Bilanzierung von Vorräten

Das Vorratsvermögen umfasst Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige und fertige Erzeugnisse sowie die geleisteten Anzahlungen. Rohstoffe sind der Hauptbestandteil des herzustellenden Erzeugnisses (z. B. Bleche bei Maschinenproduktion), die Hilfsstoffe sind Nebenprodukte im Rahmen des Produktionsprozesses (z. B. Schrauben, Nägel) und die Betriebsstoffe unterstützen nur den Produktionsprozess (Schmieröl oder Reinigungsmaterialien). Dieses Kapitel erläutert die Grundsätze der Bilanzierung des Vorratsvermögens.

Vorräte sind sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich einzeln zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten  anzusetzen. Dabei gilt für das gesamte Umlaufvermögen und somit auch für das Vorratsvermögen das strenge Niederstwertprinzip. Demnach sind Abschreibungen auch bei nicht dauerhafter Wertminderung zwingend vorzunehmen (§ 253 Abs. 4 HGB).

Bewertungsvereinfachungsverfahren

Bei den Vorräten kann es aufgrund häufiger Preisänderungen der bezogenen Produkte oder aufgrund der Ausgestaltung der Lagerungs- und Produktionsprozesse schwierig bis unmöglich sein, die Anschaffungskosten für jedes einzelne Wirtschaftsgut bzw. für jeden einzelnen Vermögensgegenstand zu ermitteln. Nach §§ 240 und 256 HGB lässt der Gesetzgeber aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sog. Bewertungsvereinfachungsverfahren zu. Dabei ist zwischen Gruppenbewertung, Festwert und Verbrauchsfolgeverfahren zu unterscheiden.

Praxis-Hinweis: Werbeprämien

Folgende aktuelle Fragestellung bei der Bilanzierung der Vorratsvermögen sind auch für das Tax Accounting von Bedeutung: Werbeprämien, die im Rahmen des Abschlusses von Mobilfunk-, Bankverträgen oder Zeitungsabonnements an den Kunden oder für die Gewinnung von Neukunden durch Weiterempfehlung ausgegeben werden, können u. U. handelsrechtlich aktiviert werden, während diese steuerrechtlich dann nicht zu aktivieren sind.

Gruppenbewertung und Festwertverfahren

Bei der Gruppenbewertung können gleichartige Vermögensgegenstände zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden. Dieses Verfahren kann auch steuerlich angewandt werden (vgl. R 6.8 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 EStR 2012).

Bei der Durchschnittsmethode ist nach § 240 Abs. 4 HGB i.V.m. § 256 Satz 2 HGB eine Durchschnittsbewertung anhand der tatsächlich angefallenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die Vorräte handelsrechtlich wie auch steuerrechtlich zulässig (R 6.8 Abs. 4 EStR 2012).

Nach § 240 Abs. 3 i.V.m. § 256 Satz 2 HGB können insbesondere für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe Festwerte gebildet werden, wenn der Gesamtwert dieser Vermögensgegenstände für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist und ihr diese in Größe, Wert und Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt. Diese Vorgehensweise ist auch steuerlich zulässig (vgl. R 6.8 EStR 2012).

Verbrauchsfolgeverfahren: Lifo- und Fifo-Methode

Bei den Verbrauchsfolgeverfahren sind das Lifo- und die Fifo-Methode zu nennen.

Bei der Fifo-Methode (First in, first out) wird unterstellt, dass die zuerst angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände als erstes verbraucht werden. Bei der Lifo-Methode (Last in, first out) werden die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände als erstes verbraucht angesehen. Beide Methoden sind handelsrechtlich zulässig. In der Steuerbilanz ist nur die Lifo-Methode zulässig (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a Satz 1 EStG). In Betriebsprüfungen der jüngsten Zeit ist die Frage der Zulässigkeit der Lifo-Methode – vor allem im Hinblick auf die verstärkte IT-gesteuerte Lagerbuchhaltung – vermehrt in den Fokus gerückt. Die Finanzverwaltung hat mit dem BMF-Schreiben (BMF, Schreiben v. 12.5.2015 (IV C 6 – S 2174/07/10001: 002) darauf reagiert und sich grundsätzlich zu der Zulässigkeit der Lifo-Methode geäußert.

Finanzverwaltung: Zulässigkeit der Lifo-Methode

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) stellt darin klar, dass bei Handelswaren mit IT-gesteuerter Lagerbuchhaltung die Anwendung der Lifo-Methode ausscheidet, wenn die Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts ohne weiteres individuell ermittelt werden können. Des Weiteren grenzt das BMF-Schreiben die Anwendung der Lifo-Methode bei ver- oder bearbeiteten Erzeugnissen zu Handelswaren ab und stellt klar, dass die Lifo-Methode auch bei einem IT-Warenwirtschaftssystem bei diesen – im Gegensatz zu Handelswaren – zulässig ist. Bei verderblichen Vorräten (Haltbarkeit < 1 Jahr) ist nach dem Schreiben die Lifo-Methode nicht zulässig. Bei dauerhaft haltbaren Vorräten (Haltbarkeit > 1 Jahr) ist die Lifo-Methode wiederum steuerlich zulässig.

Vorteile der Lifo-Methode

Sofern steuerrechtlich eine Anwendung der Lifo-Methode in Betracht gezogen werden kann, stellt sich die Frage, wo die Vorteile bei diesem Bilanzierungsverfahren liegen. Bei steigenden Beschaffungspreisen werden durch die Anwendung des Lifo-Verfahrens stille Reserven gebildet, da dadurch im Materialaufwand die teuersten Erzeugnisse verbucht werden und der Bilanzansatz der Vorräte die günstigsten Artikel enthält. Bei sinkenden Beschaffungspreisen stellt das strenge Niederstwertprinzip sicher, dass keine Überbewertung des Vorratsvermögens vorliegt. Daher kann die Anwendung des Lifo-Verfahren grundsätzlich, sofern das Ziel eines möglichst geringen Eigenkapitals bzw. eines möglichst geringen Ergebnisausweises verfolgt wird, hilfreich sein.

Schlagworte zum Thema:  Vorräte, Bilanzierung, Bewertung, Latente Steuern