"Gesucht werden Projekte für die Anforderungen der Zukunft"
Frau Prof. Endres, Sie sind erstmals Vorsitzende der Jury des DW-Zukunftspreises der Immobilienwirtschaft. Was macht den Preis besonders?
Prof. Elisabeth Endres: Zunächst einmal möchte ich mich herzlich für das Vertrauen bedanken, für diesen renommierten Preis den Juryvorsitz übernehmen zu dürfen. Ich freue mich sehr darüber. Der Preis ist für mich besonders, da nicht nur gute Absichten prämiert werden, sondern das gebaute Beispiel im Vordergrund steht. Wer als Gewinner hervorgeht, wird Mut bewiesen haben, über die originäre Aufgabe hinaus Engagement zu zeigen. Ich finde besonders schön, dass dies gewürdigt wird. Zudem finde ich den diesjährigen Titel sehr passend, es geht im Wohnungsbau grundsätzlich um mehr als Flächenkennwerte, immerhin geht es um das Zuhause von Menschen.
Ausgezeichnet werden jedes Jahr Wohnungs- und Immobilienunternehmen mit besonders zukunftsorientierten Ansätzen. Was bedeutet für Sie in diesem Kontext Innovation?
Für mich steht das Thema der Qualität im Vordergrund der Diskussion. Im Wohnungsbau geht es nicht nur um Kennwerte für Zimmergrößen oder theoretische Energieeffizienzen, es geht vielmehr um eine langlebige Architektur und die Gestaltung von Stadträumen, die stabile Nachbarschaften ermöglichen. Grundlage hierfür ist vor allem bezahlbarer Wohnungsbau. Dies betrifft Investitionen ebenso wie die Wartung und Instandhaltung der Gebäude. Deshalb stehen einfaches Bauen und Robustheit im Vordergrund der Betrachtungen der Jury, aber auch Innovation, bezogen auf mutige Entscheidungen, sich gegen geltende Standards zu setzen, um oben genannte Ziele zu erreichen.
Innovative Mehrwertangebote sind gefragt
Das Motto des DW-Zukunftspreises der Immobilienwirtschaft lautet "Wohnen+: Mehr als vier Wände". Gesucht werden innovative Services für modernes Mieten. Warum hat die Jury dieses Thema gewählt?
Der Titel verdeutlicht sehr gut, wie komplex die Diskussion um das Bauen ist. Gerade im Wohnungsbau spielen vielschichtige Aspekte eine Rolle, die zu einem guten Wohnerlebnis führen. Nicht die singuläre Fokussierung auf ein Thema, beispielsweise das Maximieren der Energieeffizienz oder die smarte Steuerung der Gebäudetechnik, steht im Fokus der Juryentscheidung. Uns geht es um das Zusammenspiel von Prozessen, um die Umsetzung von Zielen und die Verantwortung für die Aufgabe, ein Zuhause für Menschen zu gestalten.
Ob im Bereich Mobilität, Energieerzeugung oder Alltagshilfe: Innovative Mehrwertangebote gewinnen an Bedeutung. Warum ist das so wichtig?
Eine hohe Zufriedenheit der Bewohnenden entsteht durch das Gefühl, in der Nachbarschaft eingebunden zu sein, sich zuhause zu fühlen und Gemeinschaft leben zu können. Dies sind wesentliche Kriterien für ein gutes Miteinander. Ebenso sind eine an die jeweilige Lebenssituation oder die Bedürfnisse angepasste Versorgung und das Schaffen von angstfreien, qualitätvollen öffentlichen Räumen Aspekte hoher Lebensqualität. Städtebau und Architektur können hierfür einen Rahmen bieten. Dafür sind aber ganzheitliche Konzeptionen Voraussetzung.
Demografische und klimapolitische Entwicklungen bringen große Herausforderungen mit sich, die sich unmittelbar auf das Wohnen auswirken. Wie können Wohnungs- und Immobilienunternehmen darauf reagieren?
Gesellschaftlicher Wandel und ökologische Herausforderungen prägen die Aufgaben der Zukunft. Es wird darum gehen, die Bewohnenden aktiv in die Fragestellungen und Lösungen dieser Aufgaben einzubeziehen, um Konzepte zu schaffen, die Zustimmung finden. Verantwortung übernehmen viele erst dann, wenn sie sich betroffen und mit ihrer Umgebung verbunden fühlen. Akzeptanz spielt dabei eine Schlüsselrolle, gerade in der Diskussion um Einfachheit und Teilhabe.
Mutige Lösungen von Wohnungs- und Immobilienunternehmen
Welche Arten von Projekten werden im Rahmen des DW-Zukunftspreises 2026 konkret gesucht? Können Sie Beispiele nennen, wie mögliche Lösungen der Bewerber aussehen könnten?
Gesucht werden Projekte, die sich ganzheitlich den Anforderungen der Zukunft widmen. Im Mittelpunkt können dabei zum Beispiel stehen: lokale Lösungen für eine bezahlbare Energieversorgung, zur emissionsfreien Bewirtschaftung, benutzerfreundliche Mobilitätskonzepte sowie bedarfsgerechte Wohnangebote und Nutzungsformen. Darüber hinaus werden auch die Themen der Vereinfachung und Überwindung von Standards in der Diskussion einen großen Stellenwert erfahren.
Was muss ein Projekt mitbringen, um wirklich als zukunftsweisend gelten zu können?
Zukunftsfähiges Wohnen basiert auf qualitätvollen privaten und gemeinschaftlichen Räumen. Dies betrifft die eigene Wohnumgebung und den öffentlichen Raum. Ergänzend sind ressourceneffiziente Bauweisen und eine emissionsfreie Versorgung die Voraussetzung für eine nachhaltige Quartiersentwicklung. Gefragt sind in diesem Kontext mutige, innovative Lösungen von Wohnungs- und Immobilienunternehmen, die auch vor dem Hintergrund der aktuell enormen Kosten im Bauwesen bezahlbar bleiben.
Wenn Sie einen Blick nach vorne wagen: Welche Entwicklungen werden das Wohnen in den kommenden Jahren am stärksten verändern – und wo sehen Sie die größten Chancen für echten Mehrwert?
Unser Umgang mit dem Bestand und die Art und Weise, wie wir in Ballungsgebieten nachverdichten, wird die Zukunftsfähigkeit des Produkts Wohnen stark beeinflussen. Dabei wird die wesentliche Aufgabe sein, Bestände so zu ertüchtigen, dass sie auf sich ändernde Ansprüche an Wohnformen reagieren können, und bezahlbare neue Wohnräume anzubieten. Neben der Programmatik ist die Infrastruktur und der Ausbau erneuerbarer Energien auch in Kombination mit Mobilitätskonzepten wesentlich, um auf die Herausforderungen des Klimawandels Antworten liefern zu können, die nicht nur technisch, sondern auch sozial nachhaltige Lösungen mit sich bringen.
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Das Interview mit Prof. Elisabeth Endres ist eine Vorabveröffentlichung aus der Ausgabe 01/2026 der "DW Die Wohnungswirtschaft". Sichern Sie sich den vollen Zugang über den Shop.
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