Rz. 47

Der Körperschaftsteuerbescheid ist hinsichtlich des (fiktiv festgestellten) Einkommens bindend für den Bescheid über die Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vgl. Rz. 32). Ist das Einkommen negativ (Verlust), entfaltet der Körperschaftsteuerbescheid darüber hinaus nach Abs. 2 Nr. 2 Bindungswirkung für den Körperschaftsteuerbescheid desjenigen Jahres, in das der Verlust nach § 10d Abs. 1 EStG zurückgetragen wird. Damit wird über die Höhe des Verlustes in dem Körperschaftsteuerbescheid des Verlustjahres bindend entschieden; in dem Rücktragsjahr kann nur noch darüber entschieden werden, ob und in welcher Höhe der Verlust zurückgetragen werden kann, es kann nicht mehr darüber gestritten werden, dass ein Verlust in dieser Höhe im Verlustjahr entstanden ist[1].

 

Rz. 48

Die Bindungswirkung des Körperschaftsteuerbescheides für den Körperschaftsteuerbescheid des Verlustrücktrages gilt nicht nur für Anrechnungskörperschaften, sondern für alle Körperschaftsteuersubjekte (vgl. Dötsch, DB 1992, 650; Pung, in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 47 Rz. 20; Antweiler, in Arthur Andersen, KStG, § 23 Rz. 152). Die Vorschrift grenzt ihren Regelungsbereich, entgegen ihrer systematischen Stellung in dem Teil über das Anrechnungsverfahren, im Wortlaut nicht auf Anrechnungskörperschaften ein; um abweichende Entscheidungen zu verhindern, besteht auch bei Körperschaftsteuersubjekten, die keine Anrechnungskörperschaften sind, ein Bedürfnis, den Körperschaftsteuerbescheid des Rücktragsjahres an die Entscheidung über den Verlust im Körperschaftsteuerbescheid des Verlustjahres zu binden. Die Vorschrift ist daher in § 47 systematisch falsch eingeordnet; die Bindungswirkung des Körperschaftsteuerbescheides in Verlustfällen hätte im Zusammenhang der §§ 48ff. geregelt werden müssen.

 

Rz. 49

Dagegen entfaltet der Körperschaftsteuerbescheid des Verlustjahres keine Bindungswirkung für den Bescheid über die Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals des Rücktragsjahres; § 47 Abs. 2 Nr. 2 ordnet ausdrücklich nur eine Bindungswirkung für den Körperschaftsteuerbescheid, nicht für den Feststellungsbescheid des Rücktragsjahres an. Allerdings entsteht eine mittelbare Bindung, da der Feststellungsbescheid des Rücktragsjahres über § 47 Abs. 2 Nr. 1 an das zu versteuernde Einkommen des Körperschaftsteuerbescheides des Rücktragsjahres gebunden ist. Das zu versteuernde Einkommen des Rücktragsjahres versteht sich nach Verlustrücktrag, ist also um den Rücktragsbetrag gemindert. Es entsteht also eine Kette von aneinander gebundenen Bescheiden vom Körperschaftsteuerbescheid des Verlustjahres über den Körperschaftsteuerbescheid des Rücktragsjahres zu dem Feststellungsbescheid des Rücktragsjahres.

 

Rz. 50

Die Bindung des Körperschaftsteuerbescheides des Rücktragsjahres an den Körperschaftsteuerbescheid des Verlustjahres ist durch Gesetz vom 25.2.1992[2] ab Veranlagungszeitraum 1992 eingeführt worden. Vor diesem Zeitpunkt bestand diese Bindung nicht[3].

 

Rz. 51

Verfahrensrechtlich bedeutet die Bindungswirkung der Verlustfeststellung im Körperschaftsteuerbescheid des Verlustjahres für den Körperschaftsteuerbescheid des Rücktragsjahres, dass die Höhe des Verlustes nur durch Anfechtung des Körperschaftsteuerbescheides des Verlustjahres, nicht des Rücktragsjahres, überprüft werden kann; für das Rücktragsjahr steht die Höhe des Verlustes bindend (bestandskräftig) fest.

Wird der Körperschaftsteuerbescheid des Verlustjahres hinsichtlich der Höhe des Verlustes geändert, ist ggf. auch der Körperschaftsteuerbescheid des Rücktragsjahres zu ändern und der neuen Verlustfeststellung anzupassen. Hinsichtlich der Änderungsgrundlagen besteht eine Gesetzeskonkurrenz. Nach § 10d Abs. 1 S. 5 EStG kann der Bescheid des Rücktragsjahres geändert werden; andererseits greift wegen der Bindungswirkung des Körperschaftsteuerbescheides des Verlustjahres § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO als Änderungsvorschrift ein. M.E. hat § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO Vorrang, weil diese Vorschrift speziell für das Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid gilt, das zwischen dem Körperschaftsteuerbescheid des Verlustjahres und dem des Rücktragsjahres aufgrund der besonderen Vorschrift des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AO besteht; § 10d Abs. 1 S. 5 EStG greift demgegenüber nur ein, wenn keine solche Beziehung zwischen den betroffenen Bescheiden besteht.

[1] Vgl. hierzu Schlagheck, GmbHR 1997, 301.
[2] BStBl I 1992, 146, 162.
[3] Vgl. BFH v. 9.12.1987, I R 1/85, BStBl II 1988, 463, mit dem die gegenteilige Ansicht von BFH v. 18.5.1983, I R 263/82, BStBl II 1983, 602 aufgegeben wurde; v. 9.12.1987, I R 35/86, BStBl II 1988, 466; v. 11.10.1989, I R 7/88, BFH/NV 1990, 327; vgl. auch Widmann, FR 1989, 244; Ahmann, DStR 1986, 815.

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