Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Ermessen bei der Anwendung der Kindergeldkorrekturbestimmung des § 70 Abs. 3 EStG. Tätigkeit als Hostess in einem Freizeitpark in den USA keine Berufsausbildung im Hinblick auf den angestrebten Beruf des Journalisten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Obwohl die Änderungsvorschrift des § 70 Abs. 3 EStG ihrem Wortlaut nach als Kann-Vorschrift ausgelegt ist, räumt sie der Behörde kein Ermessen ein, ob sie eine als rechtswidrig erkannte Kindergeldfestsetzung mit Wirkung für die Zukunft aufheben soll. Im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung bedeutet das Wort „kann” in dieser Vorschrift ein rechtliches Können und ist bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen als „muss” zu verstehen.

2. Die nicht von einem Sprachunterricht begleitete einjährige Tätigkeit der volljährigen Tochter als Hostess in einem Vergnügungspark der Walt Disney World in Florida stellt keine Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Hinblick auf die spätere Ausbildung zur Journalistin dar.

 

Normenkette

EStG § 70 Abs. 3; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; AO § 5

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger Kindergeld für seine Tochter A für den Zeitraum September 2009 bis April 2010 zusteht.

A legte im Jahr 2008 das Abitur ab. Von Juli 2008 bis Dezember 2008 arbeitete sie auf 400 EUR Basis bei einem Kiosk. Vom 9. Mai 2009 bis 30. April 2010 war sie als Hostess im Restaurantbereich beim Epcot Center (ein Vergnügungspark der Walt Disney World) in Florida beschäftigt. Dabei handelt es sich nach Auskunft der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit und dem in den Akten befindlichen Arbeitsvertrag um ein Arbeitsverhältnis. Seit September 2010 studiert sie Journalistik in den USA.

Der Kläger erhielt laufend Kindergeld für A. In einer am 24. Januar 2009 bei der damals zuständigen Familienkasse der Sparkasse M eingereichten Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes gab er an, seine Tochter werde 2009 ein freiwilliges soziales Jahr ableisten. Nähere Angaben dazu machte er nicht. Am 17. März 2009 ging per Fax eine englischsprachige Erklärung der Disney Worldwide Services Inc. vom 29. Dezember 2008 ein, in der diese sich erfreut zeigte, dass A die angebotene Anstellung angenommen hatte und ihr die näheren Bedingungen ihrer Tätigkeit darlegte. Die Familienkasse B setzte daraufhin mit Bescheid vom 18. März 2009 Kindergeld für den Zeitraum Januar 2009 bis April 2010 fest.

Mit Wirkung zum 1. Juli 2009 wurde die Zuständigkeit hinsichtlich der Kindergeldangelegenheiten auf die Familienkasse C (die Beklagte – Familienkasse –) übertragen. Im Rahmen einer Überprüfung kam die Familienkasse zu dem Ergebnis, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Anerkennung eines freiwilligen sozialen Jahres i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d Einkommensteuergesetz (EStG) nicht vorlagen und hob die Kindergeldfestsetzung gemäß § 70 Abs. 3 EStG mit Bescheid vom 11. August 2009 ab September 2009 auf.

Der dagegen eingelegte Einspruch des Klägers, zu dessen Begründung er vortrug, bei rechtzeitiger Kenntnis, dass kein Kindergeld gewährt werde, hätte A unter Umständen eine andere Praktikumsstelle gesucht, blieb ohne Erfolg. Die Familienkasse ging aufgrund ihrer Anweisungen (Abschnitt 70.2.2.1 Abs. 2 Satz 2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes – DA-FamEStG –, Bundessteuerblatt – BStBl. – I 2012, 734) davon aus, dass ihr bei der Entscheidung kein Ermessen zustehe, und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 2010 als unbegründet zurück.

Zur Begründung der vorliegenden Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, der USAAufenthalt habe unter anderem der Vervollständigung der Englischkenntnisse seiner Tochter gedient, die zwischenzeitlich in den USA studiere. Nachdem er im Antrag vom 24. Januar 2009 den Sachverhalt unter Vorlage der entsprechenden Nachweise mitgeteilt habe, habe er darauf vertrauen dürfen, dass die daraufhin erfolgte Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 2009 bis April 2010 Bestand haben würde. Eine Änderung der Verhältnisse nach Bescheiderteilung sei nicht eingetreten. A`s Einkünfte hätten den Grenzbetrag nicht überschritten.

Der Kläger beantragt, den Aufhebungsbescheid vom 11. August 2009 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, bei der Tätigkeit der Tochter des Klägers handle es sich weder um ein soziales Jahr noch um ein als Ausbildung anzuerkennendes Praktikum. Ein kindergeldrechtlich anzuerkennendes soziales Jahr scheide schon deshalb aus, weil ein solches nur in Deutschland oder im europäischen Ausland abgeleistet werden könne. Der Aufenthalt in USA könne auch nicht als Praktikum anerk...

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