile des seriellen Sanierens liegen in Geschwindigkeit, Prozesssicherheit und Qualität. Während konventionelle Sanierungen oft zwölf bis 18 Monate dauern, lässt sich die Kernbauzeit bei seriellen Projekten reduzieren – und das oft ohne, dass Mieter umziehen müssen.

Zeitersparnis als wirtschaftlicher Vorteil der Sanierung

Neben den reinen Kosten ist Zeit Geld. Serielles Sanieren halbiert die Gesamtbauzeit und reduziert die Störzeit – also die Kernbauzeit mit Gerüst und Lärm – für Mieter mitunter auf ein Viertel. Das ist auch die Hauptmotivation der Marktakteure, sich für eine serielle Sanierung zu entscheiden, wie eine Studie aus dem Jahr 2023 im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWE) zeigt: 74 Prozent der Befragten nannten das als Grund. "Wir sanieren, während die Menschen in ihren Wohnungen bleiben“, sagt Heisenberg. Für Vermieter bedeutet das: weniger Mietausfälle, schnellere Refinanzierung, höhere Zufriedenheit. "Bei der seriellen Sanierung weichen Planung und Realität kaum voneinander ab – das kennen viele Immobilienunternehmen gar nicht", ergänzt Bormann.

Denn bei der industriellen Vorfertigung kommen Fassadenelemente millimetergenau mit bereits eingebauten Fenstern, Lüftung und Dämmung auf die Baustelle. Technikmodule enthalten komplette Elektro- und Wasserleitungen.

Das Resultat: Gebäude, die sich in kürzester Zeit in kleine, auf Effizienz getrimmte Kraftwerke verwandeln – ausgestattet mit Photovoltaik auf dem Dach, Wärmepumpen im Keller und smarter Steuerungstechnik.

Noch dazu geht wirtschaftliche Nutzen weit über die Bauphase hinaus: niedrige Betriebskosten, verlässliche Energieeffizienz, zufriedene Bewohner und ein Werterhalt der Immobilie. "Wir behandeln die Sanierung wie ein Produkt, das wir immer schneller, produktiver und ökologischer machen“, sagt Heisenberg.

Auch die Energieperformance kann überzeugen: Fast alle Projekte erreichen den Effizienzhaus-Standard 55 EE, einige sogar 40. So kann die Methode einen Beitrag zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit leisten. Und schließlich will das serielle Sanieren mit Langlebigkeit punkten. Während klassische Dämmverbundsysteme nach rund 30 Jahren erneuert werden müssen, kann eine seriell gefertigte Gebäudehülle bis zu 100 Jahre halten – so zumindest die Vision.

Wirkliche Nachteile hat das System Serielles Sanieren nicht. Vielmehr ist der aktuelle Stand noch ausbaufähig, damit zum Beispiel Skaleneffekte besser zum Tragen kommen. Gerade bei kleinen Immobilien oder kleineren Sanierungsprojekten ist die konventionelle Sanierung deswegen oft die günstigere Wahl. Auch Agora Energiewende, eine Organisation, die sich den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Fragen der Klimapolitik und Energiesystemen widmet, kommt zu einem durchweg positiven Fazit der seriellen Sanierung.

Schlagworte zum Thema:  Sanierung , Energieeffizienz
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