Wohnungsunternehmen: Neubau Hunderter Wohnungen gestrichen

Sozialorientierte Wohnungsunternehmen können die Investitionskosten für den Wohnungsneubau über die Mieten kaum noch refinanzieren. Im Gegensatz zu privaten Konzernen. Auf neue Projekte wird weitgehend verzichtet – wo es kein staatliches Fördergeld gibt.

Gemeinwohl und hohe Mieten vertragen sich nicht. Das stellt Wohnungsgenossenschaften und kommunale Vermieter bei Investitionen angesichts der hohen Baupreise und Zinsen vor Probleme. Sozialorientierte Unternehmen können die Kosten über die Mieten kaum noch refinanzieren.

Wohnungswirtschaft: Einbruch bei Investitionen in den Neubau

Der Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw) etwa rechnet für das Jahr 2024 mit einem Rückgang bei den Investitionen. Die Mitgliedsunternehmen hätten bereits signalisiert, auf die Hälfte der geplanten Neubauten zu verzichten, sagte Verbandsdirektor Frank Emrich. Das betreffe schätzungsweise 300 bis 400 Wohnungen. Bereits 2023 sei auf viele geplante Wohnungsprojekte verzichtet worden. Gebaut werde nur noch da, wo es öffentliche Förderung gebe, sonst müssten die Investitionen allein über die Mieten refinanziert werden.

Die durchschnittliche Nettokaltmiete in den Verbandswohnungen – also die Grundmiete ohne Betriebskosten – bewegte sich in Thüringen Ende 2022 bei einer Erstvermietung pro Quadratmeter zwischen 8,66 Euro im ländlichen Raum und 9,23 Euro in den Städten Erfurt, Weimar und Jena. Um die Investitionskosten zu decken, seien Mieten zwischen 16 und 18 Euro pro Quadratmeter nötig, so Emrich.

Der vtw erneuerte eine alte Forderung nach neuen Förderprogrammen und jährlichen Mitteln von rund 150 Millionen Euro für die Neubautätigkeiten der knapp 200 Verbandsunternehmen mit 264.000 Wohnungen im Bestand. Nahezu jeder zweite Mieter in Thüringen wohnt laut Verband in einem solchen Unternehmen.

Sachsen: Wohnungsunternehmen können 2024 kaum bauen

Bezahlbarer Wohnraum ist ohnehin knapp – doch auch in Sachsen haben viele kommunale Wohnungsunternehmen für 2024 und 2025 Projekte auf Eis gelegt – auch im sozialen Wohnungsbau. "Das ist dramatisch, weil das oft Projekte sind, die für das kleine Portemonnaie gedacht waren", sagte der Verbandsdirektor der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw), Alexander Müller. In einer Umfrage gaben seine Mitglieder an, rund 85 Prozent der für 2024 geplanten Neubauten in der aktuellen Lage nicht realisieren zu können. Auch für 2025 rechnet der Verband mit Rückgängen im Wohnungsbau.

Gerade im sozialen Wohnungsbau sei die Förderung unzureichend, kritisierte Müller. Als weitere Gründe für den Einbruch der Bauaktivitäten führte der Verbandschef die stark gestiegenen Zinsen, hohe Baukosten und Energiepreise sowie die Inflation an. 2023 sei ein "wohnungspolitisches Katastrophenjahr" gewesen, kritisierte Müller mit Blick auf die Politik der Ampel-Regierung.

Der Verband schloss nicht aus, dass vereinzelt Mieten im Bestand erhöht werden müssten. 2022 lag die Kaltmiete bei den kommunalen Wohnungsunternehmen im Schnitt bei 5,22 Euro pro Quadratmeter – rund drei Prozent höher als im Jahr zuvor. "Das liegt noch deutlich unter der Inflation", so Müller. Von der Politik forderte der Verband verlässliche Rahmenbedingungen und ausreichende Förderung für den Neubau. Würden die Unternehmen ohne Zuschüsse bauen, müsste die Mindestmiete pro Quadratmeter zwischen zwölf und 13 Euro liegen, um die Kosten zu decken, so Müller.

Im vdw Sachsen sind 127 vor allem kommunale Wohnungsunternehmen organisiert. Sie bewirtschaften insgesamt mehr als 303.000 Wohnungen, rund ein Fünftel der Mietwohnungen in dem Bundesland.

VdW Bayern: Baukosten in den Griff bekommen

In Bayern gingen zuletzt die Genehmigungen bei neuen Wohngebäuden um knapp ein Viertel (24,7 Prozent) zurück, Maßnahmen an bestehenden Gebäuden um 11,3 Prozent. Der drastische Rückgang bei den Baugenehmigungen entspricht für den Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern) den schlechten Rahmenbedingungen für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft.

"Wir müssen die Baukosten dringend in den Griff bekommen", forderte Verbandsdirektor Hans Maier. Die Baukosten seien inzwischen so hoch, dass Neubauprojekte oft nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar sind. Nach zehn starken Jahren mit immer neuen Rekordfertigstellungen beim Wohnungsbau hätten die sozialorientierten Verbandsmitglieder deshalb die Handbremse gezogen. Im Jahr 2024 werden die Unternehmen die Neubauinvestitionen um 40 Prozent reduzieren. "Dabei brauchen wir in Bayern dringend mehr Wohnungsbau", sagte Maier. Der Freistaat wächst nach Angaben der regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung bis 2042 weiter deutlich.

Im VdW Bayern sind 503 sozial orientierte Wohnungsunternehmen zusammengeschlossen – darunter 354 Genossenschaften und 108 kommunale Unternehmen. Die Mitglieder verwalten rund 546.000 Einheiten, in denen ein Fünftel aller bayerischen Mieter wohnen.

Private Player: Mieterhöhungen für den Wohnungsbau

Das Düsseldorfer Immobilienunternehmen LEG, zweitgrößter Vermieter in Deutschland, teilte Ende 2022 mit, auf die diversen Krisen mit einer "hohen Kostendisziplin" reagieren zu wollen: Projektentwicklungen würden gestoppt und Investitionen im Wohnungsbestand minimiert. Im Oktober 2023 erklärte Konzernchef Lars von Lackum im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX, die Mieten wegen der deutlich gestiegenen Baukosten sowie höheren Zinsen "so stark wie regulatorisch möglich" zu erhöhen. Auch Investitionen in Modernisierungsmaßnahmen wurden gedrosselt.

Branchenprimus Vonovia kündigte im Februar 2023 erstmals an, kein neues Wohnungsbauprojekt starten zu wollen – wegen der Zinsen und der hohen Inflation, hieß es. Im September konkretisierte Vorstandschef Rolf Buch die Prognose: "Bei uns liegen Planungen für insgesamt 60.000 Wohnungen in der Schublade", die nicht gebaut würden, bis es sich wieder rentiere. Bereits begonnene Neubauprojekte will der Wohnungskonzern fertigstellen: Im Jahr 2023 seien das mehr als 2.400 Wohneinheiten vor allem in Deutschland sowie in Österreich und Schweden gewesen. 2024 ist laut Vonovia eine ähnliche Zahl an Fertigstellungen geplant.

  

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dpa