Nachhaltigkeitsclaims

Verschärfungen im Verbraucherrecht – Nachhaltigkeitsberichte durch die Hintertür?


Nachhaltigkeitsclaims

Für Unternehmen wird die zunehmende Regulierung der Kommunikation in Richtung Verbraucher zu einer immer größeren Herausforderung, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeits- und Umweltaussagen.

EmpCo-Richtline: Strengere Vorgaben zu Umweltclaims

Im Frühjahr 2024 wurde die Empowering Consumers-Richtlinie (EmpCo-Richtlinie) verabschiedet (Richtlinie (EU) 2024/825, EU-Abl. v. 6.3.2024). Diese ändert und ergänzt die bestehende „Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“ (2005/29/EG) und die „Verbraucherrechte-Richtlinie“ (2011/83/EU). Die Änderungen sehen strengere Vorgaben für die Darstellung verlässlicher, vergleichbarer, begründeter und nachprüfbarer Informationen zu den Umwelteigenschaften von Produkten und Unternehmen vor. So sind Textaussagen in Zukunft nur noch mit Begründung möglich, während bestimmte Klimaclaims gar nicht mehr zulässig sind. Die folgenden Geschäftspraktiken (welche die Änderungen in der Liste der unlauteren Geschäftspraktiken darstellen / Anhang I, RL (EU) 2024/825) werden generell verboten:

  • Allgemeine Umweltaussagen (z.B. „grün“, „öko“) als geschriebener oder gesprochener Text werden bis auf wenige Ausnahmen verboten. Nur mit einer klaren Spezifizierung und Begründung sind solche Umweltaussagen weiterhin zulässig.
  • Umweltaussagen über das gesamte Produkt, obwohl diese nur einen Teil betreffen.
  • Kennzeichnungen mit einem Nachhaltigkeitssiegel, das weder von staatlichen Stellen stammt, noch auf einem Dritt-Zertifizierungssystem beruhen. Zudem müssen Siegel allen Unternehmen zugänglich sein und ihre Bewertungsmaßstäbe veröffentlicht werden.
  • Produktbezogene Klimaaussagen, die auf dem Ausgleich von Treibhausgasemissionen beruhen, werden stark eingeschränkt. Dies bedeutet, dass Hersteller und Händler nicht mehr damit werben können, dass ein solches Produkt hinsichtlich seiner Treibhausgasemissionen neutrale, reduzierte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt hat, wenn dies auf Kompensationen außerhalb der Wertschöpfungskette beruht. Unternehmensbezogene Aussagen sind von der neuen Regel nicht erfasst.
  • Bewerbung von gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen als Besonderheit.
  • Bestimmte Aussagen zu Haltbarkeit und Reparierbarkeit als Kriterium für die Kaufentscheidung.

Folgende Tatbestände wurden mit RL (EU) 2024/825 in den Artikeln 6 (irreführende Handlungen) und 7 (irreführende Unterlassungen) der Richtlinie 2005/29/EG ergänzt:

  • Explizite Klarstellung, dass ökologische und soziale Merkmale sowie Zirkularitätsaspekte, wie etwa Haltbarkeit, Reparierbarkeit oder Recyclingfähigkeit, nicht irreführend dargestellt werden dürfen.
  • Behauptungen in Bezug auf eine künftige Umweltleistung (wie z.B. ein zukünftig klimaneutrales Unternehmen) müssen transparent und überprüfbar sein.
  • Bei vergleichenden Umweltaussagen müssen die Vergleiche objektiv sein und unter Anwendung einer einheitlichen Methode und einheitlicher Annahmen erfolgen.
  • Irrelevante Merkmale oder Merkmale, die nicht unmittelbar mit einem Merkmal des jeweiligen Produkts oder der jeweiligen Geschäftstätigkeit zusammenhängen, dürfen nicht beworben werden.

Mit diesen Änderungen werden den Verbrauchern, Verbraucherverbänden und Gerichten genauere Maßgaben an die Hand gegeben, um zu beurteilen, ob ein Fall unlauterer umweltbezogener Werbung gegeben ist.

Umsetzung in Deutschland und internationale Sicht

Die EmpCo-Richtlinie muss bis zum 27.3.2026 in Deutschland in dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) umgesetzt werden, wobei als Sanktionen insbesondere nach § 8 UWG Beseitigung und Unterlassung sowie nach § 10 UWG Gewinnabschöpfung in Frage kommen. Letzteres setzte die vorsätzliche oder grob fahrlässige Vornahme einer unzulässigen geschäftlichen Handlung voraus.

Frankreich hat bereits seit dem 1.1.2023 seine Regeln für Umweltwerbung und Green Claims verschärft ( Vgl. Art. L229-68 du code de l'environnement). In der Schweiz gelten seit dem 1.1.2025 über das ergänzte Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb falsche oder unbegründete Behauptungen über die Klimaauswirkungen von Produkten oder Dienstleistungen als unlauterer Wettbewerb. Unternehmen müssen alle Umweltaussagen mit objektiven und nachprüfbaren Daten untermauern

Europäische Kommission zieht Green Claims Directive zurück

Auf EU-Ebene sollte zusätzlich die „Green Claims Directive (GCD)“ beschlossen werden, mit der Unternehmen noch strikter davon abgehalten werden sollten, irreführende Behauptungen über die Umweltvorteile ihrer Produkte und Dienstleistungen aufzustellen. Konkret sollten Verifizierungsregeln speziell für Umweltaussagen festgelegt werden:

  • Umweltaussagen hätten auf Bewertungen basieren müssen, die Mindestkriterien erfüllen. Es wären spezifische Angaben, Daten, Nachweise und Feststellungen zu ihrer Begründung und Kommunikation erforderlich gewesen.
  • Zudem sollten ausdrückliche Umweltaussagen und Umweltzeichen vor der Veröffentlichung von einer unabhängigen und akkreditierten Prüfstelle überprüft werden.
  • Auch sollten einheitliche Mindestkriterien und Überprüfungsverfahren für neue, private Umweltzeichen gelten. Eine Selbstzertifizierung sollte ausgeschlossen werden.

In der Mittagspressekonferenz der Europäischen Kommission am 20.6.2025 wurde bekannt gegeben, dass die „Kommission beabsichtigt, den Green Claims-Vorschlag aufgrund der aktuellen Situation zurückzuziehen.“ Auslöser war offenbar ein Brief der EVP-Fraktion im Parlament und Widerstand von einigen Mitgliedstaaten, die für den 23.6.2025 geplanten letzten Trilogverhandlungen über die Richtline platzen zu lassen. Das Verhalten der Kommission scheint zwar kurzfristig nachvollziehbar, doch setzt sich das Regulierungschaos um die Nachhaltigkeit fort, da es nun neben vielen unveränderten Regulierungen, weitreichende Änderungen an bestehenden Regulierungen und nun auch komplett zurückgezogene Regulierungen gibt, was das Vertrauen kaum zu stärken vermag. Zudem entsteht der Eindruck von wenig abgestimmten Regulierungen. In diesem konkreten Fall scheinen die Gerichte ohnehin weiter zu sein und letztlich von Unternehmen Dinge zu fordern, die mit der zurückgezogenen Richtlinieninitiative eigentlich hätten normiert werden sollen.

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