Das Steuerrecht verbietet es ausdrücklich, künftige Preis- und Kostensteigerungen zu berücksichtigen. Bei der Bewertung von Rückstellungen sind allein die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend. Entsteht die Verpflichtung in Abhängigkeit vom laufenden Betrieb, müssen die zur Erfüllung erforderlichen Beträge zeitanteilig (linear) angesammelt werden. Das ist z.B. der Fall, wenn eine Verpflichtung, die den laufenden Betrieb betrifft, nach einer bestimmten Zeit zu erfüllen ist.
Praxis-Beispiel: Wert am Bilanzstichtag
Ein Unternehmer hat eine Lagerhalle auf einem fremden Grundstück errichtet. Er hat sich verpflichtet, das Grundstück nach 10 Jahren in seinem ursprünglichen Zustand zurückzugeben. Somit muss er die Halle zu diesem Zeitpunkt abreißen. Die Abbruch- und Entsorgungskosten betragen zum Bilanzstichtag 31.12. voraussichtlich 10.000 EUR (= steuerlicher Ausgangswert).
Handelsrechtlich ist vom Erfüllungsbetrag auszugehen, der in 10 Jahren zu zahlen ist. Der Unternehmer geht von einer jährlichen Preis- und Kostensteigerung von 2 % aus, sodass sich folgender Betrag ergibt:
Erfüllungsbetrag am 31.12. (Bilanzstichtag) | 10.000,00 EUR |
Erhöhung wegen Preis- und Kostensteigerung 2 % = 1,21899 (Berechnungsfaktor) = Erfüllungsbetrag am 31.12. (10.000 EUR × 1,21899=) | 12.189,90 EUR |
Konsequenz: Der nicht abgezinste Betrag zum 31.12. (Bilanzstichtag) ist daher mit 1/10 anzusetzen und zwar
für steuerliche Zwecke mit | 1.000 EUR |
handelsrechtlich mit | 1.219 EUR. |
Die Rückstellung wird dann Jahr für Jahr aufgestockt, sodass bis zum Termin, zu dem der Abriss vorgenommen werden muss, der volle Betrag (100 %) erreicht ist. Wegen der Laufzeit von mehr als einem Jahr ist eine Abzinsung vorzunehmen, die steuer- und handelsrechtlich unterschiedlich hoch ausfällt. Der Unternehmer ermittelt die Rückstellung an den einzelnen Bilanzstichtagen wie folgt:
Bilanzstichtag | 31.12. des ersten Jahres | 31.12. des Folgejahrs |
Rückstellungsbetrag (Nominalbetrag) | 1.000 EUR | 2.000 EUR |
Voraussichtlicher Zeitpunkt der Inanspruchnahme | 31.12.2023 | 31.12.2023 |
Laufzeit bis 31.12. nach 10 Jahren | 10 Jahre | 9 Jahre |
steuerlicher Abzinsungsfaktor | 0,585 | 0,618 |
abgezinster Wert | 585 EUR | 1.236 EUR |
Aufstockungsbetrag | – | 651 EUR |
Betrag, der als Rückstellung zu buchen ist | 585 EUR | 651 EUR |
Buchungsvorschlag:
Konto SKR 03 Soll | Konten- bezeichnung | Betrag | Konto SKR 03 Soll | Konten- bezeichnung | Betrag |
4280 | Sonstige Raumkosten | 585 | 0970 | Sonstige - Rückstellungen | 585 |
Konto SKR 04 Soll | Konten- bezeichnung | Betrag | Konto SKR 04 Haben | Konten- bezeichnung | Betrag |
6345 | Sonstige Raumkosten | 585 | 3070 | Sonstige - Rückstellungen | 585 |
Buchungsvorschlag: Aufstockungsbetrags zum 31.12. des Folgejahres
Konto SKR 03 Soll | Konten- bezeichnung | Betrag | Konto SKR 03 Haben | Konten- bezeichnung | Betrag |
4280 | Sonstige Raumkosten | 651 | 0970 | Sonstige - Rückstellungen | 651 |
Konto SKR 04 Soll | Konten- bezeichnung | Betrag | Konto SKR 04 Haben | Konten- bezeichnung | Betrag |
6345 | Sonstige Raumkosten | 651 | 3070 | Sonstige - Rückstellungen | 651 |
Berechnung der Abzinsung
Die Abzinsung erfolgt mit 5,5 % und wird mithilfe des § 12 Abs. 3 BewG ermittelt. Da es sich bei der Abzinsung um eine steuerliche Regelung handelt, die ohnehin vom Handelsrecht abweicht, ist es naheliegend (anstelle der ebenfalls möglichen finanzmathematischen Berechnung), sich für eine Abzinsung gemäß § 12 Abs. 3 BewG zu entscheiden.
Der Faktor für die Abzinsung ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 Abs. 3 BewG. Maßgebend ist die Tabelle für die Abzinsung einer unverzinslichen Forderung oder Schuld, die nach einer bestimmten Zeit in einem Betrag fällig ist. Dabei wird ein Zinssatz von 5,5 % zugrunde gelegt. Das ist auch der Zinssatz, der bei der Abzinsung von steuerlichen Rückstellungen zugrunde gelegt werden muss.
Rückstellungen, bei denen nicht damit zu rechnen ist, dass der Unternehmer innerhalb des Jahres, das dem Bilanzstichtag folgt, in Anspruch genommen wird, sind mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Das gilt auch für Rückstellungen, die in gleichen Raten anzusammeln sind. Konsequenz: Die Abzinsung reduziert die Höhe der Rückstellung.
Bei Rückstellungen kann der Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme ungewiss sein. Die Bewertung der Rückstellung erfolgt nach den Wertverhältnissen am Bilanzstichtag. Ungewiss ist in der Regel auch der Zeitpunkt der Inanspruchnahme. Nach dem BMF-Schreiben (BMF, Schreiben v. 26.5.2005, IV B 2 – S 2175 – 7/05) muss dieser Zeitpunkt geschätzt werden.
Rückstellungen, die nicht abgezinst werden müssen
Die Ausnahmen hinsichtlich der Abzinsung von Verbindlichkeiten gelten entsprechend auch für Rückstellungen. In diesem Zusammenhang sollte daher auf Folgendes geachtet werden:
- Soweit der Unternehmer von einer Dauer der Rückstellung von nicht mehr als 1 Jahr ausgeht, unterbleibt eine Abzinsung. Er sollte in seinen Unterlagen zum Jahresabschluss die Laufzeit von weniger als 12 Monaten dokumentieren.
- Bei der Höhe der Rückstellung ist immer auf die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag abzustellen. Das bedeutet, dass spätere Kostensteigerungen steuerlich nicht berücksichtigt werden.
- Die Höhe der Rückstellung kann i.d.R. nur geschätzt werden, sodass gewisse Unschärfen unvermeidbar sind.
- Die Rückstellung wird nicht abgezinst, wenn die Verbindlichkeit, die der Rückstellung zugrunde liegt, verzinslich ist. Eine verzinsliche Verbindlichkeit liegt vor, wenn ein Zinssatz von mehr als 0 % vereinbart wurde oder wirtschaftliche Nachteile in Kauf genommen werden, die einer Verzinsung gleichkommen.
Keine Abzinsung für Steuerrückstellungen
Ist nach der Darlehensvereinbarung nur in bestimmten Zeiträumen eine Verzinsung vorgesehen, liegt insgesamt eine verzinsliche Verbindlichkeit vor. Rückstellungen für Steuerschulden sind daher nicht abzuzinsen.
Steuerschulden sind nach § 233a AO zu verzinsen. Die Verzinsung setzt erst ein, wenn nach dem Jahr, in dem die Steuer entstanden ist, mehr als 15 Monate vergangen sind. Insoweit basiert die ungewisse Verbindlichkeit auf einer zeitweise verzinslichen Verpflichtung. Aus Vereinfachungsgründen gilt dies auch dann, wenn möglicherweise keine Zinsen festgesetzt werden, z.B. bei einer Steuerfestsetzung vor Beginn des Zinslaufs gem. § 233a Abs. 2 AO.