Rn 2

Nach dieser Vorschrift kann das Insolvenzgericht im eröffneten Insolvenzverfahren vor der ersten Gläubigerversammlung einen Gläubigerausschuss einsetzen; zur Einsetzung bereits im Eröffnungsverfahren vgl. §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 22a. Durch diese Kannbestimmung wird zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung über das Ob eines Ausschusses ausschließlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt. Damit ist die InsO wieder zur früheren Rechtslage nach § 87 Abs. 1 KO zurückgekehrt.[4] Nach dem Willen des Gesetzgebers soll also die Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse des Schuldners, die Zahl der Gläubiger oder die geringe Höhe der Verbindlichkeiten nicht mehr automatisch bewirken, von einem vorläufigen Gläubigerausschuss abzusehen.[5] Das Gericht darf sich also nicht an schematischen Verfahrenskriterien orientieren, sondern muss unter Berücksichtigung der besonderen Eigenarten des Verfahrens im Einzelfall abwägen, ob die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses für das Verfahren förderlich und von Nutzen sein könnte. Dabei können die zuvor genannten Kriterien selbstverständlich als Anhaltspunkte dienen, daneben werden aber regelmäßig vor allem Art und Umfang des (noch laufenden) Geschäftsbetriebs des Schuldners, die Branchenzugehörigkeit, die organisatorische Struktur, die Anzahl der Arbeitnehmer, die Zusammensetzung der Gläubiger und andere betriebsspezifische individuelle Merkmale zu berücksichtigen sein; vgl. hierzu auch die Kriterien des § 22a Abs. 1 für das Eröffnungsverfahren. Das Gericht wird seine Entscheidung nicht zuletzt unter Kostengesichtspunkten vor allen Dingen an dem Nutzeffekt eines Gläubigerausschusses für das konkrete Verfahren zu orientieren haben[6]. Obwohl im Gesetzgebungsverfahren die ursprüngliche Sollvorschrift wieder in eine Kannvorschrift umgewandelt wurde, tritt dennoch die gesetzgeberische Intention deutlich zutage, eine gegenüber der bisherigen Praxis häufigere Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zu fördern. Schon die Pflicht des Insolvenzverwalters zur Unternehmensfortführung zumindest bis zum ersten Berichtstermin kann zumindest bei mittleren und größeren Unternehmen Anlass zur unmittelbaren Einsetzung eines kompetenten vorläufigen Gläubigerausschusses durch das Gericht bei Verfahrenseröffnung sein, insbesondere wenn bereits im Eröffnungsverfahren ein (vor-)vorläufiger Gläubigerausschuss nach § 21 Abs. 2 Nr. 1a eingesetzt worden war. Dadurch kann auch bei einer eventuell notwendigen vorzeitigen Stilllegung des Schuldnerunternehmens die Mitwirkung der Gläubiger an dieser Entscheidung zur Wahrung ihrer Interessen gewährleistet werden. Dies gilt erst recht, wenn eine Unternehmensveräußerung noch vor dem ersten Berichtstermin notwendig ist, um insoweit die notwendige Gläubigerbeteiligung sicherzustellen. Sind dagegen im eröffneten Verfahren nur Abwicklungsmaßnahmen vorzunehmen, dürfte zumindest die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses durch das Gericht entbehrlich sein, da die Gläubiger im Berichtstermin, also regelmäßig vor Beginn der Verwertung nach § 159, die Möglichkeit haben, selbst über die Einsetzung eines Gläubigerausschusses zu entscheiden[7].

 

Rn 3

Das vorgenannte gerichtliche Ermessen bei der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses besteht nun auch im Genossenschaftskonkurs. § 103 GenG, der früher eine Pflicht des Gerichts zur Einsetzung eines Gläubigerausschusses normierte, wurde durch Art. 49 Nr. 20 EGInsO mit Inkrafttreten der InsO ersatzlos aufgehoben, da nach Auffassung des Gesetzgebers bei der Genossenschaft keine Besonderheiten erkennbar sind, die eine Abweichung von den allgemeinen Regelungen der §§ 67, 68 rechtfertigen würden.[8]

 

Rn 4

Aufgrund der systematischen Stellung der Vorschrift wird das Gericht regelmäßig bei oder unmittelbar nach Verfahrenseröffnung über die Einsetzung eines vorläufigen Ausschusses entscheiden. Dies wird allerdings nach Inkrafttreten des ESUG seltener der Fall sein, da in entsprechend geeigneten Verfahren wohl regelmäßig bereits zuvor im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Gläubigerausschuss nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 22a eingesetzt werden wird. In diesen Fällen dürfte das Ermessen des Gerichts zur Beibehaltung des Ausschusses bei Verfahrenseröffnung eingeschränkt sein, vor allem wenn es sich um einen obligatorischen vorläufigen Ausschuss nach § 22a Abs. 1 oder einen solchen auf Gläubigerinitiative nach § 22a Abs. 2 handelt[9]. In diesen Fällen hat das Gericht den vorläufigen Gläubigerausschuss im Eröffnungsbeschluss zu bestätigen, um auf diese Weise der Entscheidung des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, den effektiven Gläubigereinfluss bereits in das Eröffnungsverfahren vorzuverlagern. Damit hat sich auch der ursprüngliche Streit erledigt, ob die Einsetzung eines Gläubigerausschusses schon im Antragsverfahren erfolgen kann.[10]

 

Rn 5

Die vom Insolvenzgericht anzustellenden Zweckmäßigkeitserwägungen und Entscheidungsvorbereitungen werden sich direkt auch auf den Umfang der Ermittlungen de...

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