Gutachten: Sanierungsquote in Gebäuden muss sich verdoppeln

Ein Sanierungsrate von bis zu zwei Prozent ist nötig, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu schaffen – bisher liegt die Quote aber nur bei 0,7 Prozent, und das GEG 2024 wird nicht reichen, um die Lücke zu schließen, wie Gutachten zeigen. Ein Verbändebündnis will gegensteuern.

Wie hoch die Sanierungsrate im Gebäudebereich tatsächlich sein muss, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen – dazu gibt es unterschiedliche Prognosen: So rechnet zum Beispiel ein Gutachten des Bundeministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aus dem Jahr 2022 damit, dass jährlich 1,7 bis 1,9 Prozent aller Wohnhäuser energetisch saniert werden müssen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geht von zwei Prozent aus.

Tatsächlich lag die Quote energetischer Sanierungen im deutschen Gebäudebestand im Jahr 2023 aber nur bei 0,7 Prozent. Das ergibt eine aktuelle Studie von B+L Marktdaten im Auftrag des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG). Und für das erste Halbjahr 2024 wird ein weiteres leichtes Absinken der Sanierungsrate auf etwa 0,69 Prozent erwartet.

GEG & BEG: Effekt auf Klimaziele in Gebäuden

Auch mit den festgelegten Maßnahmen im novellierten Gebäudeenergiegesetz (GEG 2024) und der unterstützenden Förderung durch die reformierte Bundesförderung für energieefiziente Gebäude (BEG) werde Deutschalnd das Klimaziel im Gebäudebereich in den kommenden Jahren und bis 2030 deutlich verfehlen, heißt es in einem Bericht des Forschungsinstituts für Wärmeschutz (FIW) im Auftrag des Verbändebündnisses Gebäude-Allianz. Die Lücke zum jährlichen Zielwert werde sogar größer.

Das BMWK hatte am 7.9.2023 eine Berechnung zur CO2-Einsparung vorgelegt, nach der mit dem GEG nur rund drei Viertel der eigentlich geplanten Treibhausgasminderung bis 2030 möglich sein sollen – "vielleicht etwas mehr, vielleicht weniger". Die Schätzung basierte auf Zahlen des Öko-Instituts.

Laut FIW-Gutachten werden die erwarteten Treibhausgasemissionen im Jahr 2030 zirka 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente betragen und damit den Zielwert des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) von 67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente um 13 Millionen Tonnen überschreiten. Im "Weiter-So-Szenario" würden die jährlichen Zielverfehlungen im Gebäudesektor von 2020 bis 2030 zu Mehremissionen von 84 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente führen.

Net Zero & Energieeffizienz der Gebäudehülle

Die FIW-Forscher schlagen, Ausnahmen im GEG 2024 zu reduzieren und die Effizienzanforderungen zu verschärfen. Auch die Verlässlichkeit von Fördermitteln könne die Sanierungstätigkeit pushen, damit die Klimaziele erreichbar bleiben. Konkret wird in dem Gutachten auch empfohlen, neben der CO2-Neutralität die Energieeffizienz der Gebäudehüllen gleichrangig in das Zentrum des Handelns zu rücken: So müsse etwa die Sanierung der schlechtesten Ein- und Zweifamilienhäuser angegangen und der Einbau von Wärmepumpen sowie der Ausbau der Fernwärme forciert werden.

"Die Bundesregierung hat zuletzt den Fokus zu stark auf den Heizungstausch gelegt und die energetische Sanierung des Gebäudebestands zu sehr aus den Augen verloren", warnte BuVEG-Geschäftsführer Jan Peter Hinrichs. Der ab der zweiten Jahreshälfte 2024 prognostizierte leicht wachsende Markt für Bestandsimmobilien kann zu einer moderat ansteigenden Sanierungsrate führen.

"Allerdings erfolgt die Reduktion aktuell nicht schnell genug, so dass der Gebäudesektor damit die Klimaziele 2030 und 2045 verfehlen würde", kommentierte Andreas Holm, Leiter des FIW, das Gutachten: "Daher ist ein zusätzliches Maßnahmenpaket, das schnell zur Steigerung der Sanierungsrate und -tiefe führt und in großer Zahl für einen Energieträgerwechsel sorgt, zwingend notwendig." Es sei sinnvoll, zuerst die energetisch schlechtesten Gebäude – Worst Performing Buildings – anzugehen.

FIW-Forschungsbericht "Klimaziellücke im Gebäudesektor"

Gebäude-Allianz: Forderungen der Verbände

Einzelmaßnahmen seien nicht ausreichend, um die Lücke zu schließen, teilte die Gebäude-Allianz mit, der 30 Verbände und Initiativen angehören, darunter auch der BuVEG. Es brauche einen Rollout erneuerbarer Wärmeversorgung sowie eine verlässliche und langfristig planbare Förderkulisse.

Maßnahmen zur Verbesserung der Gesamteffizienz sind laut Forderungskatalog der Bündnisses der Schlüssel für eine bezahlbare und verlässliche Energiewende in Deutschland. Es sei "das Gebot der Stunde", die Europäische Gebäuderichtlinie (EPBD) in die nationale Umsetzung zu bringen.

Der Expertenrat für Klimafragen hat am 15.4.2024 seinen Prüfbericht gemäß Klimaschutzgesetz zu den Emissionsdaten 2023 vorgelegt und bescheinigte dem Gebäudesektor Emissionsminderungen um 7,5 Prozent (entspricht mehr als acht Millionen Tonnen CO2) gegenüber dem Vorjahr. Bauminsterin Klara Geywitz (SPD) sieht ihr Ressort damit auf Kurs: "Damit konnte der Gebäudesektor sein Ziel aus dem Klimaschutzgesetz erstmals nahezu erreichen. Die Verfehlung liegt nur bei rund einem Prozent."

Gebäude-Allianz: Politische Einordnung des FIW-Gutachtens zur Sanierungsquote


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dpa
Schlagworte zum Thema:  Gebäude, Klimaschutz