Energiewirtschaftsgesetz: Drohende Rechnungslegungspflichten für Unternehmen mit Kundenanlagen
Viele deutsche Unternehmen packen die Transformation hin zu einer klimaneutralen bzw. klimaneutraleren Wirtschaft an und engagieren sich etwa mit lokalen Leitungssystemen zur Versorgung von Produktionsanlagen, sonstigen Einrichtungen und Gebäuden insbesondere mit Strom, aber auch mit Gas, teilweise auch verbunden mit lokalen Energieerzeugungsanlagen (z. B. Blockheizkraftwerke, PV-Anlagen). In der Regel haben Unternehmen diese Leitungssysteme bisher als Kundenanlagen i. S. des § 3 Nr. 24a oder Nr. 24b EnWG eingestuft. Anders als Verteilernetze unterliegen Kundenanlagen keiner Netzregulierung nach den Vorgaben des EnWG. Für die Betreiber von Verteilernetzen gelten hingegen Genehmigungserfordernisse und zahlreiche aufsichtsrechtliche Vorgaben einschließlich besonderer Regelungen für die Rechnungslegung und Prüfung. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Netzbetreiber Unternehmen derselben Unternehmensgruppe i. S. des § 3 Nr. 38 EnWG (bzw. § 3 Nr. 109 EnWG-E) infizieren kann, sodass diese mit dem Netzbetreiber verbundenen Unternehmen ebenfalls weitergehende Rechnungslegungs- und Prüfungspflichten zu erfüllen haben.
BGH stellt Abgrenzung zwischen Netzbetreibern und Betreibern von Kundenanlagen in Frage
Am 13.5.2025 hat der BGH (Beschluss v. 13.5.2025, EnVR 83/20) basierend auf einem Urteil des EuGH (Urteil v. 28.11.2024, C-293/23) nun allerdings die bisherige Abgrenzung von Netzbetreibern einerseits und Betreibern von Kundenanlagen andererseits in Frage gestellt. Daher ist es nach Auffassung des IDW nicht auszuschließen, dass tausende Unternehmen (z. B. Wohnungsunternehmen, Industrieunternehmen, Flughäfen, Krankenhäuser, Hochschulen, karitative Einrichtungen) künftig als Betreiber eines (geschlossenen) Verteilernetzes anzusehen sind, was direkte Folgen auf die Rechnungslegung und Prüfung der betroffenen Unternehmen hätte.
Energiewirtschaftsgesetz: Forderungen nach Anpassung des Entwurfes zur Entlastung bei der Abschlussprüfung
Von verschiedenen Seiten wurde daher darauf hingewirkt, dass der Gesetzgeber den bereits im Bundestag diskutierten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Energiebereich sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften so ändert, dass die erheblichen Rechtsunsicherheiten sowie die finanziellen und bürokratischen Mehrbelastungen für die Wirtschaft durch eine gesetzliche Lösung mit Augenmaß verhindert oder zumindest gemindert werden. Neben dem IDW weisen auch zahlreiche Wirtschaftsverbände und der Bundesrat (Stellungnahme vom 26.9.2025, BR-Drucks. 383/25 (Beschluss), S. 17 ff.) auf die drohenden negativen Folgen des BGH-Beschlusses auf dezentrale Energieversorgungskonzepte hin, die für eine erfolgreiche Dekarbonisierungsstrategie erforderlich sind. Bei enger Auslegung des BGH-Beschlusses hätten die betroffenen Unternehmen unmittelbar Maßnahmen zur Umsetzung der aufwendigen gesetzlichen Regelungen für Netzbetreiber einzuleiten. Als erstes wären bspw. aufgrund von § 6b EnWG Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse der betroffenen Unternehmen und deren Prüfung nicht abwendbar. Da sich diese Auswirkungen auch im Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers manifestieren, dürfte dies außenstehende Dritte einschließlich Investoren und Gläubiger verunsichern.
Sofern aufgrund europäischer Vorgaben keine gesetzgeberischen (Gegen-)Maßnahmen im Hinblick auf die Auswirkungen des BGH-Beschlusses insgesamt vorgenommen werden (können), könnten nach Vorschlag des IDW zumindest mit Blick auf die Rechnungslegung und Prüfung in Form des § 6b EnWG Regelungen noch im aktuellen Gesetzgebungsverfahren angepasst werden, um zumindest kleine Entlastungen zu erreichen. Konkret sollte die in § 6b Abs. 5 EnWG geforderte Berichterstattung im Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers in den Prüfungsbericht nach § 321 HGB verlagert werden. Damit würden die internen Aufsichtsgremien informiert, die externe Öffentlichkeit aber nicht durch Eintragungen im Bestätigungsvermerk irritiert werden. Zudem sollte nach Vorschlag des IDW neben einer möglichen verlängerten Übergangsfrist zur Anwendung eine deutliche Erleichterung für geschlossene Verteilernetzbetreiber i. S. des § 110 EnWG vorgesehen werden, wonach einem nach dem BGH-Beschluss nun unerwartet geschlossenen Verteilernetz- (statt Kundenanlagen-)betreiber und mit ihm i. S. d. § 3 Nr. 38 EnWG zu einer vertikal integrierten Gruppe verbundenen Unternehmen erlaubt wird, die Erleichterungen der §§ 264 Abs. 3 und 264b HGB anzuwenden. Dies ist bislang untersagt ist.
Energiewirtschaftsgesetz: Gesetzgeber geht auf Änderungswünsche nicht ein
Leider wurde dies vom Gesetzgeber nicht aufgenommen. Der Bundestag hat am 6.11.2025 in 2. und 3. Lesung die Vorschläge nicht angenommen und nicht für gesetzliche Klarheit der Auslegung gesorgt. Somit drohen auch hier bürokratische Belastungen, die das eigentliche Ziel der Regulierung, die Transformation hin zur Klimaneutralität voranzutreiben, in Frage stellen oder zumindest unnötig verkomplizieren könnten.
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