Leitsatz (amtlich)

Die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist unentschuldbar und damit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen, wenn eines der beiden Mitglieder einer Sozietät seine Bürotätigkeit wegen einer seit Monaten dauernden Erkrankung zum Teil nur stundenweise ausüben konnte und weder dieses Mitglied noch das ebenfalls bevollmächtigte andere Mitglied der Sozietät rechtzeitig die Begründungsschrift einreicht oder - wenigstens - einen Fristverlängerungsantrag stellten.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 120

 

Tatbestand

Das Urteil des FG, durch das die Klage des Klägers (und Revisionsklägers) abgewiesen worden war, wurde den beiden Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit Postzustellungsurkunde am 12. April 1977 zugestellt. Der Kläger hat am 26. April 1977 Revision eingelegt. Die Geschäftsstelle des erkennenden Senats hat die Prozeßbevollmächtigten mit Verfügung vom 24. Juni 1977 - mit Postzustellungsurkunde zugestellt am 27. Juni 1977 - darauf hingewiesen, daß die Revisionsbegründungsfrist am 13. Juni 1977 abgelaufen war, sowie ihnen anheimgegeben, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen und die Tatsachen zur Begründung dieses Antrags glaubhaft zu machen.

Einer der Prozeßbevollmächtigten des Klägers hat mit Schriftsatz vom 5. Juli 1977 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Revisionsbegründung eingereicht. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führt er aus, die Begründungsfrist sei "ordnungsgemäß mit entsprechenden Vorfristen im Terminkalender vermerkt" worden. Das die Sache allein bearbeitende Mitglied der Sozietät habe infolge "einer seit Monaten andauernden Erkrankung ... die Bürotätigkeit zum Teil nur stundenweise ausüben" können. Dies gelte "insbesondere für die Dauer der Revisionsbegründungsfrist". Die Begründung habe deshalb nicht fristgerecht angefertigt werden können.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Der Kläger hat die Frist zur Begründung seines Rechtsmittels versäumt. Bis zum Ablauf der Begründungsfrist (13. Juni 1977; § 120 Abs. 1 FGO) hat der Kläger seine fristgemäß eingelegte Revision nicht begründet.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann nicht entsprochen werden. Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben die Revisionsbegründungsfrist schuldhaft versäumt. Dieses Verschulden muß sich der Kläger zurechnen lassen (§ 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).

Die von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers vorgebrachten Gründe entschuldigen die Versäumnis nicht. Auch die "seit Monaten andauernde Erkrankung" des die Sache allein bearbeitenden Sozietätsmitglieds schließt das Verschulden nicht aus. Krankheit ist nicht ohne weiteres ein Entschuldigungsgrund, auch nicht eine längere Zeit andauernde Erkrankung. Im Streitfall kann es sich nicht um eine plötzlich aufgetretene oder eine so schwere Erkrankung gehandelt haben, daß es dem die Sache bearbeitenden Prozeßbevollmächtigten nicht mehr möglich gewesen wäre, die prozessualen und steuerlichen Angelegenheiten des Klägers ordnungsgemäß zu besorgen. Dieser Prozeßbevollmächtigte hat selbst vorgetragen, er habe seine "... Bürotätigkeit zum Teil ... stundenweise" ausgeübt. Von einem völligen Ausfall seiner Arbeitskraft kann deshalb nicht gesprochen werden. Es war ihm unter den gegebenen persönlichen Verhältnissen zuzumuten, seine Obliegenheiten gegenüber seinen Mandanten allgemein auf ihre Bedeutung und Dringlichkeit hin zu prüfen und in einer gewissen Rang- und Reihenfolge die fristgebundenen, unaufschiebbaren und wichtigen Angelegenheiten zu erledigen. Insbesondere mußte es dem Bevollmächtigten bei sorgfältiger Wahrnehmung seiner Aufgaben innerhalb der Revisionsbegründungsfrist möglich sein, die nur eine Seite lange Revisionsbegründung - wie sie jetzt eingereicht wurde - zu fertigen oder - zumindest - einen wenige Schreibmaschinenzeilen umfassenden Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist (§ 120 Abs. 1 Satz 2 FGO) rechtzeitig zu stellen. Das ist jedoch nicht geschehen.

Darüber hinaus ist es versäumt worden, dem anderen, vom Kläger ebenfalls bevollmächtigten Mitglied der Sozietät die Erledigung der Angelegenheit zu übertragen. Dem steht nicht entgegen, daß die Sache innerhalb der Sozietät von einem bestimmten Mitglied allein bearbeitet worden ist bzw. werden sollte. In Krankheitsfalle muß die interne Arbeitsaufteilung hinter der ordnungsgemäßen Erledigung der Angelegenheit zurückstehen. Die allen Mitgliedern einer Sozietät erteilte Prozeßvollmacht berechtigt nicht nur die einzelnen Mitglieder, die Interessen des Mandanten wahrzunehmen, sondern verpflichtet auch jedes einzelne Mitglied, die übertragenen (und übernommenen) Aufgaben sorgfältig zu erfüllen. Dazu gehört, daß ein Mitglied der Sozietät für ein erkranktes anderes Mitglied einspringt und von dessen Arbeiten zumindest die unaufschiebbaren (fristgebundenen) und wichtigsten in angemessener Weise und zeitgerecht erledigt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72091

BStBl II 1977, 768

BFHE 1978, 13

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