Geplante TKG-Novelle in der Kritik

Glasfaserausbau in Mehrfamilienhäusern: Nicht mit der Brechstange


TKG-Novelle: Glasfaserausbau-Pflicht in Mehrfamilienhäusern

Die Bundesregierung drängt beim Glasfaserausbau auf Tempo. In Mehrfamilienhäusern soll der Anschluss quasi verpflichtend werden. Die Wohnungswirtschaft spricht sich klar gegen regulatorischen Zwang aus. Eine neue Studie zeigt, worauf es jetzt ankommt.

Die Mehrheit der Wohnungsunternehmen strebt bis 2035 einen umfassenden Ausbau von Glasfasernetzen (Fiber to the Home / FTTH) an. Doch Komplexität, Fachkräftemangel und unklare regulatorische Vorgaben bremsen den Fortschritt, insbesondere im Bestand.

Die Branche fordert klare, investitionsfreundliche Rahmenbedingungen und freiwillige Kooperationen mit Netzbetreibern. Zwangslösungen werden abgelehnt. Der zentrale Appell lautet: Fairer Wettbewerb durch offene Netze (Open Access), um Investitionen zu sichern und Monopole zu verhindern.

Das sind Kernergebnisse einer Studie der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) und der TKI mbh. Befragt wurden  unter anderem Wohnungsunternehmen aus ganz Deutschland mit insgesamt mehr als einer Million Wohnungen.

Glasfaserausbau: Schlüsselrolle der Wohnungswirtschaft

"Die organisierte Wohnungswirtschaft verwaltet mit rund 9,1 Millionen vermieteten Wohnungen den größten institutionellen Bestand Deutschlands und ist damit ein unverzichtbarer Akteur für Infrastrukturmaßnahmen", heißt es in einer Mitteilung der NHW. Bereits heute seien alle befragten Unternehmen mit dem Thema FTTH befasst – mehr als 64 Prozent befänden sich bereits in der Ausbauphase.

Aktuell klafft laut Studie noch eine Lücke zwischen Ausbauaktivität und tatsächlicher Anschlussquote ("Homes Connected") von etwa 27,3 Prozent, das liegt vor allem am Bestand. Als größte Hürden wurden von den Umfragteilnehmern fehlende Baukapazitäten und akuter Fachkräftemangel, unklare Gesetzeslagen, langwierige und komplexe Genehmigungsprozesse und die anspruchsvolle Inhouse-Verkabelung genannt.

Außerdem kann die Mehrheit der Unternehmen nur zwischen 250 Euro und 499 Euro Netto-Baukosten pro Wohneinheit (Netzebene 4) investieren, um wirtschaftlich tragfähig zu bleiben. Zwangslösungen werden als Bedrohung der Investitionssicherheit betrachtet. Im Wettbewerbsrecht fordert die Wohnungswirtschaft einen Paradigmenwechsel und Abschaffung der Konzernklausel.

Schlussfolgerungen der Studie im Überblick:

  • Wohnungswirtschaft forciert Glasfaser-Vollausbau: Die Mehrheit der Wohnungsunternehmen strebt eine flächendeckende, strukturierte FTTH-Erschließung bis 2035 an. Neubauten werden bereits konsequent mit Glasfaser ausgestattet, im Bestand wächst die Ausbaupipeline stetig.
  • Kooperation statt Zwang – Wohnungswirtschaft fordert partnerschaftliche Lösungen: Die Wohnungswirtschaft spricht sich klar gegen regulatorischen Zwang aus und setzt auf freiwillige Kooperationen mit Netzbetreibern, um Planungssicherheit und Akzeptanz zu gewährleisten.
  • Regulatorische Eingriffe hemmen Ausbau: Duldungspflichten, Mitnutzungsrechte und unklare TKG-Regelungen werden kritisch gesehen. Die Wohnungswirtschaft fordert klare Rahmenbedingungen und Schutz bestehender Ausbaukooperationen.
  • Wettbewerb auf dem Glasfasernetz statt Doppelausbau: Die Wohnungswirtschaft fordert einen Paradigmenwechsel: Statt kostspieligem Überbau und Doppelstrukturen soll der Wettbewerb auf Dienste- und Anbieterebene stattfinden. Offene Netze und Kooperationen sichern Investitionen und fördern faire Marktbedingungen.
  • FTTH-Ausbau als Projekt, nicht mit der Brechstange: Großflächiger Zwangsausbau wird abgelehnt. Stattdessen fordert die Wohnungswirtschaft Ausbauprojekte mit klaren Investitionsplänen, abgestimmten Ausschreibungen und Kooperationen aller Beteiligten.
  • Fachkräftemangel und lange Genehmigungsprozesse bremsen Ausbau: Komplexe Genehmigungsprozesse in der Netzebene 3 (NE 3), Engpässe bei Fachkräften und Komplexität des NE 4 (Netzebene 4)-Ausbaus verzögern Ausbauprojekte erheblich.
  • Standardisierung und klare Kommunikation gefordert: Die Wohnungswirtschaft plädiert für einheitliche technische Standards und eine transparente Kommunikation mit Mietern, Netzbetreibern und Behörden, um den Ausbau effizienter zu gestalten.
  • Marktbeherrschendes Unternehmen gefährdet Wettbewerb: Strategischer Überbau durch das marktbeherrschende Unternehmen und mangelnde Open-Access-Modelle gefährden faire Investitionsbedingungen.

Studie "Die Wohnungswirtschaft als Schlüsselakteur zur Beschleunigung des FTTH-Ausbaus" (PDF)

BMDS: Glasfaserausbau-Pflicht in Mehrfamilienhäusern

Das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) feilt noch an Anpassungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG), um den Glasfaserausbau in Deutschland zu forcieren.

Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) schlägt in einem umstrittenen Eckpunktepapier, das im Juli 2025 verööfentlich wurdem ein "Recht auf Vollausbau" von Glasfaserkabeln bis in jede Wohnung vor. Hier soll zwar die Zustimmung des Gebäudeeigentümers erforderlich sein, wenn der Endnutzer von einer Telekommunikationsfirma angeschlossen wird, mit denen kein Endnutzervertrag besteht – die Zustimmung kann der Eigentümer aber nur bei Vorliegen von Sachgründen verweigern.

Dass durch das "Recht zum Vollausbau" Grundrechte des Gebäudeeigentümers betroffen sein könnten, räumte der Minister ein. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit könnte laut Wildberger eine solche Regelung helfen: Der Gebäudeeigentümer soll innerhalb einer bestimmten Frist den Vollausbau durch ein Telekommunikationsunternehmen abwenden können, wenn er selbst oder eine andere Firma den Ausbau innerhalb einer weiteren Frist erledigt. "Sanktionen bei Nichterfüllung erscheinen sinnvoll", heißt es in dem Papier.

Zum Schutz von Investitionen prüft das BMDS nach außerdem ein befristetes "Zugangsverweigerungsrecht" zugunsten des Betreibers: Dann könnte die Ausbaufirma die Vermietung der Leitungen an Konkurrenten für ein bis zwei Jahre ablehnen. 

Bis zum 31.8.2025 wurden Stellungnahmen entgegen genommen. Auf dieser Basis solle ein Referentenentwurf erarbeitet werden, hieß es.

Eckpunkte für ein Gesetz zur Änderung des TKG und zur Verbesserung der telekommunikationsrechtlichen Rahmenbedingungen für den TK-Netzausbau

TKG-Novelle: Stellungnahme der Immobilienbranche

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW, der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) und die Eigentümervertretung Haus & Grund Deutschland halten die BMDS-Eckpunkte in der bisherigen Form nicht für zielführend: Investitionen würden erschwert und Kooperationen zwischen Telekommunikationsunternehmen und Wohnungswirtschaft gefährdet.

Konkret geht es bei der Kritik um die geplante Ausweitung der sogenannten Duldungspflicht, nach der Gebäudeeigentümer einem Vollausbau zustimmen müssten. Das könnte zu Unsicherheit, Rechtsstreitigkeiten und Verzögerungen führen und große Anbieter zu Lasten mittelständischer Wettbewerber einseitig stärken. Auch die vorgeschlagenen Änderungen zur Mitnutzung bestehender Netze und die Beibehaltung der ausschließlich Gebäudeeigentümer diskriminierenden Konzernklausel stünden einem fairen Wettbewerb sowie europarechtlichen Vorgaben im Weg.

Die Verbände forderten die Bundesregierung auf, die Pläne für die TKG-Novelle grundlegend nachzubessern und gemeinsam mit der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft praxisgerechte Lösungen zu erarbeiten.

Stellungnahmen zu den Eckpunkten für eine TKG-Novelle

Telekom und GdW: Fünf Millionen Glasfaser-Anschlüsse beauftragt

Der GdW und die Deutsche Telekom hatten im Februar 2025 ihre Zusammenarbeit beim Glasfaserausbau verstärkt. Auf erste Positionen hatten sich der Verband und der Konzern im Mai 2023 verständigt. Ziel der Vereinbarung war es, dass sieben Millionen Mieter schneller mit Glasfaserleitungen bis in die Mietwohnungen (FTTH) versorgt werden. Dazu bot die Telekom den GdW-Unternehmen den kompletten Ausbau und Betrieb von Glasfasernetzen kostenlos an.

In der erweiterten Rahmenvereinbarung inklusive Musterregelungen sind erstmals Kooperationen beim Bau von Glasfaser-Gebäudenetzen möglich, unabhängig davon, ob das jeweilige GdW-Wohnungsunternehmen selbst investiert oder die Telekom den kompletten Ausbau übernimmt – bis zum Jahr 2030 sollen alle Mieter schnelleres Internet erhalten. Aufgrund der Vereinbarung von 2023 wurden bereits mehr als fünf Millionen Wohnungsanschlüsse bei der Telekom beauftragt.

Mehr als 40 weitere Telekommunikationsanbieter – darunter viele regionale – nutzen nach Angaben der Telekom die Netze ebenfalls. Mit der neuen Vereinbarung werden die individuellen Glasfaserstrategien der Wohnungsunternehmen stärker eingebunden.


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