Digitalisierungsstudie: Keine Daten, kein digitales Quartier

Intelligent Wohnen, Arbeiten, Versorgen: Das gut vernetzte smarte Quartier ist die Aufgabe der Zukunft, heißt es in der aktuellen Digitalisierungsstudie von ZIA und EY Real Estate. Die größten Probleme dabei sind hausgemacht – zuvorderst hängt es beim Datenaustausch.

Nicht mehr nur PropTechs investieren einen großen Batzen des Jahresumsatzes in die Digitalisierung, auch etablierte Immobilienunternehmen stecken mittlerweile nicht selten achtstellige Beträge in entsprechende Maßnahmen, wie die aktuelle Digitalisierungsstudie von EY Real Estate und dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) zeigt. Mit dem Voranschreiten des digitalen Reifegrades in der Branche wird aber auch deutlich: Die größte Hürde sind immer noch die Daten.

Der Einsatz von Sensorik und anderen digitalen Technologien in Immobilien hat in den vergangenen Jahren "einen echten Quantensprung gemacht", schreibt Martin Rodeck, Vorsitzender des ZIA Innovation Think Tank, im Vorwort der Studie. Nun werde es darum gehen, die smarten Gebäude und ihre Eigentümer auf Quartiersebene zu vernetzen. Das Fokusthema der siebten EY-ZIA-Studie ist deshalb das "digitale Quartier", welches einen wesentlichen Baustein für die Stadt der Zukunft darstellt.

Digitalisierung etabliert sich bei den Immobilienprofis

Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der befragten Immobilienprofis investieren rund fünf Prozent des Umsatzes in Digitalisierungsmaßnahmen, heißt es in der 2022er-Studie – Tendenz weiterhin steigend. Im Jahr zuvor waren es noch 18 Prozent. Die Zahl der Unternehmen, die mehr als 20 Prozent des Jahresumsatzes investieren, hat sich seit dem Vorjahr verdreifacht: Nach drei Prozent im Jahr 2021, sind es zehn Prozent im Jahr 2022. Auch die Anzahl der Unternehmen, die zwischen elf und 20 Prozent investieren, steigt an: acht Prozent sind es 2022; sechs Prozent waren es vergangenes Jahr.

Rund die Hälfte (55 Prozent) der Unternehmen befinden sich in fortgeschrittenen Phasen der digitalen Transformation – der Trend schreitet voran (2021: 49 Prozent). Mit nur noch sechs Prozent verorten sich immer weniger Unternehmen in der Orientierungsphase (2021: acht Prozent) oder in der Entwicklungsphase (2022: 39 Prozent versus 2021: 48 Prozent). Der Anteil der Unternehmen in der Etablierungsphase steigt auf 47 Prozent in der aktuellen Umfrage (2021: 41 Prozent). Der Anteil der Unternehmen in der digitalen Exzellenz hat sich von drei Prozent im vergangenen Jahr auf acht Prozent jetzt fast verdreifacht.

Das Problem: Knapp zwei Drittel (60 Prozent) der Befragten empfinden schlechte Datenqualität und veraltete Software als die größten Hindernisse der Digitalisierung (2021: 44 Prozent).

Digitalstrategie: Cybersecurity ganz oben auf der Liste

Intransparente Datenstrukturen und mangelnde Datenqualität sind nach wie vor die größte Hürde bei der Digitalisierung der Immobilienbranche – das hat sich sogar noch verschärft: 67 Prozent versus 65 im Jahr 2021 gaben dieses Problem an. Auch veraltete Software bleibt eine Herausforderung, ebenfalls mit steigender Tendenz (2022: 58 Prozent versus 2021: 44 Prozent). Das fehlende Angebot technologischer Lösungen wird aktuell (31 Prozent) wie im Vorjahr (27 Prozent) als das geringste Problem ausgemacht.

Mit der zunehmenden Gebäudeautomatisierung ist das Thema "Cybersecurity" besonders relevant geworden in der Immobilienbranche. Mehr als 85 Prozent der Unternehmen führen die Sicherheit als wesentlichen Teil der Digitalisierungsstrategie auf; der Großteil der Unternehmen hat ein entsprechendes Schadensbewusstsein (89 Prozent). Denn das automatisierte Gebäude bietet eine große Angriffsfläche und könnte im Bereich Data Security zum schwächsten Glied der Kette werden, heißt es in der Studie. Die Anzahl der Cyberangriffe steigt bei der Mehrzahl (57 Prozent) der Unternehmen, die sich größtenteils (82 Prozent) gewappnet sehen.

Das könnte ein Grund dafür sein, dass die Nutzerakzeptanz wie in den Vorjahresstudien eine der größten und wachsenden Herausforderungen für die Branche ist: Mehr als die Hälfte (51 Prozent) der befragten Unternehmen nannte eine fehlende Akzeptanz zur Datennutzung (2021: 49 Prozent). Erzeugen die Daten in den Händen anderer für das Unternehmen einen Mehrwert, sind die Immobilienprofis durchaus bereit, sie zu teilen (Beispiel Technologieanbieter: 79 Prozent), heißt es in der Studie.

Ohne Datenaustausch kein digitales Quartier

"Die Probleme unserer Zeit werden wir nicht lösen, indem sich jeder nur mit der eigenen Liegenschaft beschäftigt. Wir benötigen einen ganzheitlichen Denkansatz", wird in der Studie Dr. Alexander Hellmuth, Partner bei EY Real Estate, zitiert. Hier kommt das Fokusthema "Digitale Quartiere" ins Spiel.

Für einige der wesentlichen Probleme unserer Zeit wie Klimaschutz und die Mobilitätswende im städtischen Kontext wird das digitale Quartier als ein Lösungsansatz empfunden, da waren sich die Studienteilnehmer weitgehend einig mit einer Zustimmung von 92 Prozent. Auch zur Realisierung der "15-Minuten-Stadt" kann das digitale Quartier einen wertvollen Beitrag leisten (71 Prozent). Im Vordergrund stehen Querschnittsthemen wie Kommunikation (93 Prozent), Energieversorgung (92 Prozent) und Mobilitätsförderung (91 Prozent).

Mehr als 97 Prozent der Immobilienprofis sehen die Kernbestandteile des digitalen Quartiers in E-Mobilität, Smart Metering und dem digitalen Mieterportal. Ebenfalls hohe Zustimmung erfährt der Aspekt der befristeten Untervermietung, der Pop-up-Stores und der Coworking Spaces (74 Prozent).

Das "S" in ESG gewinnt an Bedeutung

Für Bewohner und Nutzer des digitalen Quartiers ergeben sich erhebliche Vorteile, meinen 96 Prozent der beteiligten Unternehmen. Die Befragten können sich im Rahmen des Betriebs eines digitalen Quartiers eine erfolgreiche Kooperation unterschiedlicher Immobilieneigentümer vorstellen (85 Prozent). Es herrscht allerdings eine große Diskrepanz zwischen möglichen Vorteilen für die Nutzenden (96 Prozent) einerseits und einer Integration in die strategische Planung von Unternehmen (64 Prozent) andererseits.

Themen wie Kommunikation und soziale Qualität haben inzwischen eine große Relevanz für Immobilien. Fast alle (95 Prozent) Studienteilnehmer messen der sozialen Komponente "S" von ESG (Environmental Social Governance – deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) im digitalen Quartier eine hohe Bedeutung zu. Etwa Studierende und Auszubildende profitieren besonders von digitalen Quartieren (92 Prozent). Auch für Menschen mit Beeinträchtigung bietet das digitale Quartier einen erheblichen Mehrwert (93 Prozent). Die Befragten vermuten allerdings für Senioren keinen vergleichbar hohen Vorteil (74 Prozent).

Die Hürden beim digitalen Quartier sind eng miteinander verknüpft: Durch eine erkennbar mangelnde Investitionsbereitschaft (80 Prozent) können lückenhafte IT-Infrastrukturen (79 Prozent) nicht bedeutend verbessert werden, lautet eine Kernaussage der aktuellen Digitalisierungsstudie. Ein generelles Desinteresse am digitalen Quartier und eine entsprechend geringe Nachfrage gibt es bei mehr als der Hälfte (56 Prozent) der Befragten. Die mangelnde Kooperationsbereitschaft wird von der Mehrzahl (73 Prozent) der Profis explizit als Herausforderung wahrgenommen.

Für die siebte Digitalisierungsstudie wurden im Frühjahr 2022 rund 250 Beschäftigte privatwirtschaftlicher und öffentlicher Unternehmen befragt. Davon hatten den höchsten Anteil Immobilieninvestoren und Bestandshalter mit 21 Prozent, gefolgt von Asset Managern auf Platz zwei (17 Prozent) sowie Maklern und Wohnungsbauunternehmen auf dem dritten Rang (jeweils elf Prozent).

EY-ZIA-Digitalisierungsstudie 2022


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Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Immobilienwirtschaft