Quo Vadis 2023: Das neue Bild der Immobilienwirtschaft

Mehr als 400 Leute kamen ins Berliner Adlon zur Quo Vadis. Es ging um harte Fakten, aber längst nicht nur! Buzzwords füllten sich mit Leben. Die Menschlichkeit feierte Sternstunde. Nicht nur weil der Freiburger Ökonom Lars Feld einmal in Rage geriet. Ein Kommentar von Dirk Labusch.

Man hatte nicht immer das Gefühl, in einer Immobilienveranstaltung zu sitzen. Es ging um eine resilientere Immobilienwelt, um Werte und Ethik, um Höheres. Der Politikwissenschaftler Cornelius Adebahr schloss eine Keynote mit einem Vers des persischen Dichters Saadi: "Ein Mensch, den nicht die Not der Menschenbrüder rührt, verdient nicht, dass er noch des Menschen Namen führt." Jan Teunen sprach vom Kosmos, zitierte Rilke.

Intensiv beschwor man – wieder einmal – den menschlichen Faktor von Immobilien! Das hatte vor zehn Jahren schon Jürgen Ehrlich gemacht, der frühere Leiter des ZIA-Vorläufers Bündelungsinitiative. Doch sein Appell war damals weitgehend unbemerkt verhallt. Und jetzt? Viele Immobilien, so hieß und heißt es, machten Menschen krank. Eine Panelteilnehmerin brachte "Biophilic Design" in die Diskussion ein, Natur solle in die Wohnung integriert werden, das sei gut gegen Stress. 

Leitzins: Die 4-Prozent-Prognose

Also nur weiche Themen? Natürlich nicht. Die Rahmenbedingungen bleiben gerade für die Immobilienbranche herausfordernd. Ökonom Lars Feld prognostizierte eine Leitzinserhöhung auf bis zu vier Prozent bis zum Sommer. Entgegen anderer Thesen und Hoffnungen werde die Inflation bleiben, meinte er. Kreditvergabestandards würden steigen und, ja, Bestandshalter und Investoren würden auch bis auf weiteres nicht mehr zueinander finden. Investmentmanager würden zu Objektmanagern, weil viele Investitionen im Moment on hold stünden.

Der Fachkräftemangel ist ein weltweites Problem und betrifft alle Branchen: "Recruitingkosten für LKW-Fahrer in den USA sind genauso hoch, wie für Softwareentwickler", so Sebastian Dettmers, CEO von Stepstone. Der einzige Kontinent, der noch wachse, sei Afrika. Aber gerade von dort werden keine Fachkräfte kommen. Die lapidare Erkenntnis der Testo-Vorständin Antje Leminsky lautete: Fachkräfte werde es nun mal nicht geben. Deshalb müssten Unternehmen zwangsläufig an ihrer Produktivität arbeiten, an Digitalisierung.

Quo Vadis 2023 Prof. Lars Feld

Immer, wenn es in diesem Zusammenhang um die Verwaltung geht, wird Lars Feld wütend (er spielte das gut!). Dass die Verwaltung während des Lockdowns ins Homeoffice geschickt wurde, bezeichnet er als "bedingungsloses Grundeinkommen für die Mitarbeiter", denn richtig arbeiten gekonnt hätten sie – mangels Ausstattung – ja zumeist nicht.

Manchmal blieb die Veranstaltung im Vagen, etwa dann, wenn die Botschaft kam, dass wir beim Thema Resilienz einen Diskurs anstoßen müssten. Wie bitte? Vielleicht geht es bei verschiedenen Themen aber einfach nicht konkreter. Fast niemand hatte eine Antwort darauf, wie der Zielkonflikt beim Bauen gelöst werden kann. Feld immerhin machte ein paar bekannte Vorschläge: Das Produkt müsse günstiger werden, keine städtebaulichen Verträge mehr, weg mit der Mietpreisbremse. Ob‘s durchsetzbar ist?

Das Thema, das über allem steht

Eines hatte ich noch vergessen: Das Thema, über das keiner mehr reden will, aber ohne das es nicht mehr geht: Gitta Rometsch, geschäftsführende Gesellschafterin von Heuer Dialog, betonte, Quo vadis sei seit 2022 eine nachhaltige Veranstaltung. Moderator Timo Tschammler stellte die Frage nach der nachhaltigsten Assetklasse. Christian Federspieler, HypoVereinsbank/Uni Credit, meinte etwas verlegen, man beschäftige sich auch mit Bestandssanierung.

Bis 2030 muss auch Deutschland seinen Treibhausgasausstoß um 65 Prozent gegenüber 1990 verringern. Bis dann sollten Europas Neubauten klimaneutral sein. Die Frage ist nur, ob alle Investoren bereit sind, bis dahin an "Net Zero" zu arbeiten. Wird schwierig, das zeigte die Quo Vadis.

Die Abendveranstaltung war ein großes Event. Schade, dass ich nichts essen durfte, ich probiere gerade Intervallfasten. Immerhin: Die Reste wurden abgeholt von "Foodsharing Berlin". Die Branche kommt allmählich in einen anderen Flow. Es ist eigentlich egal, ob von selbst oder gezwungenermaßen. Die Quo Vadis bildet dieses neue Denken ab, vielleicht geht sie in Teilen sogar voran. Doch halt, was finde ich da in meinem Sakko am Abend? Mein Plastik-Quo Vadis-Kärtchen. Ganz schlecht, Heuer Dialog! Und essbar ist es nicht. Aber vielleicht gilts ja auch fürs nächste Jahr ...


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