Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für Standflächen eines Reisegewerbes
Blick in die Rechtslage
Zur Ermittlung des Gewerbeertrags sind dem steuerlichen Gewinn die in § 8 GewStG genannten Aufwendungen in gesetzlich bestimmter Höhe hinzuzurechnen (§ 7 Satz 1 GewStG). § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e GewStG bestimmt, dass bestimmte Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, in bestimmter Höhe hinzuzurechnen sind.
Fraglich war, ob auch die Mieten für Standflächen eines Reisegewerbes unter diese Hinzurechnungsvorschrift fallen.
Sachverhalt: Standplatzmieten eines Imbissbetriebs mit ständig wechselnden Standorten
Die Klägerin (GmbH) ist gewerblich tätig, indem sie durch Verkaufsstände an ständig wechselnden Orten gastronomische Leistungen in Form von zubereiteten Speisen erbringt. Für die Verkaufsstände mietet sie kurzzeitig – jeweils für die Dauer von einzelnen Tagen bis hin zu mehreren Wochen – Standplätze auf Märkten, Festivals und anderen Veranstaltungen an. Die zu verkaufenden Speisen bereitet die Klägerin in den Ständen zu. Hierfür erforderliche Betriebsmittel wie Wasser und Strom stellen die Vermieter zur Verfügung.
Nach einer Betriebsprüfung erhöhte das Finanzamt die nach § 8 S. 1 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnenden Mieten für langfristige Anmietungen und Standmieten.
Gegen die Hinzurechnung der Aufwendungen für angemietete Standplätze wandte sich die Klägerin. Hierbei handele es sich um fiktives Umlaufvermögen. Hilfsweise seien als Anmietungskosten nicht die Entgelte für Nebenleistungen und Betriebskosten zu qualifizieren. Würden diese nicht offen ausgewiesen, bedürfe es einer sachgerechten Schätzung.
Nach Auffassung des Sächsischen FG war die Klage nur teilweise begründet (Urt. v. 16.11.2021, 1 K 854/21). Eine Hinzurechnung der Standplatzmieten habe dem Grunde nach zu erfolgen; die Hinzurechnung erfolge aber exklusive der im Zusammenhang mit der Anmietung stehenden Betriebskosten.
Entscheidung: Hinzurechnungsbesteuerung wird ausgelöst
Der BFH schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung und des Sächsischen FG an. Die Revision der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen. Zu Recht sei das Sächsische FG von einer gewerbesteuerlichen Hinzurechnung der Mieten für die von der Klägerin angemieteten Stellplätze ausgegangen.
Mietverträge über Standplätze lagen vor
Unstrittig war im Entscheidungsfall das jeweilige Vorliegen eines Mietvertrages, weil die Anmietung des jeweiligen Standplatzes gegen Entgelt das wesentliche Vertragselement war. Nebenleistungen, wie z. B. eine Bereitstellung von Strom oder eine Reinigung der Flächen, ändert hieran nichts.
„Fiktives“ Anlagevermögen liegt vor
Für die Hinzurechnung nach § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e GewStG ist die Frage zu beantworten, ob das Wirtschaftsgut zum Anlagevermögen gehören würde, wenn der Mieter Eigentümer des angemieteten Mietgegenstandes wäre.
Nach Auffassung des BFH ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass die Standplätze bei unterstelltem Eigentum der Klägerin zu deren Anlagevermögen gehört hätten.
§ 8 S. 1 Nr. 1 Buchst. e GewStG begründet insoweit eine voraussetzungslose Fiktion der Eigentümerstellung. Unerheblich ist es daher,
- ob es vergleichbare Eigentümerbetriebe gibt,
- ob eine Wahlmöglichkeit zwischen Miete/Pacht einerseits und Erwerb andererseits besteht oder
- ob die angemieteten Standflächen überhaupt als Eigentum erworben werden können.
Auch die kurzfristige Anmietung der Standflächen steht einer Zuordnung zum fiktiven Anlagevermögen nicht entgegen. Der hier zu beurteilende Imbiss benötigt für seinen Betrieb ständig Standplätze. Ohne die Standflächen wäre es dauerhaft nicht möglich, unmittelbaren Kundenkontakt aufzunehmen und dem Geschäftszweck nachzugehen. Die Kurzfristigkeit der jeweiligen Anmietung steht dem ebenso wenig wie die Verteilung der Standflächen im Losverfahren entgegen. Denn die wiederholte kurzfristige Anmietung ähnlicher Standflächen stellt ein Surrogat einer langfristigen Nutzung solcher Standflächen dar (vgl. auch BFH, Urteil v. 1.6.2022, III R 56/20).
Mietzins gehört nicht zu den Herstellungskosten der vertriebenen Produkte
Miet- und Pachtzinsen werden von dem Hinzurechnungstatbestand nicht erfasst, soweit sie in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes eingeflossen sind.
Sind Miet- oder Pachtzinsen den Herstellungskosten von Umlaufvermögen zuzuordnen, können sie nicht mehr als Miet- oder Pachtzinsen zu einer Gewinnminderung führen (BFH, Urteil v. 30.7.2020, III R 24/18; Rz. 28). Dies gilt selbst dann, wenn keine Aktivierung der hergestellten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens am Bilanzstichtag stattgefunden hat, weil die Wirtschaftsgüter bereits unterjährig aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind (BFH v. 30.7.2020, III R 24/18; Rz. 30).
Forschungs- und Vertriebskosten dürfen in die Herstellungskosten nicht einbezogen werden (§ 255 Abs. 2 S. 4 HGB). Zu den Vertriebskosten zählen auch die Vertriebsgemeinkosten wie z. B. die Mietaufwendungen für die Verkaufsstände. Dominierender Zweck der Aufwendungen liegt in der Vermarktung der Produkte und nicht deren Herstellung; mangels Aufteilbarkeit zwischen Herstellungs- und Vertriebskosten unterwirft der BFH die gesamten Standplatzkosten den Vertriebskosten.
Praxisfolgen
Die BFH-Entscheidung v. 12.10.2023 in der Rs. III R 39/21 befasst sich erneut mit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Mietaufwendungen bei Vorliegen von fiktivem Anlagevermögen. Nachdem der BFH eine Hinzurechnung bei Ferienimmobilienanbietern kürzlich bejaht hat (BFH, Urteil v. 17.8.2023, III R 59/20) konkretisiert die neuerliche BFH-Entscheidung die Vorschriftsanwendung bei Standplatzmieten. In der Beratungspraxis sollte ein Augenmerk auf die Aufteilung zwischen Standgebühren und Nebenkosten gelegt werden, weil die Nebenkosten nicht unter die Hinzurechnungsregelungen fallen. Wenngleich diese auch im Schätzungswege aus der Hinzurechnungsbesteuerung herausgehalten werden, vermeidet eine Einzelwertaufführung eine Einzelfalldiskussion über die Schätzungshöhe.
BFH, Urteil v. 12.10.2023, III R 39/21; veröffentlicht am 23.11.2023
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