EU-Parlament: Recht auf Wohnen einklagbar machen

Ein "Recht auf Wohnen" ist in der Europäischen Sozialcharta (ESC) geregelt. Das EU-Parlament fordert, dass angemessener und bezahlbarer Wohnraum als Menschenrecht europaweit gesetzlich anerkannt wird. Das beinhaltet auch mehr Mieterschutz. Özgür Öner aus dem GdW-Europabüro erklärt die Einzelheiten.

Am 21.1.2021 nahm das Europäische Parlament (EU-Parlament) den Initiativbericht "Zugang zu angemessenem und erschwinglichem Wohnraum für alle" der niederländischen Grünenabgeordneten Kim van Sparrentak mit großer Mehrheit (352 Stimmen, 179 Gegenstimmen und 152 Enthaltungen) an. In dem Entschluss wird gefordert, dass das Recht auf angemessenen Wohnraum durch geltende europäische und nationale Rechtsvorschriften als grundlegendes Menschenrecht anerkannt wird.

Diese Forderung richtet sich an die Europäische Kommission und an die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Sie sollen eine kohärente Antwort auf die anhaltende Wohnungskrise in Europa finden, die sich mit der Covid-19-Pandemie noch weiter verschärft hat. Einen legislativen Charakter haben Initiativberichte des EU-Parlaments nicht, aber sie stellen eine politische Positionsbestimmung der Europaabgeordneten dar.

"Angemessener und erschwinglicher Wohnraum für alle": Was heißt das?

So soll der Zugang zu sauberem und hochwertigem Trinkwasser, angemessener Sanitärversorgung und Hygiene sowie der Anschluss an Abwasser- und Wassernetze gewährleistet sein. Ein EU-weites Ziel zur Beendigung der Obdachlosigkeit soll bis 2030 gefordert und Wohnkosten per Gesetz bezahlbar gehalten werden.

In den vergangenen Jahren haben nationale wohnungswirtschaftliche Verbände, auch unter der Ägide des europäischen Dachverbands Housing Europe, immer wieder auf die Wohnungskrise in der EU aufmerksam gemacht. Der Entschluss des Parlaments zeigt, dass nun auch die politische Dimension des Wohnens an Bedeutung gewonnen hat. Es ist daher wichtig, auch im Hinblick auf die Folgen der anhaltenden Pandemie, sozialverträgliche Lösungen zu finden und sozialen und bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung zu gewährleisten.

Der Zugang zu angemessenem Wohnraum in der gesamten EU muss gefördert werden. Es gibt heute noch große Unterschiede zwischen den Wohnsituationen in den einzelnen Mitgliedstaaten – etwa, wenn man Deutschland oder Frankreich mit Ländern wie Rumänien und Bulgarien vergleicht. Insbesondere in diesen Ländern muss viel getan werden, um die Wohnsituation zu verbessern. Dazu gehört es ebenso, die bereits die Obdachlosigkeit zu bekämpfen wie Kurzzeitvermietungen zu Urlaubszwecken einzuschränken.

Deutschland: Kein Handlungsbedarf für mehr Regulierung 

Den Mieterschutz durch weitere Regulierungen zu verstärken, mag für manche EU-Länder Sinn machen, in Deutschland stellt sich die Lage aber deutlich besser dar, als in den meisten anderen Ländern der EU. Darum ist die Forderung, den Wohnraum in Europa durch weitere gesetzliche Eingriffe bezahlbar halten zu wollen, mit Blick auf den bereits sehr stark regulierten deutschen Wohnungsmarkt kontraproduktiv.

Das würde in Deutschland eher Schaden anrichten, als dass es zu mehr bezahlbarem Wohnraum führt. Schon jetzt wirkt die Vielzahl der über die vergangenen Jahre "angehäuften" Regulierungen beim Wohnen und Bauen in Deutschland als Neubau-Bremse und ist damit einer der Hauptgründe für den Wohnungsmangel in Großstädten. Die Forderung nach mehr Regulierung sollte sich daher nicht flächendeckend auf alle EU-Mitgliedstaaten beziehen, die teilweise bereits einen stark regulierten Wohnungsmarkt haben.

Der deutsche Wohnungsmarkt gehört laut Definition des EU-Parlaments zu den bezahlbaren Märkten in Europa. Die Wohnkosten liegen mit durchschnittlich rund 30 Prozent des Einkommens deutlich unter der vom EU-Parlament genannten Obergrenze von 40 Prozent. Es besteht hierzulande also kein Handlungsbedarf für mehr Regulierung, sondern für mehr bezahlbaren Wohnungsbau. Das Problem ist die Angebotsknappheit bei hoher Nachfrage in Ballungsgebieten.

EU-Renovierungswelle: Kommt die Kofinanzierung aus Europa?

Die deutsche Wohnungswirtschaft begrüßt die Forderung, Investitionshemmnisse im EU-Wettbewerbsrecht durch Streichung der engen Zielgruppe für den sozialen Wohnungsbau in den EU-Beihilfevorschriften zu beseitigen. In der Vergangenheit hat diese Einschränkung zu Problemen in mehreren Mitgliedstaaten geführt. In den Niederlanden führte die Einführung der engeren Definition des europäischen sozialen Wohnungsbaus dazu, dass geförderte Wohnungen abhängig vom Einkommenslimit einer Person vergeben werden, obwohl bis dahin eine Wohnraumversorgung für breite Schichten der Bevölkerung vorgesehen war.

Eine Streichung der engen Zielgruppendefinition erleichtert es den Mitgliedstaaten, ihre Kompetenzen für die Gestaltung der Wohnraumversorgung rechtssicher wahrzunehmen. Für Deutschland wäre dies ein klares Signal, dass durch geförderten Wohnungsbau eine ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltige Stadtentwicklung mit sozial durchmischten Quartieren für breite Schichten der Bevölkerung auch weiterhin möglich ist.

Generell ist zu begrüßen, dass eine EU-Kofinanzierung unter anderem für die sogenannte EU-Renovierungswelle ermöglicht werden soll, um den CO2-Ausstoß im Gebäudebereich zu senken. Allerdings muss Deutschland diese Zuschüsse auch mit Kraft einsetzen, so dass trotz der er-wünschten kostenintensiven Maßnahmen am Ende die Miete bezahlbar bleibt.

Entschließung EU-Parlament "Zugang zu angemessenem und erschwinglichem Wohnraum für alle"


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