Rn 4

Die wesentlichen Regelungen zur Ausgestaltung und Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses finden sich in § 22 a und § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a. Beide Vorschriften nehmen aufeinander Bezug und werden im Folgenden zusammen kommentiert. Ohnehin handelt es sich bei dem vorläufigen Gläubigerausschuss nicht um eine Sicherungsmaßnahme, so dass die Regelung einen Fremdkörper in § 21 darstellt. Im Übrigen gelten für den vorläufigen Gläubigerausschuss hinsichtlich seiner Aufgaben, der Haftung seiner Mitglieder, der Möglichkeit der Entlassung eines Gläubigerausschussmitgliedes sowie Beschlussfassung und Vergütung die allgemeinen Vorschriften für den Gläubigerausschuss im eröffneten Insolvenzverfahren, da sich die Verweisung in § 21 Abs. 2 Nr. 1a auf die §§ 69 bis 73 vollumfänglich erstreckt. Weitere Regelungen finden sich über die InsO verstreut (Einzelheiten unten: Rdn. 46 ff.).

 

Rn 5

Durch die Bezugnahme des § 22 a Abs. 1 auf den "vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a" ergibt sich die Beschränkung des Anwendungsbereichs des vorläufigen Gläubigerausschusses auf das Eröffnungsverfahren.[7] Als weitere Folge der gesetzlichen Systematik unterliegen auch die Ausschussvarianten des § 22 a den allgemeinen Anforderungen des § 21, weshalb eine Einsetzung grundsätzlich einen zulässigen Insolvenzantrag voraussetzt.[8] Jedenfalls wenn die Gründe der Unzulässigkeit des Antrages in der Sphäre des antragstellenden Schuldners wurzeln, weil beispielsweise die formellen Anforderungen an das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis des § 13 nicht eingehalten worden sind, kommt die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses mithin nicht in Betracht.[9] Für einen reibungslosen Ablauf des Eröffnungsverfahrens bei einem Eigenantrag ist mithin bereits auf dieser Stufe die sorgfältige Antragsabfassung von entscheidender Bedeutung.

Aufgrund der wenig praxisgerechten Ausgestaltung der Voraussetzungen für einen zulässigen Insolvenzantrag in § 13 Abs. 1 kann der Eingang eines Antrags auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses einen bislang zulässigen Eigenantrag nachträglich unzulässig werden lassen.[10] Denn § 13 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 fordert zusätzliche verpflichtende Angaben im Insolvenzantrag (das sog. qualifizierte Gläubiger- und Forderungsverzeichnis), wenn ein Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses gestellt wird. Dem antragstellenden Schuldner ist vor diesem Hintergrund zu empfehlen, proaktiv bereits die möglicherweise verpflichtenden Angaben im Insolvenzantrag zu machen, wenn ein Antrag auf Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses nicht völlig ausgeschlossen erscheint.

 

Rn 6

Die systematische Verklammerung des § 22 a Abs. 1 mit § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a führt weiterhin dazu, dass im sog. Schutzschirmverfahren des § 270 b unabhängig von dem Erreichen der Schwellenwerte des § 22 a Abs. 1 keine Verpflichtung des Gerichts zur Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses besteht. Denn § 270 b Abs. 2 Satz 3 eröffnet dem Gericht im Hinblick auf die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ein Ermessen ("kann … anordnen").

 

Rn 7

Der Gläubigerausschuss ist im eröffneten Verfahren der Gläubigerversammlung untergeordnet und wird mit Recht als deren "Exekutivabteilung" bezeichnet.[11] Zum Verständnis der Rolle des vorläufigen Gläubigerausschusses muss man sich daher vergegenwärtigen, dass es im Eröffnungsverfahren keine Gläubigerversammlung gibt. Dementsprechend übernimmt das Insolvenzgericht einen Teil der Kontrollrechte der Gläubigerversammlung. Der vorläufige Gläubigerausschuss verfügt daher konstruktionsbedingt über eine eingeschränkte Autonomie, die hinter derjenigen des Gläubigerausschusses im eröffneten Verfahren zurückbleiben muss. Dies ist bei der Auslegung und Anwendung der in Bezug genommenen Normen stets zu beachten. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat im Gesetzgebungsprozess richtigerweise darauf hingewiesen, dass der vorläufige Gläubigerausschuss "naturgemäß nur ein unvollkommenes Abbild der Gesamtgläubigerschaft darstellen kann" und ihm mithin "im Vergleich zur Gläubigerversammlung nur eine eingeschränkte Legitimation zukommt".[12] Ein Vergleich der Rolle des vorläufigen Gläubigerausschusses mit einem Aufsichtsrat bringt vor diesem Hintergrund keinen Verständnisgewinn und führt allenfalls zu Missverständnissen.[13] Stattdessen sollte der vorläufige Gläubigerausschuss als genuin insolvenzrechtliches Instrument der Gläubigerbeteiligung verstanden werden.

[7] HambKomm-Frind, § 22 a Rn. 2.
[10] Frind, ZInsO 2011, 2249 (2254); Obermüller, ZInsO 2012, 18 (21); a. A. FK-Schmerbach, § 22 a Rn. 26 m. w. N.
[11] MünchKomm-Ehricke, § 74 Rn. 17.
[12] BT-Drs. 17/7511, S. 35 – linke Spalte. Vgl. OLG Dresden ZInsO 2015, 2273 (2276) – "Organ, das ohne Legitimation durch die Gläubigergemeinschaft agiert".
[13] A. A. Cranshaw, ZInsO 2012, 1151; MünchKomm-Haarmeyer, § 22 a Rn. 124.

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