3.2.4.1 Allgemeines

 

Rz. 54

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Der Begriff der "unentgeltlichen Wertabgaben" ist zum 01.04.1999 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2001 in das Umsatzsteuerrecht eingeführt worden. Er umfasst im Wesentlichen die Tatbestände, die bis zum 31.03.1999 als Eigenverbrauch (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. a und b UStG a. F.), als sog. Gesellschafterverbrauch (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG a. F.) sowie als sog. Arbeitnehmerverbrauch (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b UStG a. F.) der USt unterlagen.

 

TIPP

Ausführungen und insbesondere Urteile zur damaligen Rechtslage können i. d. R. auf die neuen Vorschriften entsprechend angewandt werden – mit zwei wichtigen Ausnahmen:

  • Der Leistungsort bestimmt sich nicht mehr in analoger Anwendung der für entgeltliche Wertabgaben (Lieferungen und sonstige Leistungen) geltenden Vorschriften (vgl. BFH, BStBl II 1989, 163), sondern ist nach § 3f UStG immer an dem Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt.
  • Die Steuerbefreiung entgeltlicher Umsätze führt nicht zwangsläufig zur Befreiung entsprechender unentgeltlicher Wertabgaben (EuGH vom 08.05.2003, Rs. C-269/00, Wolfgang Seeling, BStBl II 2004, 378, dazu vgl. § 4 Rn. 13 f.).
 

Rz. 55

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Systematisch sind die unentgeltlichen Wertabgaben

  • soweit sie in der Abgabe von Gegenständen bestehen, nach § 3 Abs. 1b UStG den entgeltlichen Lieferungen,
  • soweit sie in der Abgabe oder Ausführung von sonstigen Leistungen bestehen, nach § 3 Abs. 9a UStG den entgeltlichen sonstigen Leistungen (vgl. Rn. 166 ff.)

gleichgestellt.

 

Rz. 56

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Die Gegenstandsentnahme ist eine den Lieferungen gleichgestellte unentgeltliche Wertabgabe. Der Tatbestand ist in der Regel erfüllt, wenn ein Unternehmer einen Gegenstand, den er seinem Unternehmen zugeordnet hatte, aus dem Unternehmen entfernt und ihn zu nicht unternehmerischen Zwecken weiternutzt. Damit soll die Besteuerung des Letztverbrauchs sichergestellt werden.

 
Praxis-Beispiel

Ein Unternehmer entschließt sich, ein Notebook, das seit drei Jahren zum Unternehmensvermögen gehört, zukünftig ausschließlich privat zu nutzen. Als Ersatz für den Betrieb erwirbt er ein neues Modell.

 

Rz. 57

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Ausführlich hierzu vgl. Abschn. 3.2 und 3.3 UStAE.

3.2.4.2 Steuerfalle: Umsatzsteuer auch auf unternehmerisch veranlasste Wertabgaben

 

Rz. 58

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Ausführungen und insbesondere Urteile zum "alten" Eigenverbrauch lassen sich grundsätzlich auf die neuen Vorschriften analog anwenden. Eine wichtige Ausnahme, für die dieser Grundsatz nicht gilt, ergibt sich aus § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG. Die Vorschrift stellt einer Lieferung gegen Entgelt unter den weiteren Voraussetzungen (Berechtigung zum Vorsteuerabzug, kein Geschenk von geringem Wert, kein Warenmuster) auch alle unentgeltlichen Zuwendungen gleich, die nicht aus außerunternehmerischen Motiven (Nr. 1) oder zu Privatzwecken des Personals (Nr. 2) erfolgen. Damit erfasst die Vorschrift auch unternehmerisch bedingte unentgeltliche Wertabgaben!

 

Rz. 59

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Nach der amtlichen Gesetzesbegründung sollte die Neuregelung lediglich einen umsatzsteuerlich unbelasteten Letztverbrauch vermeiden (BT-Drucks. 14/23 = BR-Drucks. 9190/98). Die Finanzverwaltung ist dennoch der Auffassung, dass die Steuerbarkeit nicht entfällt, wenn der zuwendende Unternehmer die Gegenstände aus unternehmerischen Gründen abgibt. Hierzu gehört die Abgabe von neuen oder gebrauchten Gegenständen insbesondere zu Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege, z. B. Sachspenden an Vereine oder Schulen, Warenabgaben anlässlich von Preisausschreiben, Verlosungen usw. zu Werbezwecken (Abschn. 3.3 Abs. 10 S. 8 UStAE). Weite Teile der Literatur (vgl. insbesondere Nieskens in R/D, § 3 Anm. 1260 f.) sehen hierin – m. E. zu Recht – einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, weil der Unternehmer letztlich mit der Umsatzsteuer aus Gemeinkosten des Unternehmens belastet wird.

 

Rz. 60

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Aktuelle Bedeutung hat die Problematik für deutsche Unternehmer immer wieder dann, wenn diese aus unternehmerischen Motiven Geschäftspartner in den Krisengebieten (zuletzt Hochwasser Deutschland 2013) unterstützen wollten (vgl. Weimann, UidP, 16. Aufl. 2016, Kap. 18.2).

 
Praxis-Beispiel

Wendet der Unternehmer seinen hochwassergeschädigten Geschäftspartnern zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen unentgeltlich Leistungen aus seinem Betriebsvermögen zu, sind die Aufwendungen in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehbar. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG ist insoweit aus Billigkeitsgründen nicht anzuwenden (BMF vom 21.06.2013, BStBl I 2013, 769, Abschn. I Ziffer 2).

 

Rz. 61

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Umsatzsteuerlich sind abweichend von der bisherigen Rechtslage unentgeltliche Zuwendungen auch dann nach § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG steuerbar, wenn der Unternehmer sie aus unternehmerischen Erwägungen tätigt.

 

TIPP

Steuerberater müssen ihre Mandanten darauf hinzuweisen, dass sie im Falle der Sachspende neben der "reinen" Sa...

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