US-Zölle: Gift für die Immobilienwirtschaft?

Hohe Zölle seien Gift für die Wirtschaft, und das weltweit, schreibt Börsenexperte Vito Micoli, Treuhänder und geschäftsführender Direktor beim FinTech FI Investments – auf die steigende Unsicherheit könnten nun Handelskriege folgen.
Die Folgen der von der US-Regierung verhängten Zölle werden sich indirekt auch auf die Immobilienwirtschaft in Deutschland negativ auswirken, heißt es im BF.Marktradar für April 2025. Die ohnehin schwierige Lage durch den jüngsten Zinsanstieg – als eine Folge der Lockerung der Schuldenbremse – werde weiter verschärft.
Marktexperten haben sich zu möglichen Auswirkungen des erratisch erscheinenden Handelskurses der US-Regierung auf Preise, Investments und Strategien geäußert.
Handelskonflikt: Wohnimmobilien als Inflationsschutz
"Die US-Zölle führen zunächst weltweit zu großer Unsicherheit. Das zeigt das aktuelle Börsenbeben", sagt Dr. Tim Schomberg, CEO von Kingstone Real Estate. Und Unsicherheit sei für Investmententscheidungen immer hinderlich. Institutionelle und private Investoren dürften ihre Entscheidungen also erst einmal aufschieben – das wiederum würde dazu führen, dass die aktuelle Zurückhaltung der Anleger am Immobilieninvestmentmarkt länger anhält.
Hohe Zölle schwächen zudem den internationalen Handel, was das Wirtschaftswachstum bremsen oder zu einer Rezession führen könnte. "Hiervon sind Gewerbeimmobilien – vor allem Büros und Logistik – stärker betroffen als Wohnimmobilien", so Schomberg. Im Besonderen erhöhten weitreichende Zölle die Inflationsgefahr. Gerade Wohnimmobilien als reale Vermögensgegenstände könnten hier einen inhärenten Inflationsschutz bieten.
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwächephase geht der Kingstone-CEO davon aus, dass die Zentralbanken erst einmal am eingeschlagenen Zinssenkungspfad festhalten werden. "Generell ist die Immobilienbranche eine nachgelagerte Branche. Viele Effekte zeigen sich erst deutlich zeitverzögert."
US-Zölle bremsen Trend zu sinkenden Zinsen
"Noch ist unklar, inwieweit die Zölle umgesetzt werden und einen globalen Handelskrieg auslösen oder ob noch durch bilaterale Verhandlungen Anpassungen vorgenommen werden", sagt Gerhard Lehner, Head of Germany bei Savills Investment Management. Die Sorge vor höheren Inflationsraten und einer möglichen Rezession sei jedoch zurück. Die Notenbanken werden zunehmend in die Zwickmühle geraten, durch die Zinspolitik die Wirtschaft stützen und die Inflation bekämpfen zu müssen. "Perspektivisch dürfte jedoch eine nachhaltige Trendwende zu sinkenden Zinsen damit in weite Ferne rücken", befürchtet der Experte.
Für die Immobilienmärkte – insbesondere in Europa – könnte sich das auf die Nutzermärkte auswirken. Längerfristig erhöhte Finanzierungskosten treffen demnach vor allem Segmente, die stark fremdkapitalfinanziert oder transaktionsorientiert sind, etwa Projektentwicklungen oder Value-add-Strategien.
Mit Blick auf die Risikoklassen werden Core-Investments in nachgefragten Lagen in den Fokus von Profianlegern rücken. Immobilien mit langlaufenden und indexierten Mietverträgen aus resilienten Nutzungsarten, wie Logistik und der Lebensmitteleinzelhandel, dürften profitieren. "Im Umfeld wachsender Unsicherheit bleibt die sorgfältige Allokation über Nutzungsarten, Regionen und Risikoprofile hinweg essenziell", so Lehner.
Auswirkungen der US-Zollpolitik auf die Baupreise
Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, meint, dass "die Auswirkungen der neuen US-Zölle für unsere exportorientierte Wirtschaft weitreichend" sind. Auch die Immobilienwirtschaft werde indirekt und zeitverzögert davon betroffen sein.
"Sollte die EU vergleichbare Maßnahmen vornehmen, würden auch bei uns die Preise steigen, allerdings nicht in vergleichbarem Ausmaß, da die Zölle in Europa nur US-amerikanische Produkte treffen würden", sagt Fedele. Schwer abzusehen seien die Auswirkungen auf die Baupreise. Die Preise für Baumaterialien könnten steigen, beispielsweise wenn die Europäische Union – wie derzeit vorgeschlagen – die Importquoten für Stahl reduziert.
Fedele weiter: "Unterm Strich stören Zölle den Handel, was die Wirtschaft insgesamt bremst und im Fall von Deutschland sogar zu einer Rezession führen kann. Diese wird sich zunächst in den gewerblichen Nutzungsarten bemerkbar machen. Ich denke dabei vor allem an den Büro- und Logistikmietmarkt."
Immobilien: Werttreiber und Trends im Blick behalten
Prof. Dr. Felix Schindler, Head of Research & Strategy bei HIH Invest, spricht im Rahmen der US-Zollpolitik von einem Paradigmenwechsel in den internationalen Handelsbeziehungen. "Makroökonomisch sind mit den Zöllen eine hohe Unsicherheit, ein Anstieg der Inflationsraten in den kommenden Monaten und eine erhöhte Rezessionswahrscheinlichkeit für die USA verbunden."
Die Auswirkungen auf Europa und Deutschland sowie die Reaktion der Europäischen Zentralbank (EZB) werden Schindler zufolge entscheidend von den Gegenmaßnahmen der Europäischen Union, der Ausgestaltung der Handelsabkommen mit anderen Wirtschaftsräumen und dem finalen Ergebnis der Verhandlungen mit den USA abhängen.
Bis zu diesem Zeitpunkt seien belastbare Prognosen nur begrenzt möglich. "Szenarioanalysen hinsichtlich BIP-, Inflations- und Zinsentwicklung dominieren", so der HIH Invest-Stratege. "Für die Immobilienmärkte gilt es in der aktuellen Situation und in den Turbulenzen an den Kapitalmärkten, die langfristige Perspektive sowie nachhaltige Werttreiber und Trends im Blick zu behalten." In den Portfolios könnten Immobilien für eine gewisse Stabilität sorgen.
Stresstest für die Assetklasse Immobilien
"Die protektionistische Handelspolitik der USA und die damit verbundene Eskalation des globalen Zollkonflikts wirken sich extrem belastend auf die weltwirtschaftliche Dynamik aus – mit spürbaren indirekten Folgen auch für die deutsche Immobilienbranche", äußert sich abschließend Friedrich Eschenbaum, Geschäftsführer von Praeclarus Invest. Als exportorientierte Volkswirtschaft sei Deutschland besonders anfällig für rückläufige Handelsströme, die sich in vorsichtigen Investitionsentscheidungen bemerkbar machten.
Einerseits könnten Immobilieninvestoren aufgrund der aktuellen weltwirtschaftlichen Verwerfungen nun noch restriktiver agieren, andererseits könne die Immobilienbranche hoffen, dass Investoren verstärkt auf Sachwerte wie Immobilien setzen. Gerade relativ konjunkturunabhängige Assets wie Wohnungen oder Healthcare-Produkte könnten stärker nachgefragt werden.
"Kurzum: Die aktuellen Entwicklungen sind ein neuerlicher Stresstest für die Assetklasse Immobilien. Umso wichtiger wird es, auf Qualität, Resilienz und langfristige Cashflows zu setzen", rät Eschenbaum.
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