Die Zinswende rückt näher: Folgen für die Immobilienbranche

Sie hilft, die Inflation einzudämmen, verteuert allerdings Kredite und gefährdet dadurch Investitionen: Die Zinswende – erwartet wird eine Erhöhung für das zweite Halbjahr 2022. Was haben die Akteure der Immobilienbranche diesbezüglich auf dem Zettel?

Die nächsten Zins-Sitzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) sind für den 9. Juni und den 21. Juli terminiert. Es gilt als sicher, dass zunächst die milliardenschweren Anleihekäufe beendet werden. Das ist die Vorstufe einer Zinserhöhung. Erwartet wird eine Anhebung von 0,25 bis 0,5 Prozent zu Beginn der zweiten Jahreshälfte und ein weiterer Zinsschritt von bis zu einem halben Prozentpunkt im September.

Je näher diese Termine rücken, desto mehr gewinnt die Diskussion über mögliche Effekte an Fahrt. Einen neuen Aspekt brachte Vonovia-Chef Rolf Buch Anfang Juni ins Spiel: Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liege, müssten auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen, wird er in einem Zeitungsinterview zitiert. Natürlich gehörten Zuspitzungen zum öffentlichen Dialog.

Vielleicht auch diese: Um Vermieter und Mieter vor Renditeeinbußen oder steigenden Kosten zu schützen, können die Zinsen gar nicht schnell genug erhöht werden. Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen warnt vehement davor.

GdW: "Warnung vor dem Sturm"

"Eine Leitzinserhöhung würde zu deutlichen Auswirkungen auf den Wohnungsbau führen. Bereits jetzt ist die Nachfrage bei Bauträgern um zehn bis zu 20 Prozent eingebrochen, weil Käufer zurückschrecken. Insgesamt brauen sich beim Wohnungsbau aktuell mehrere krisenhafte Entwicklungen zu einem perfekten Sturm zusammen", sagte GdW-Pressesprecher Andreas Schichel auf Anfrage.

Kombiniert mit Lieferkettenproblemen infolge der Corona-Pandemie, Materialengpässen durch den Krieg in der Ukraine, Preisexplosionen, dem Fachkräftemangel und dem "KfW-Förderchaos" sorge ein Zinsanstieg dafür, dass viele Bau- und Modernisierungsprojekte zum Erliegen kämen. "Wenn Kredite deutlich teurer werden und weiterhin massive Planungsunsicherheit bei den Unternehmen herrscht, kann kaum noch bezahlbarer und klimaschonender Wohnraum geschaffen werden", sagt Schichel.

Wird es weniger attraktiv, in Immobilien zu investieren?

Eher nicht, sagen die meisten Experten. Nach Einschätzung von Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp), wird sich die Dynamik der Preisentwicklung zwar verlangsamen, man gehe aber "per heute" nicht von einer starken Preiskorrektur am deutschen Immobilienmarkt aus – auch mittelfristig nicht. Denn dafür müsse entweder das Angebot deutlich zunehmen oder die Nachfrage massiv zurückgehen. Beides zeichne sich nicht ab.

"Im Wohnungsmarkt besteht weiterhin eine massive Übernachfrage. Wir rechnen deshalb damit, dass die Preise auf dem hohen Niveau auslaufen", erklärt Tolckmitt: "Die für die Immobilienfinanzierung relevanten langfristigen Zinsen werden auch nicht nur durch die Anpassung der kurzfristigen Zinsen durch die Zentralbank determiniert, sondern durch eine Vielzahl von Faktoren."

Für das über den Kapitalmarkt refinanzierte Immobilienfinanzierungsgeschäft habe der Anstieg der Zinsen keine unmittelbaren Auswirkungen, da sich die Pfandbriefbanken dort im Wesentlichen fristenkongruent refinanzierten. "Der Zinsanstieg führt dazu, dass der Pfandbrief für die klassischen Real-Money-Investoren wieder attraktiver wird", so der vdp-Hauptgeschäftsführer weiter.

Immobilienmarkt: Preisentwicklung verliert an Schwung

Tendenziell ähnlich, wenig dramatisch also, schätzt die Bausparkasse Schwäbisch Hall AG die Konsequenzen der anstehenden EZB-Beschlüsse ein. Ein Gegenwind durch anhaltend steigende Zinsen werde der Preisentwicklung am Immobilienmarkt zwar den Schwung nehmen, ihn aber keineswegs abstürzen lassen, sagt Karsten Eiß, Pressesprecher Unternehmen und Finanzen.

Solange die Wirtschaft die verschiedenen externen Schocks weiterhin so gut verkrafte wie bislang und dadurch die Arbeitslosigkeit niedrig bleibe, würden die Immobilienpreise aufgrund des strukturellen Mangels an Wohnraum vermutlich auch mittelfristig hoch bleiben.

"Im Ergebnis sollte damit auch der Rückgang der real verfügbaren Einkommen überschaubar bleiben, zumal gleichzeitig die Überersparnisse der Corona-Zeit helfen können, etwaige Engpässe zu überbrücken", meint Eiß. Bauherren seien dem Risiko steigender Bauzinsen ausgesetzt. Einen so starken und kurzfristigen Anstieg wie in den ersten vier Monaten 2022 werde es wahrscheinlich aber nicht geben. Aufgrund der Vielzahl an Krisenherden können ein Szenario natürlich nicht ganz ausgeschlossen werden.

Zinswende: An den Märkten bereits eingepreist

Die Researcher der Swiss Life Asset Managers Deutschland GmbH gehen davon aus, dass die Zinsschritte der EZB mittelfristig greifen. Wegen anhaltend hoher Energiepreise und Zweitrundeneffekten wie dem Lohnwachstum würde die Inflation noch bis 2023 über den Zielwerten der Zentralbanken liegen. Allerdings seien nicht alle Entwicklungen kalkulierbar, denn die Bewertungen reagierten mit einer zeitlichen Verzögerung auf Veränderungen der Transaktionspreise Das heißt: Höhere Mieten aufgrund höherer Inflation erhöhen die Werte, höhere Verwaltungskosten verringern die Werte."

Der endgültige Marktwert werde durch die Entwicklung der Zinssätze gesteuert, von denen Swiss Life Asset Managers erwartet, dass sie am langen Ende der Kurve seitwärts tendieren werden.

Aus Sicht von Michael Neumann, dem Vorstandschef der Dr. Klein Privatkunden AG, haben die Märkte die lange hinausgezögerte Zinswende bereits eingepreist. "Auf den Immobilienmarkt wird eine Leitzinserhöhung keine signifikanten Auswirkungen haben", meint er. Trotz steigender Zinsen für Baufinanzierungen sei die Nachfrage nach Wohneigentum nicht zurückgegangen. "Im Gegenteil: Für viele wird das Zeitfenster gerade kleiner und wer zu den jetzigen Konditionen eine geeignete Immobilie kaufen kann, bemüht sich, das auch zu tun", so Neumann.

Worauf müssen sich Anleger und Investoren künftig einstellen?

Mieterhöhungen spielen in der von Vonovia SE skizzierten Finanzierungsstrategie keine Rolle. "Unser Geschäftsmodell ist solide, unser Fälligkeitenprofil ist ausgewogen und unser Investmentgrade-Rating erlaubt uns auch weiterhin, Kredite zu marktüblichen Konditionen aufzunehmen", versichert Vonovia-Pressesprecherin Jana Kaminski. "Ob besicherte oder unbesicherte Anleihen, Green oder Social Bonds, digitale Transaktionen oder Schuldscheindarlehen – wir verfügen über eine sehr fundierte und vor allem breit aufgestellte Finanzierungsbasis." Die gelte auch für die laufenden Verbindlichkeiten.

In Anbetracht der gestiegenen Kapitalkosten werde man dieses Jahr den Blick jedoch vor allem auf das EBITDA-Wachstum richten – zum Beispiel durch Verkäufe – und keine weiteren Schulden aufnehmen, um den Verschuldungsgrad weiter zu senken. Zudem habe das Unternehmen die Neubau-Strategie und damit auch die geplanten Investitionen neu ausgerichtet.

"Wir werden mehr für den Markt bauen und weniger für den eigenen Bestand. Auf die Immobilienwerte hat die Zinsentwicklung nur einen indirekten Einfluss. Wir sehen eine weiterhin ungebrochen hohe Nachfrage von Wohnungsmietern und Immobilienkäufern. Gleichzeitig gibt es zu wenig Wohnungsneubau, um diese starke Nachfrage zu bedienen", betont die Sprecherin.

"Die Wertentwicklung wird in Zukunft voraussichtlich geringer ausfallen", prognostiziert das Research von Swiss Life Asset Managers. Man erwarte zwar keine scharfe Preiskorrektur bei hochwertigen Vermögenswerten, bei solchen von geringerer Qualität könne es aber zu stärkeren Anpassungen kommen. Dr. Klein-Experte rechnet mit "unter dem Strich" weiter steigende Preisen, dies allerdings mit abflauendem Tempo. "Durch höhere Zinsen werden Immobilien für viele Kapitalanleger tendenziell unattraktiver und sie stehen dann eher privaten Käufern zur Verfügung."


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Schlagworte zum Thema:  Zinsen, Zinssatz, Immobilienmarkt