Baubranche: Wie "BIM" ist Deutschland?

Die Vorteile von Building Information Modelling (BIM) beim Bauen liegen auf der Hand: Mehr Transparenz und bessere Planung, Steuerung und Koordination. Doch die digitale Methode wird von einem Großteil der Verantwortlichen in der Branche nicht genutzt, wie der BIM-Monitor zeigt. Woran liegt das?

Building Information Modelling (BIM) ist kein Begriff, den man in der Baubranche groß erklären muss. Auch die Bundesregierung setzt bei Projekten der öffentlichen Hand auf die digitale Methode bei Planung, Bau und dem Betrieb von Gebäuden. Die relevanten Daten werden gebündelt und sind für alle Projektbeteiligen zugänglich. Doch trotz der vielen Vorteile nutzt ein Großteil der deutschen Architektur- und Ingenieurbüros, Bauunternehmen und Installationsfirmen die digitale Planungsmethode noch nicht.

Warum das so ist, hat die Studie "BIM-Monitor 2022/23: Trends und Entwicklung" von Bauinfraconsult und Drees & Sommer untersucht. Rund 300 Firmen wurden zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen befragt.

BIM: Keine Planungsfehler, keine Verzögerungen

Nur ein Fünftel (20 Prozent) der an der Umfrage teilnehmenden Planungsunternehmen, Bau- und Handwerksfirmen arbeiten aktuell aktiv mit BIM. Die Zahlen zeigen auch, dass die BIM-Nutzer die Methode bisher anwenden, weil es vom Kunden so gewünscht ist (36 Prozent), um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein (30 Prozent) oder um interne Prozesse zu optimieren (30 Prozent).

Mit unserer Erfahrung aus bereits abgewickelten BIM-Bauprojekten wissen wir um die Push- und Pull-Faktoren. Die Markterfordernis und die Notwendigkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben, lösen den Wandel aus. Die Optimierung der internen Prozesse und der Bauabläufe sind die konsequente Folge und fast schon ein Mitnahmeeffekt.

Auch wenn der "Monitor 2022/23" zeigt, dass die BIM-Nutzung mit nur 6,5 Prozent bei den Zielgruppen auf das ungefähre Ausgangsniveau der Erstmessung von 2017 zurückgegangen ist: Wir beobachten bei unseren Kunden, dass die Unternehmen in mehr Projekten BIM einsetzen als im Vergleichszeitraum. Das erklärt sich dadurch, dass die BIM-Methode – einmal implementiert – umfänglich angewandt wird.

BIM: "Selbstläufer" auch für die Wohnungswirtschaft

Zum einen, weil das Invest in die Umstellung der Prozesse und die Ausbildung der Mitarbeiter über die Zahl der Projekte amortisiert wird, zum anderen, weil BIM-Projekte deutlich effizienter und qualitativer ablaufen. Es macht für die meisten Unternehmen wirtschaftlich und inhaltlich keinen Sinn, beide Methoden – die herkömmliche Planung und die digitale BIM-Planung – parallel zu bedienen. Vor dem Hintergrund, dass wir beobachten, dass öffentliche wie privatwirtschaftliche Auftraggeber zunehmend auch weniger komplexe und langlaufende Projekte in der BIM-Methode beauftragen, können wir für die nahe Zukunft wieder eine steigende Tendenz erwarten.

Da die Vorteile von BIM darin bestehen, Teams, Arbeitsabläufe und Daten über den gesamten Projektlebenszyklus hinweg – von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb – zu verbinden, ist BIM ein Tool, das auch für Makler, Projektverantwortliche und Stakeholder aus der Wohnungswirtschaft in Frage kommt: Wie performt ein Gebäude, an welchen Stellschrauben kann gedreht werden, wie können Betriebsabläufe verbessert werden – all diese Fragen lassen sich auch mit Anwendungen aus dem BIM-Werkzeugkasten beantworten.

BIM-Daten: Mehrwert für Bau- und Immobilienbranche

Eine vernünftige BIM-Planung sorgt dafür, dass Planungsfehler später nicht den Betrieb erschweren. Doch das für die Akteure der Wohnungswirtschaft wichtigere Ergebnis sind die Daten. Sie sind der Mehrwert für die Branche, als umfassende Sammlung von Informationen zu Bauteilen, Systemen, Materialien, zu Produkt­eigenschaften und Wartungsintervallen. Die Daten sind die Basis für eine effiziente Inbetriebnahme, den sauberen Start in das Gebäudemanagement und die Grundlage für den optimalen Betrieb.

Wesentliche Herausforderung ist es, die richtigen Daten zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Format zur Verfügung zu stellen. Planerische Schnittstellen mit Informationsbedarfen des Betriebs und den technischen Anforderungen des softwaregestützten Facility Managements müssen übereinander gebracht werden. Eine zum Projektstart ausgearbeitete Definition der Liegenschaftsanforderungen (LIA), kombiniert mit der Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Lieferzeitpunkten kann bereits zum Start des Projekts für Klarheit – auch hinsichtlich des Aufwands durch Planer und Ausführende – sorgen und die strukturierte Aggregation der Informationen sauber und sukzessive organisieren. Das BIM-Managements muss bereits vor Projektstart auch den Betrieb im Fokus haben.

Die durch BIM generierten Daten unterstützen auch Immobilienverkaufs- oder -Mietprozesse, da belegbare Zahlen zum Gebäude und für den Gebäudelebenszyklus abgerufen werden können – valide und allzeit verfügbar. BIM ist die Grundlage der Digitalisierung des Bauwesens, um nachhaltiger, effizienter und kostengünstiger zu bauen und zu betreiben.

Weitere Ergebnisse aus dem "BIM-Monitor 2022/23" im Überblick:

  • Die Stichprobe zeigt, dass nach einer BIM-Einführungswelle ab 2018 die Zahl der Firmen, die damit beschäftigt sind, neue BIM-Prozesse einzuführen, seit der Coronakrise 2020 und dem Krieg in der Ukraine deutlich abgeebbt ist. Im Jahr 2019 war die Arbeit in BIM höher ausgeprägt.
  • Befragungsdaten und qualitative Einschätzungen zeigen, dass die BIM-Nutzung und die Kooperation bei Unternehmen, die darin arbeiten, intensiver geworden ist.
  • Zirka sieben von 100 Projekten der Befragten sind BIM-Projekte. Bei Firmen, die schon in BIM arbeiten, wird im Schnitt in jedem dritten Projekt BIM angewandt. Ähnlich sieht es bei der Relevanz von BIM für den Umsatz aus.
  • BIM wird meist wegen externer Beweggründe eingeführt. Beispiel: Kundenwunsch oder Wettbewerbsfähigkeit. Derzeit scheint die Nachfrage- und Kapazitätskrise in der Bauwirtschaft die BIM-Verbreitung zu hemmen. Das dürfte sich ändern, wenn sich der Markt erholt.
  • Betriebe, die BIM nutzen, greifen in allen relevanten Projektphasen und Aufgabenbereichen auf BIM zu. Bei der BIM-Anwendung sind am häufigsten Planungs- und Visualisierungsanwendungen sowie Kollisionserkennung und Mengenplanung.
  • Vorteile von BIM sind insbesondere die verbesserte Effizienz und Kooperation in Projekten. Als Hemmnisse gelten der Investitionsaufwand und die Komplexität des Themas, die für erhöhten Schulungsaufwand sorgt. Gerade die Unternehmen, die BIM bereits nutzen, berichten außerdem, dass es immer noch zu wenige BIM-fähige Kooperationspartner gibt.
  • Die investiven Hürden für den Einstieg in BIM liegen weniger an technischen Voraussetzungen, sondern eher in notwendigen Veränderungen der Betriebsabläufe und der Mitarbeiteraufgaben. Die Investitionen in Soft- oder Hardware sind deutlich geringer als der Schulungsaufwand.
  • Jedes zweite Unternehmen geht davon aus, dass sich Investitionen in BIM langfristig auszahlen. Die Schätzung der BIM schon anwendenden Unternehmen fällt am optimistischsten aus.
  • Gebäudearten, die sich aus Sicht der Branche besonders für BIM eignen, sind Bauten mit hohem "Wiederholungsfaktor" wie Mehrfamilienhäuser, Büro- und Industriebauten oder Schulen.
  • Der "digitale Zwilling", das BIM-Modell mit allen relevanten Daten des Bauwerks, wird in fast jedem zweiten Projekt bei Planung und Realisierung zugrunde gelegt, doch nur bei jedem vierten Projekt auch an die Gebäudenutzer übergeben. Für private Bauherren ist das kaum relevant.
  • Datenmodelle für das Facility Management werden selten erstellt. 3D-Visualisierungen als Kommunikationstool sind üblich. Vor allem Renderings für Visualisierungen werden erzeugt.

Über die Studie:

Der "BIM-Monitor 2022/23: Trends und Entwicklung" der Marktforscher von Bauinfoconsult und des Planungs- und Beratungsunternehmens Drees & Sommer zeigt den Stand und das Potenzial der BIM-Marktdurchdringung in Deutschland. Unser Autor André Friedel (Kompetenzverantwortlicher für BIM im Bereich Building Performance Projektmanagement bei Drees & Sommer) ordnete die von Bauinfoconsult ermittelten Zahlen ein und ergänzte die Statistik um Marktaspekte.


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