Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen

Hintergrund: Kurzfristige Anmietung von Veranstaltungsräumen
Ein Konzertveranstalter mietet für Aufführungen verschiedene Immobilien an (Theater, Konzertsäle, Stadien, Arenen). Im Streitjahr 2009 betrug die Mietdauer regelmäßig einen Tag, in Ausnahmefällen bis zu 8 Tagen.
Das FA nahm in dem GewSt-Messbescheid bei der Ermittlung des Gewerbeertrags eine Hinzurechnung von 1/4 aus 13/20 der von K gezahlten Miet- und Pachtzinsen vor. Die dagegen gerichtete Klage wurde vom FG mit dem Hinweis auf den Gesetzeswortlaut abgewiesen.
Entscheidung: Voraussetzungslose Fiktion der Eigentümerstellung
Auch die Revision blieb ohne Erfolg. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG a. F. wird dem Gewinn hinzugerechnet 1/4 der Summe aus 13/20 (jetzt: der Hälfte) der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines Anderen stehen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe der Beträge i. S. v. § 8 Nr. 1 Buchst. a bis f GewStG 100.000 EUR übersteigt. Diese anteilige Hinzurechnung verlangt eine fiktive Zurechnung zum Anlagevermögen des Mieters/Pächters, da die Gegenstände mangels Eigentums seinem Betriebsvermögen nicht zugeordnet werden können. Entscheidend ist, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters/Pächters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre. Die Regelung begründet eine voraussetzungslose Fiktion der Eigentümerstellung. Das ergibt sich aus Folgendem:
- Die Hinzurechnung der Fremdkapitalzinsen und deren Substitute bezweckt, den Gewerbeertrag unabhängig von der Art und Weise der für die Kapitalausstattung zu entrichtenden Entgelte zu bestimmen. Damit soll der objektivierte Gewerbeertrag unabhängig von der Unternehmensfinanzierung erfasst werden.
- Dafür spricht auch die Gesetzessystematik. Die Eigentümerstellung wird voraussetzungslos fingiert, um die Prüfkriterien für die Unterscheidung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen auf den nur obligatorisch Nutzungsberechtigten übertragen zu können.
- Dieses Gesetzesverständnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber die Fiktion an bestimmte Voraussetzungen knüpfen wollte.
Kurzfristigkeit steht Anlagevermögen nicht entgegen
Das Tatbestandsmerkmal des Anlagevermögens ist nach allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen. Nach § 8 Nr. 7 GewStG a. F. ist für die Zuordnung beweglicher Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen nicht die Dauer der tatsächlichen Benutzung, sondern der Umstand maßgeblich, ob die Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch vorgehalten werden müssen bzw. ob der Unternehmer auf das Vorhandensein entsprechender Räume angewiesen ist. Dies gilt auch für unbewegliche Wirtschaftsgüter. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung (UntStRefG 2008) von diesen Grundsätzen abrücken wollte. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kurzfristigkeit des Miet-/Pachtverhältnisses einer Eigentumsfiktion entgegensteht.
Hinweis: Besonderheiten bei Hotelnutzung
Der BFH hatte das Verfahren wegen eines beim BVerfG anhängigen Normenkontrollverfahrens zunächst ausgesetzt. Nachdem das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit bejaht hatte (BVerfG-Beschluss v. 15.2.2016, 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557), bestätigte der BFH nunmehr die Auffassung des FA und des FG.
Die Verwaltung nimmt kurzfristige Hotelnutzungen und Kfz-Mietverträge von der Hinzurechnung aus. Es handelt sich dabei wegen der Vielzahl der weiteren damit verbundenen Vertragspflichten nicht um Mietverhältnisse, sondern um Vertragsverhältnisse besonderer Art (gleich lautende Ländererlasse v. 4.7.2008, BStBl I 2008, 730, Rz. 7). Eine andere Frage ist, ob die Aufwendungen von Reiseveranstaltern für die Überlassung von Hotels (Hotelzimmern, Hotelzimmerkontingenten) zur Unterbringung von Touristen Mietanteile enthalten, die der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung unterliegen. Nach FG Münster (Urteil v. 4.2.2016, 9 K 1472/13 G, EFG 2016, 925) enthält die Nutzungsüberlassung von Hotelzimmern an Reiseveranstalter regelmäßig auch anteilig Mieten, die hinzuzurechnen sind. Die gezahlten Entgelte sind im Schätzwege aufzuteilen (Revision anhängig, Az. BFH I R 28/16).
BFH, Urteil v. 8.12.2016, IV R 24/11; veröffentlicht am 17.5.2017
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