Gesetzestext

 

(1) Das Insolvenzgericht hat einen vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Abs. 2 Nummer 1a einzusetzen, wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale erfüllt hat:

1. mindestens 6.000.000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs;
2. mindestens 12.000.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;
3. im Jahresdurchschnitt mindestens fünfzig Arbeitnehmer.

(2) Das Gericht soll auf Antrag des Schuldners, des vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines Gläubigers einen vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Abs. 2 Nummer 1 a einsetzen, wenn Personen benannt werden, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen und dem Antrag Einverständniserklärungen der benannten Personen beigefügt werden.

(3) Ein vorläufiger Gläubigerausschuss ist nicht einzusetzen, wenn der Geschäftsbetrieb des Schuldners eingestellt ist, die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses im Hinblick auf die zu erwartende Insolvenzmasse unverhältnismäßig ist oder die mit der Einsetzung verbundene Verzögerung zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt.

(4) Auf Aufforderung des Gerichts hat der Schuldner oder der vorläufige Insolvenzverwalter Personen zu benennen, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Diese Bestimmung wurde eingefügt durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 07.12.2011 (ESUG).[1] Das Gesetz und damit die vorliegende Vorschrift sind am 01.03.2012 in Kraft getreten und nach Art. 103g EGInsO auf alle Insolvenzverfahren anwendbar, in denen der Eröffnungsantrag am 01.03.2012 oder später gestellt wurde. Auf laufende Verfahren, deren Eröffnung vor dem 01.03.2012 beantragt wurde, sind die bisher geltenden Vorschriften anzuwenden. Dies gilt bis zum Verfahrensabschluss, unabhängig von dessen Fortdauer nach Inkrafttreten der Neuregelung.

Durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 17.07.2015[2] sind für alle nach dem 31.12.2015 eröffneten Verfahren (Art. 103i EGInsO) die Größenmerkmale des Abs. 1 angehoben worden.

 

Rn 2

Zentrales Anliegen der Einführung eines vorläufigen Gläubigerausschusses war die Stärkung der Gläubigerbeteiligung im Verfahren, um die deutsche Insolvenzordnung insbesondere im internationalen Wettbewerb der Rechtsordnungen besser zu positionieren. Die Gläubiger sollten frühzeitig maßgeblichen Einfluss auf die Verfahrensgestaltung, insbesondere auf die Auswahl und Bestellung des verantwortlichen Insolvenzverwalters bzw. Sachwalters im Eigenverwaltungsverfahren erhalten.[3] Der Gesetzgeber erhofft sich dadurch die Bedingungen für eine Sanierung des Schuldnerunternehmens und den Erhalt der damit verbundenen Arbeitsplätze zu verbessern.[4]

 

Rn 3

Vor dem ESUG kam es lediglich vereinzelt zur Bestellung eines sogenannten vor-vorläufigen Gläubigerausschusses, der auf die Generalklausel des § 21 Abs. 1 gestützt wurde.[5] Da bislang der vom Gericht nach Verfahrenseröffnung gemäß § 67 Abs. 1 eingesetzte Gläubigerausschuss gemeinhin als vorläufiger Gläubigerausschuss bezeichnet wurde,[6] hat die Reform zu einer terminologischen Verwirrung geführt. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Terminologie sollte zukünftig der Gläubigerausschuss des § 67 Abs. 1 als Interims-Gläubigerausschuss bezeichnet werden.

[1] BGBl. 2011 I, S. 2582.
[2] BGBl. 2015 I, S. 1245.
[3] Vgl. RegE-ESUG, BT-Drs. 17/5712, S. 17 linke Spalte.
[4] Vgl. RegE-ESUG, BT-Drs. 17/5712, S. 24 rechte Spalte oben.
[5] So bspw.: AG Köln NZI 2000, 443; AG Duisburg ZInsO 2003, 940.
[6] Vgl. die Kommentierung zu § 67 Rdn. 2; Uhlenbruck-Uhlenbruck, 13. Aufl., § 67 Rn. 7; MünchKomm-Schmid-Burgk, § 67 Rn. 8.

2. Systematik

 

Rn 4

Die wesentlichen Regelungen zur Ausgestaltung und Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses finden sich in § 22 a und § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a. Beide Vorschriften nehmen aufeinander Bezug und werden im Folgenden zusammen kommentiert. Ohnehin handelt es sich bei dem vorläufigen Gläubigerausschuss nicht um eine Sicherungsmaßnahme, so dass die Regelung einen Fremdkörper in § 21 darstellt. Im Übrigen gelten für den vorläufigen Gläubigerausschuss hinsichtlich seiner Aufgaben, der Haftung seiner Mitglieder, der Möglichkeit der Entlassung eines Gläubigerausschussmitgliedes sowie Beschlussfassung und Vergütung die allgemeinen Vorschriften für den Gläubigerausschuss im eröffneten Insolvenzverfahren, da sich die Verweisung in § 21 Abs. 2 Nr. 1a auf die §§ 69 bis 73 vollumfänglich erstreckt. Weitere Regelungen finden sich über die InsO verstreut (Einzelheiten unten: Rdn. 46 ff.).

 

Rn 5

Durch die Bezugnahme des § 22 a Abs. 1 auf den "vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a" ergibt sich die Beschränkung des Anwendungsbereichs des vorläufigen Gläubigerausschusses auf das Eröffnungsverfahren.[7] Als weitere Folge der gesetzlichen Systematik unterliegen auch die Ausschussv...

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