Von der Kreidezeit ins 21. Jahrhundert
Vielerorts können Wohnungsunternehmen die Anfragen von Mietinteressierten kaum bewältigen, so groß ist die Nachfrage. Wird eine Wohnung frei, ist sie meist sofort wieder vermietet. Eventuell durchzuführende Leerstandssanierungen nach Mieterwechseln sollten daher zügig vonstattengehen. Für ein schlankes Vorgehen sind ganzheitlich digital vernetzte Prozesse vorteilhaft.
Doch nur wenige Immobilienunternehmen nutzen sie, trotz Digitalisierungsbemühungen. Zwar gab mehr als ein Drittel der für die Studie "Transform to succeed" von TH Aschaffenburg und dem Beratungsunternehmen Drees & Sommer befragten 155 Immobilienunternehmen an, Prozesse umfassend digitalisiert zu haben. Geht es um die Nutzung digitaler Ökosysteme, also digital miteinander verbundene Technologien, Plattformen und Dienste, die zusammenwirken, um Mehrwert zu schaffen, ist der digitale Reifegrad mit zweieinhalb von insgesamt fünf Punkten jedoch nicht weit fortgeschritten. Die Mehrheit werkelt demnach mit analogen und digitalisierten Abläufen.
Dieses Stückwerk ist riskant. Denn gerade bei komplexen Vorgängen wie Leerstandssanierungen, in die häufig eine Vielzahl von Beteiligten involviert sind, besteht die Gefahr, dass wichtige Informationen verlorengehen, weil es unübersichtliche Prozessschritte und diverse Ablageorte gibt. Das kostet Zeit, Geld und obendrein Nerven. Damit haderte auch die Zentral Boden Vermietung und Verwaltung GmbH (ZBVV), ein Tochterunternehmen der Zentral Boden Immobilien Gruppe (ZBI). Sie beendete im vergangenen Jahr das analoge Excel-basierte System und führte eine vollintegrierte Sanierungsplattform ein.
Der T-Rex hatte ausgedient
Rund 51.000 Wohnungen verwaltet die ZBVV deutschlandweit an 20 Standorten für verschiedene Fondsgesellschaften und Privateigentümer. Mit 400 Mitarbeitenden deckt sie alle Bereiche einer Hausverwaltung ab: vom kaufmännischen Property Management, Vermietung, Bau- und Technikabteilung, Customer Management, Mietenbuchhaltung bis zur Betriebskostenabrechnung. Eine leerstehende Wohnung nach dem Auszug eines Mieters zu sanieren, bevor ein neuer einzieht, gehört zum Tagesgeschäft.
Für die Abläufe nutzten die 70 Verantwortlichen aus den Bereichen Vermietung und Technik eine selbst entwickelte Excel-Tabelle, die mit der Zeit immer gigantischere Ausmaße annahm. Nicht umsonst trug sie den Spitznamen "T-Rex". Die Kommunikation lief intern und extern über E-Mail und Telefon ab. Einen zentralen Speicherplatz für die lückenlose Dokumentation aller Vorgänge gab es nicht.
"Insbesondere während Krankheits- und Urlaubsvertretungszeiten kam es häufig zu Doppelarbeiten“, erinnert sich Gunnar Dallwitz, Geschäftsführer für das technische Property Management bei der ZBVV. Manchmal fehlten zudem Informationen, so dass unklar war, wer was wo wann zu erledigen hatte und ob der Zeit- und Budgetplan stimmte. "Damit ließen sich Leerstandssanierungen zwar durchführen, effizient waren die Prozesse aber nicht", so Dallwitz.
Im Mittel vergingen 109 Tage, bis eine leerstehende Wohnung nach einer Sanierung wieder am Markt war. In Anbetracht der großen Wohnungsnachfrage sei das ein deutlich zu langer Zeitraum gewesen. Folglich hatte der "T-Rex" ausgedient. In der Tat sind verzögerte Wohnungsübergaben infolge geplanter Baumaßnahmen und Sanierungsarbeiten keine Seltenheit. Laut Zensus 2022 stand in Berlin, Bremen und Hamburg zum Stichtag am 15. Mai deswegen fast jede vierte Wohnung länger als drei Monate leer.
Pilotphase in NRW
Bei der Transformation hin zu ganzheitlich digitalisierten Prozessen für Leerstandsanierungen half der ZBVV das Unternehmen Doozer mit gleichnamiger Plattform.
Zu den Kunden des 2014 gegründeten PropTechs zählen Bestandshalter, Immobilienverwalter, Wohnungsunternehmen wie die LEG Immobilien SE und die Degewo AG, Assetmanagement-Gesellschaften sowie Kommunen und Genossenschaften. "Momentan werden Sanierungs- und Modernisierungsaufträge für mehrere hunderttausend Wohneinheiten über unsere Lösung abgewickelt", so Carsten Petzold, Geschäftsführer der Doozer Real Estate Systems GmbH.
Um die Plattform im Realbetrieb zu testen, führten die Projektpartner ZBVV und Doozer in einem Teilbestand der verwalteten Immobilien in Nordrhein-Westfalen (NRW), in dem häufig Leerstandssanierungen durchzuführen sind, eine Pilotphase durch. Im Vorfeld wurden dafür zunächst die Daten und das Aufmaß der Wohnungen in die Plattform transferiert, danach erfolgte die Anbindung der Handwerksfirmen – darunter befand sich unter anderem auch die Fischbach Gruppe, die mit der Nutzung der Plattform bereits vertraut war. Anschließend schulte das Doozer-Team die Mitarbeitenden.
Digitale Workflows, die begeistern
Das Fazit zur nutzerfreundliche Handhabung war durchweg positiv. Großen Anklang fand die mobile Auftragszusammenstellung, die dem Bestellvorgang eines Online-Shops ähnelt. Automatisierte Prozesse vergleichen die von den Handwerkern hinterlegten Angebotspreise und prüfen deren Rentabilität. Die Auftragsvergabe gestaltet sich durch die nach Einzelpositionen aufgeschlüsselten Angebotspreise transparent und effizient.
Intelligente Prüfmechanismen erleichtern die Arbeit, da die Rechnungsfreigabe nur bei vollständiger Dokumentation wie E-Check und Asbestprotokoll erfolgt. Für eine medienbruchfreie Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden und den Handwerkern steht eine zentralisierte, auftragsbezogene Chat-Funktion zur Verfügung. "Die digitalen Workflows fühlten sich wie der Sprung aus der Kreidezeit ins 21. Jahrhundert an", so Dallwitz.
Statt mühsam durch die riesige Excel-Tabelle zu scrollen, um die Kosten für eine Leerstandssanierung zu kalkulieren und das Ergebnis anschließend per E-Mail von einem Prozessbeteiligten zum nächsten zu schicken, lässt sich der gesamte Prozess mit wenigen Mausklicks über die Plattform abwickeln. Ein Blick auf das eigens auf der Grundlage der umfassenden Doozer-Daten von der ZBVV programmierte Dashboard genügt, um den Status eines Sanierungsprojektes zu sehen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Möglichkeit, eine vollständige Analyse in jeder Granularität durch eine Vielzahl von Selektionsparametern, vom Fonds über die Region bis zum einzelnen Standort, durchführen zu können. "Diese Transparenz gab es vorher nie."
Rentabilität jederzeit im Blick
Nach dem ebenfalls erfolgreichen Abschluss einer zweiten Pilotphase in Berlin, stand dem bundesweiten Roll-out nichts im Weg. Seit Juli 2024 ist Doozer flächendeckend im gesamten ZBI-Bestand im Einsatz. "Seitdem haben wir 1.366 leerstehende Wohnungen mit einem Gesamtvolumen von 19,7 Millionen Euro über die Plattform saniert", berichtet Dallwitz. Jetzt überblicken die Mitarbeitenden und Eigentümer die Kosten fortlaufend und können die Budgets für ihre Bestände valide planen.
Nach jeder Sanierung wird der Handwerker wie bei Amazon bewertet. Diese Qualitätsbewertung ist ein wichtiges Instrument für die Dienstleistersteuerung und -entwicklung. Zu jedem Auftrag berechnet Doozer die Rendite oder die Amortisation der Maßnahme auf Basis der Vorgaben der jeweiligen Eigentümer. Die vollintegrierte, digitale Prozesssteuerung steigert nicht nur die Effizienz um bis zu 65 Prozent und reduziert die Leerstandsdauer der Wohnungen um mehr als 60 Prozent. Sie entlastet auch die Mitarbeitenden.
"Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Sanierungen nun eigenständig beauftragen, was die Abläufe erheblich vereinfacht und beschleunigt", freut sich Dallwitz. Die Techniker wiederum hätten freie Kapazitäten, sich verstärkt auf komplexe Vorgänge zu konzentrieren. Das führe zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit und verbessere zugleich die Servicequalität für Mieter. "Außerdem stärkt die signifikant erhöhte Transparenz das Vertrauen in die Dienstleistungen der ZBVV", betont der Geschäftsführer.
38 Handwerksfirmen schloss die ZBVV bisher an die Sanierungsplattform an. Darunter befinden sich auch neue Betriebe, die zum Teil wegen der digitalisierten Prozesse hinzugewonnen werden konnten. Denn auch das Bauhandwerk erkennt zunehmend die Chancen der Digitalisierung. Einer Untersuchung des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand & Handwerk an der Universität Göttingen (ifh) zufolge, hängt der Digitalisierungsfortschritt hier – wie in der Immobilienwirtschaft – von der Unternehmensgröße, vom Gewerk und von der Region ab. Generell ist die (Teil-)Automatisierung administrativer Tätigkeiten, die Nutzung von Cloud-Softwarelösungen und die Zunahme digitaler Kommunikation aber in allen Betrieben auf dem Vormarsch.
Business Intelligence
Für den ZBVV-Geschäftsführer markiert die Einführung der Sanierungsplattform den Beginn einer umfassenden digitalen Transformation. "Wir sind im Begriff, die durch Doozer gewonnenen Daten in Power BI zu integrieren“, berichtet er. Power BI ist ein Business-Intelligence-Tool von Microsoft, das Unternehmen ermöglicht, Daten aus verschiedenen Quellen zu analysieren, um daraus wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen und diese in interaktiven Berichten und Dashboards darzustellen. Geht es nach Dallwitz, sollen in Zukunft auch Instandhaltungen und CapEx-Projekte, bei denen umfassend in Immobilien investiert wird, über die Sanierungsplattform abgewickelt werden.
Preiswürdig ist der erfolgreiche Wandel vom "T-Rex zum Doozer" schon jetzt. Auf der Real Estate Arena in Hannover wurden die Projektpartner als Gesamtsieger zu "Digitalpionieren der Wohnungswirtschaft 2025" gekürt. Darüber hinaus siegten sie in der Kategorie "Bauen & Sanieren". Der Award wurde von "DW Die Wohnungswirtschaft" und Partnern in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben.
Der Beitrag ist eine Vorabveröffentlichung aus der Ausgabe 09/2025 des Fachmagazins "DW Die Wohnungswirtschaft", die am 29.8.2025 erscheinen wird. Sichern Sie sich jetzt schon den Zugang über den Shop.
-
Aufwertung der Baualtersklasse: Reicht's für die Mieterhöhung?
198
-
Asbest im Boden entfernen: Kosten und Vorschriften
136
-
Ladeinfrastruktur im Mehrparteienhaus: Die Förderung
128
-
Solarstrom für Mieter: Leitfaden und Mustervertrag
1181
-
Parkettschäden, Schimmel & Co. – Obhutspflicht des Mieters
97
-
Blei im Trinkwasser: Regeln, Pflichten und Urteile
70
-
Mieter insolvent – Was bleibt dem Vermieter?
66
-
Zweckentfremdung: Neues Gesetz in Schleswig-Holstein
60
-
Mitarbeiterwohnungen: Steuervorteile und Förderung
57
-
Lohnt sich die Prüfung zum Zertifizierten Verwalter?
552
-
Glasfaserausbau in Mehrfamilienhäusern: Nicht mit der Brechstange
04.12.2025
-
Babyboomer vor der Rente: Wie das Wissen wahren?
04.12.2025
-
Neues Bauen
03.12.20251
-
E-Autos in Mehrfamilienhäusern sind der Schlüssel
02.12.2025
-
Neun Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau
01.12.20251
-
Mieterstrom ganzheitlich gestalten
01.12.2025
-
Platte mit Potenzial
28.11.2025
-
BGH zu Kundenanlagen: Was jetzt rechtlich gilt
27.11.2025
-
Maßnahmen gegen eine dysfunktionale Wohnungspolitik
26.11.2025
-
Neues Bauforschungszentrum: Pilotprojekte ab 2026
25.11.2025