Rn. 211

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Die Regelung betrifft die Korrektur von Kindergeldfestsetzungen, die von Anfang an objektiv rechtswidrig gewesen sind. Unerheblich ist, ob die rechtswidrige Kindergeldfestsetzung auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung oder einer unzutreffenden Sachverhaltserkenntnis beruht, vgl V 22.1 Abs 1 S 1 DA-KG 2023; Weber-grellet in Schmidt, § 70 EStG Rz 7 (42. Aufl). Materielle Fehler sind solche iSd § 177 Abs 3 AO.

Zu den Fällen, in denen die unzutreffende Sachverhaltserkenntnis der Familienkasse auf einer Täuschung durch den vermeintlich Kindergeldberechtigten beruht, s Rn 283.

 

Rn. 212

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

§ 70 Abs 3 EStG findet nur auf positive Kindergeldfestsetzungen Anwendung, BFH vom 09.06.2011, III R 54/09, BFH/NV 2011, 1858: aA Weber-Grellet in Schmidt, § 70 EStG Rz 7 (42. Aufl); Wendl in H/H/R, § 70 EStG Rz 16 (April 2020); Felix, FR 2001, 674; ausführlich dazu s Rn 215.

 

Rn. 213

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Auf die Fälle der sog Nullfestsetzung des Kindergelds findet § 70 Abs 3 EStG keine Anwendung, da der Nullfestsetzung keine Rechtswirkung für die Zukunft zukommt, vgl BFH vom 25.07.2001, VI R 164/98, BStBl II 2002, 89; BFH vom 25.07.2001, VI R 78/98, BStBl II 2002, 88; aA Felix, FR 2001, 674. Gleiches gilt für einen Ablehnungsbescheid sowie einen Aufhebungsbescheid, BFH vom 09.06.2011, III R 54/09, BFH/NV 2011, 1858; Selder in Brandis/Heuermann, § 70 EStG Rz 40 (Oktober 2021).

In den genannten Fällen ist eine zu Gunsten des Berechtigten geänderte Kindergeldfestsetzung oder Neufestsetzung somit bereits rückwirkend ab dem auf die Bekanntgabe der Nullfestsetzung, des Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheids folgenden Monats möglich, vgl BFH vom 25.07.2001, VI R 164/98, BStBl II 2002, 89; BFH vom 25.07.2001, VI R 78/98, BFH/NV 2001, 1652. Dies betrifft vor allem auch die Fälle, in denen gegen den Berechtigten deshalb ein Ablehnungs- oder ein Aufhebungsbescheid ergangen ist, weil er seine Mitwirkungspflichten verletzt und den Sachverhalt nicht vollständig mitgeteilt hat.

 

Rn. 214

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Fraglich ist, ob § 70 Abs 3 EStG in den Fällen zu Gunsten des Berechtigten Anwendung findet, in denen die Familienkasse das Kindergeld für ein Kind zu niedrig festgesetzt hat. Das dürfte zu verneinen sein, obwohl auch in diesen Fällen die Festsetzung des zutreffenden Kindergelds zu erfolgen hat. Hat die Familienkasse das Kindergeld zu niedrig festgesetzt, zB

  • weil es ein älteres Kind zu Unrecht nicht als Zählkind berücksichtigt hat oder
  • weil es zu Unrecht angenommen hat, das fragliche Kind habe seinen Wohnsitz nicht in Deutschland, sondern zB in der Türkei, sodass nur ein Anspruch auf das geringere Vertragskindergeld gegeben sei,

liegen insoweit jeweils Teilablehnungsbescheide vor, als die Festsetzung des höheren Kindergelds ausdrücklich beantragt war, so auch Wendl in H/H/R, § 70 EStG Rz 16 (April 2020).

 

Rn. 215

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Ist bei gänzlicher Ablehnung der Kindergeldfestsetzung oder deren Aufhebung eine Neufestsetzung rückwirkend ab dem auf die Bekanntgabe der Nullfestsetzung, des Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheids folgenden Monats möglich, vgl BFH vom 25.07.2001, VI R 78/98, BStBl II 2002, 88; BFH vom 25.07.2001, VI R 164/98, BStBl II 2002, 89, so müsste Entsprechendes auch für die teilweise Ablehnung bzw teilweise Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung gelten. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde derartigen Bescheiden, in denen das Kindergeld zu Unrecht zu niedrig festgesetzt worden ist, eine weitergehende Bindungswirkung für die Zukunft zukommen soll, als bestandskräftigen Bescheiden, die die Gewährung von Kindergeld in vollem Umfang ablehnen. Würde in den genannten Fällen der zu niedrigen Kindergeldfestsetzung § 70 Abs 3 EStG anzuwenden sein, wäre eine rückwirkende Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs 3 S 2 EStG nicht möglich.

Nach BFH vom 25.07.2001, VI R 78/98, BStBl II 2002, 88; BFH vom 25.07.2001, VI R 164/98, BStBl II 2002, 89 beschränkt sich deshalb der Anwendungsbereich des § 70 Abs 3 EStG auf Änderungen zu Gunsten der Familienkasse.

 

Rn. 216

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Der Wortlaut der Vorschrift "kann" deutet auf eine Ermessensvorschrift hin. Das entspricht allerdings nicht der Systematik der Änderungstatbestände. Nach V 22.1 Abs 1 S 2 DA-KG 2023 ist die Änderung oder Aufhebung zwingend vorzunehmen, vgl Weber-Grellet in Schmidt, § 70 EStG Rz 7 (42. Aufl); Selder in Brandis/Heuermann, § 70 EStG Rz 38 (Oktober 2021); es handelt sich um eine gebundene Entscheidung, BFH vom 21.02.2018, III R 14/17 BStBl II 2018, 481; aA FG SAnh vom 04.08.2009, 4 K 691/05, EFG 2010, 13; FG Sachsen vom 17.10.2016, 6 K 1307/14 (Kg) (Ermessensvorschrift).

Da § 70 Abs 3 EStG nur zu Gunsten der Familienkasse und damit zu Lasten des Betroffenen anwendbar ist, muss die Korrektur einer materiell unrichtigen Kindergeldfestsetzung entsprechend den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Gleichmäßigkeit der Besteuerung zwingend erfolgen, vgl FG Mchn vom 25.09.2012, 12 K 466/1...

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